Lilienthal. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Schülerinnen und Schüler bereiten den Verantwortlichen des Gymnasiums Lilienthal Sorgen. Nach der Auswertung einer Befragung der neunten und zehnten Klassen zum Thema Schülergesundheit im Winter sehen Schulleitung und Lehrerkollegium, aber auch Eltern- und Schülervertreter Handlungsbedarf. "Die Ergebnisse sind besorgniserregend", sagt Schulleiter Denis Ugurcu. Er betont aber auch, dass die Schule bereits Maßnahmen ergriffen habe, um der Entwicklung entgegenzuwirken.
Wonach wurden die Schüler gefragt?
Im Dezember und Januar hat die Schule 309 Schülerinnen und Schüler per E-Mail aufgefordert, online einen Fragebogen zu beantworten. Dabei ging es um die allgemeine Zufriedenheit, die Motivation, die Herausforderungen durch Unterricht, Hausaufgaben und Klassenarbeiten, um die Arbeitsdauer und um Schwierigkeiten. Die Grundlage für den Fragebogen hat die Schweizer Beratungsplattform IQES geliefert, die nach eigenen Angaben auch mit der Bremer Bildungsbehörde und der niedersächsischen Landesschulbehörde zusammenarbeitet. Laut Mechtild Grafe, die am Gymnasium den Bereich Schulevaluation betreut, erfüllt die Befragung nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Studie. Die Ergebnisse seien aber geeignet, als Gesprächsgrundlage zu dienen.
Was kam dabei heraus?
Knapp die Hälfte (46,9 Prozent) der eingeladenen Schülerinnen und Schüler hat den Fragebogen komplett, 64,9 Prozent hat ihn zum Teil beantwortet. Dabei fiel auf, dass sich die große Mehrheit als motiviert, einsatzbereit und ehrgeizig bezeichnet. Zudem gaben 82 Prozent an, im Kreis der Familie, Freunde und Lehrer Unterstützung zu erhalten. 83 Prozent glauben auch, dass sie den Lernstoff während des Homeschoolings gut bewältigen konnten. Sorgen bereitet den Lehrenden aber der Umstand, dass sich mehr als ein Drittel im Unterricht, durch Hausaufgaben oder Klassenarbeiten überfordert sieht. 41 Prozent äußerten, unter Konzentrationsschwierigkeiten zu leiden. Genausoviele gaben an, übermäßig schlechte Laune zu haben. 65 Prozent bezeichneten sich als lustlos und frustriert, 64 Prozent meinen, zu wenig oder schlecht zu schlafen. 33 Prozent verbringen nach eigener Angabe zu viel Zeit am Computer. 23 Prozent beklagen zu viele Konflikte mit Eltern oder Geschwistern. Evaluationsleiterin Grafe haben diese Ergebnisse nach eigenen Angaben "sehr traurig" gemacht. Sie seien wegen der Pandemie aber auch nicht überraschend gewesen. Im Kreis der Kolleginnen und Kollegen hätten viele ihr Bauchgefühl bestätigt gesehen.

Tauschten sich über die Folgen der Pandemie auf die Schülerinnen und Schüler aus (von links): Jonathan Kaufmann, Schülersprecher am Gymnasium Lilienthal, Schulleiter Denis Ugurcu und Schulelternvertreterin Mara Jekosch.
Wie reagiert die Schulleitung?
Laut Schulleiter Denis Ugurcu sind "zwei Jahre Pandemie nicht in zwei Jahren zu lösen", zudem sei die Schule allein nicht in der Lage, die gesamte Bandbreite von Problemen – von Depressionen über Essstörungen bis hin zu Gewaltausbrüchen – zu lösen. Schon jetzt stünden auf der Warteliste der pädagogischen Mitarbeiterin 37 Schülerinnen und Schüler. Ugurcu betont aber auch, dass die Schule nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensort sei. Daher wolle man ein Präventionskonzept umsetzen, das helfen könnte, einem Teil der Probleme zu begegnen. Dazu zählen nach Angaben des stellvertretenden Schulleiters Thomas Brauer Teambuildingmaßnahmen in den fünften und Angebote zur Gewaltprävention in den sechsten Klassen. Die siebten und achten Klassen sollen sich in den kommenden Jahren mit Themen wie Drogen, Sucht und Medienkonsum befassen. In den neunten Klassen soll es um sexuelle Gewalt und Übergriffe gehen, während die Jugendlichen der zehnten Klassen zum Thema psychische Gesundheit geschult werden. Hierbei sollen auch die Eltern einbezogen werden. Es soll einen Schulausflug für sämtliche 1300 Schüler nach Porta Westfalica geben, ein Schulfest, Klassenfahrten, eine intensivere Ganztagsbetreuung und neue AGs am Nachmittag, darunter Yoga, Golf und Floorball.
Was sagt die Elternvertretung?
Nach Einschätzung von Schulelternsprecherin Mara Jekosch könnte der Umstand, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler an der Umfrage beteiligt waren, auf eine höhere Dunkelziffer hindeuten. Bisher sei man davon ausgegangen, dass es pro Jahrgang zwei bis drei psychisch auffällige Schülerinnen oder Schüler gebe. Jetzt könne es sein, dass es zwei bis drei pro Lerngruppe seien. "Und das", so Jekosch, "hat dann Auswirkungen auf die ganze Gruppe." Die Elternvertreterin begrüßt die Maßnahmen, die die Schule ins Auge fasst. Die Mittel dazu kommen zum Teil aus einem Corona-Sondertopf, den Bund und Länder mit bislang 222 Millionen Euro ausgestattet haben, um die Pandemiefolgen in den Schulen abzufedern. Das Gymnasium hat davon laut Schulleitung bislang 80.000 Euro beansprucht. Jekosch hofft, dass derartige Mittel auch in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen.
Wie beurteilt die Schülervertretung die Lage?
Schülersprecher Jonathan Kaufmann kann die Ergebnisse nach eigenem Bekunden nachvollziehen. Der Elftklässler spricht sich dafür aus, dass die Schülerinnen und Schüler niedrigschwellige Angebote erhalten, "damit sie gar nicht erst dahin kommen, einen Termin beim Schulpsychologen machen zu müssen".
Wie geht es jetzt weiter?
Die Details des Präventionspakets, das sich die Schule verordnet hat, müssen noch geschärft werden. Laut Denis Ugurcu soll es dazu Mitte Juni eine Dienstbesprechung geben. Laut Mara Jekosch beabsichtigt man, die Evaluation in zwei Jahren zu wiederholen, damit die Entwicklung in Sachen Schulgesundheit nachvollzogen werden kann.