Das Frühlingsfest in der Lilienthaler Ortsmitte musste der Wirtschaftsinteressenring (WIR) wegen Corona bereits abblasen, und das gleiche Schicksal wird auch das traditionelle Herbstfest ereilen, das für den 20. September geplant war. Selbst eine abgespeckte Version in Form eines schlichten verkaufsoffenen Sonntags ohne übliches Beiprogramm wird es nicht geben. Der Vorstand und die Verantwortlichen im WIR haben solche Ideen nach reiflicher Überlegung verworfen, weil ihnen das Risiko in vielerlei Hinsicht zu groß erscheint. Niemand könne heute einschätzen, wie sich die Pandemie nach der Urlaubszeit weiter entwickele. Hinzukomme, dass die Mitglieder allein dafür verantwortlich wären, dass Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden und sich niemand mit dem Virus ansteckt. Nicht zu machen, sagt die Interessenvertretung der Geschäftsleute.
Nach der aktuell geltenden Corona-Verordnung dürfte das Herbstfest ohnehin nicht genehmigt werden, denn die Vorschrift verlangt unter anderem, dass Veranstalter von Events alle Kontaktdaten der Teilnehmer erfassen müssen. Die Regelungen gelten erst einmal nur bis zum 5. Juli, was danach kommt, ist nicht bekannt. WIR-Vorsitzender Sven Behrens verweist darauf, dass selbst bei einer Freigabe für die Veranstaltung die Zeit zu knapp bemessen wäre, um in diesem Jahr noch ein Herbstfest auf die Beine stellen zu können.
Welchen Vorteil es haben soll, ein Herbstfest im Kleinformat zu organisieren, erschließt sich dem WIR-Chef nicht. Denn auch dann würde ein Hygienekonzept greifen, für dessen Umsetzung der WIR sorgen müsse. „Die Auflagen sind hoch. Und wer will dafür verantwortlich sein, wenn sich jemand doch ansteckt?“, fragt Behrens. Der Andrang in der Hauptstraße sei kaum zu steuern, und auch die Einhaltung der Maskenpflicht in den Geschäften sei mit dem vorhandenen Personal nicht zu überprüfen. Der WIR hat auch seine Mitglieder dazu befragt. Laut Geschäftsstellenleiterin Anja Dähncke kam heraus, dass die Geschäftsleute einen verkaufsoffenen Sonntag generell zwar gerne ausgerichtet hätten, die Gesundheit der Menschen aber als vorrangig betrachtet werde.

"Die Auflagen sind hoch. Und wer will dafür verantwortlich sein, wenn sich jemand doch ansteckt?", fragt Sven Behrens. Der Vorsitzende des Lilienthaler Wirtschaftsinteressenrings sieht – wie auch die Mehrheit der Mitglieder – keine Alternative zur Absage des Herbstfests für dieses Jahr.
Keine Großveranstaltungen bis Ende Oktober 2020
Leicht hat sich der WIR-Vorstand die Sache nicht gemacht: Die Geschäftsstelle hatte bei der Gemeindeverwaltung vorgefühlt, ob und unter welchen Bedingungen überhaupt ein Herbstfest oder verkaufsoffener Sonntag stattfinden könne. Noch gilt die Verabredung zwischen Bund und Ländern, wonach Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, mindestens bis Ende Oktober 2020 nicht stattfinden sollen. Allerdings gibt es Bundesländer, die die Corona-Beschränkungen bereits reduziert haben. In Brandenburg etwa dürfen seit dem 15. Juni öffentliche und private Veranstaltungen mit bis zu 1000 Menschen stattfinden, auch Konzerte und Open Air-Events sind erlaubt. Die Abstandsregeln gelten allerdings weiterhin.
Die Lockerungen der jüngsten Zeit waren wohl auch für Querdenker-Ratsherr Ingo Wendelken Anlass, laut über die Möglichkeiten nachzudenken, das Herbstfest noch irgendwie zu retten. Im Verwaltungsausschuss sprach er vor einigen Tagen das Thema intern an. Für Wendelken ist unbestritten, dass der gesundheitliche Schutz des Einzelnen immer Vorrang haben müsse vor festlichen Aktivitäten. Dennoch seien andere Konzepte durchaus denkbar, eben im kleineren Rahmen oder zu einem späteren Zeitpunkt ein Herbstfest stattfinden zu lassen. Fast allen Mitgliedern im Verwaltungsausschuss sei klar geworden, dass die Gemeinde die teilweise stark angeschlagenen, hiesigen Einzelhändler unterstützen müsse, nicht unbedingt finanziell, aber durch Gespräche und gemeinsame Strategien, so Wendelken.
Bürgermeister Kristian Tangermann hält das Ganze indes für eine „Phantomdebatte“. Niemand sei mit einem Antrag an die Gemeinde herangetreten, einen verkaufsoffenen Sonntag anstelle des Herbstfestes auf die Beine stellen zu wollen. Mit Blick auf die Pandemie hatte die Gemeinde bereits Ende März die Genehmigung für die im Jahr 2020 geplanten Sonntagsöffnungen zurückgenommen. Tangermann hält es für angebracht, im Umgang mit der Pandemie weiter vorsichtig zu sein. „Ich finde es gut, dass man guckt, wie die Menschen zur Normalität im Alltag zurückfinden. Doch Voraussetzung ist, dass wir weiter vernünftig miteinander umgehen. Das Risiko der Ansteckung ist nicht weg. Jeder muss auf sich und seine Nächsten achtgeben“, sagt der Lilienthaler Bürgermeister.
Herbstfest ja oder nein – der Chef der Lilienthaler Gemeindeverwaltung hat auch das große Ganze im Blick und sieht die Krise auch als Chance für Veränderung: Seinen Beobachtungen zufolge hat die Pandemie dazu geführt, dass viele Menschen ihr bisheriges Handeln überdenken. Das Bewusstsein für Regionalität sei gewachsen, das hätten ihm auch Einzelhändler im Ort bestätigt. „Ich weiß, man kann es nicht pauschal sagen. Doch viele Menschen überprüfen jetzt ihr Einkaufsverhalten etwa beim Fleischkonsum, und sie besinnen sich wieder verstärkt auf den lokalen Einzelhandel. Ich hoffe, dass das so weitergeht. Der Verbraucher hat es in der Hand, Einfluss zu nehmen auf die Umwelt und auch darauf, dass der örtliche Einzelhandel erhalten bleibt“, sagt Tangermann.