Osterholz-Scharmbeck. Die Freiheit hat sie wieder. Und – das ist ungleich wichtiger – die Gesundheit auch. Wenn Daniel Pika und Catharina Sander in diesen Tagen endlich wieder das Haus verlassen, dann liegen zwei Wochen Quarantäne hinter dem Paar. Der Fußballer des SV Komet Pennigbüttel wurde am Donnerstag, 19. März, positiv auf das Coronavirus getestet. Seine Lebensgefährtin folgte vier Tage später. Mittlerweile können die Zwei wieder lachen. Doch den Moment, in dem Daniel Pika die Diagnose bekam, wird er trotzdem nie vergessen: „Das zieht einem definitiv die Füße weg.“
Um es vorweg zu nehmen: Catharina Sander hatte einen sehr milden Verlauf der Krankheit, Pika durchaus stärkere Symptome wie Fieber und Gliederschmerzen. Was beide vereinte, war der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns – ein überaus typisches Symptom für CoVid-19. Und natürlich war da in den ersten Stunden und Tagen die Sorge über das, was nun kommen würde.
Die ersten Symptome hatte Pika am 17. März gespürt. Ein leichter Hustenreiz hier, ein paar Muskelschmerzen da. „Aber nichts, worüber man sich normalerweise Gedanken gemacht hätte“, sagt Pika. Zudem war der 32-Jährige weder in einer Risikogegend, noch hatte er Kontakt zu einer Risikoperson gehabt. „Deshalb hätte man mich mit derart schwachen Symptomen ohnehin nicht getestet.“ Aber bei diesen schwachen Symptomen blieb es nicht.
Schon einen Tag später waren die Gliederschmerzen stärker als bei einer herkömmlichen Grippe. Das Fieber stieg auch an. Und da Pika bereits zwei Wochen zuvor eine starke Erkältung mit grippeähnlichen Symptomen gehabt hatte, wurde er nach Rücksprache mit seiner Hausärztin am Donnerstagnachmittag doch getestet. Freitagabend kam dann der Anruf, der das Leben kurzzeitig aus den Angeln heben sollte. „Ich habe sofort gemerkt, dass der Test positiv war“, erinnert sich Pika. Die Knie wurden weich, der Herzschlag schnellte nach oben. Doch nach einem ausführlichen Gespräch mit der Ärztin war die größte Angst zunächst genommen. „Ich gehöre keiner Risikogruppe an, habe keinerlei Vorerkrankungen“, berichtet Pika.
Dennoch änderte sich nun schlagartig alles. Pika musste für das Gesundheitsamt eine Liste anfertigen, auf der alle Personen standen, mit denen er in den vergangenen 14 Tagen Kontakt gehabt hatte. Die Liste wurde sehr schnell sehr lang und Pika merkte plötzlich: „Man verhält sich doch ziemlich unbedarft und verantwortungslos, obwohl man von der Gefahr ja längst wusste.“ Hier noch eine Kohlfahrt, da noch ein FIFA-Abend, dann noch schnell eine Geburtstagsfeier. „Das war im Nachhinein echt grenzwertig. Bei der Kohlfahrt haben wir uns beispielsweise zum Treffpunkt noch spaßeshalber die ‚Corona-Faust‘ gegeben, und abends steht man Arm in Arm auf der Tanzfläche.“ Noch einmal würde er sich definitiv nicht so verhalten.
Die engsten Kontaktpersonen wie beispielsweise sein Bruder Dennis, mussten sich nach der Diagnose vorsorglich ebenfalls direkt in häusliche Quarantäne begeben. Freundin Catharina natürlich auch. Die Tochter des langjährigen Fußballtrainers Jens Sander wurde gar nicht erst getestet. „Das Gesundheitsamt ordnet den Test in solchen Fällen erst an, wenn die Person selbst Symptome entwickelt“, erklärt Daniel Pika. Und das tat seine Verlobte dann auch ein paar Tage später. Am 24. März stand fest: Auch Catharina Sander hat das Coronavirus.
Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Vorgehensweise geändert worden. Man musste nur noch die Kontaktpersonen der letzten zwei Tage und nicht mehr der vergangenen 14 Tage notieren. Da Sander aber ohnehin schon tagelang in der Quarantäne hockte, änderte sich nicht viel. Immerhin hatten die Zwei nun ausreichend Zeit, sich über andere anstehende Dinge in Ruhe Gedanken zu machen. Denn eigentlich wollten Sander und Pika am 1. Mai in Cuxhaven heiraten. So richtig groß, in der Festscheune „Op de Deel“. 120 Einladungen waren verschickt, die Planung weitgehend abgeschlossen. Und jetzt? „Ich war da von Anfang an etwas mehr der Realist", sagt Pika. Für ihn war schnell klar, dass das mit der Hochzeit nichts werden wird. „Catharina aber hatte bis zuletzt noch etwas Hoffnung.“
Erst als sie dann auch ihre Diagnose erhielt, stand es endgültig fest: die Hochzeit muss ausfallen. „Da sind dann natürlich viele Tränen geflossen“, sagt Pika. Zeitgleich hatte das Standesamt schon wiederholt Briefe geschickt und die Rahmenbedingungen für die Trauung immer wieder modifiziert. Erst wurde von 16 auf zehn Gäste reduziert. Dann hieß es, nur noch Brautpaar und Trauzeugen seien erlaubt. „Und mit dem dritten Brief wurde uns dann mitgeteilt, dass nur noch wir und der Standesbeamte im Raum sein dürfen“, berichtet Pika. Das wollte das Paar natürlich nicht.
Statt Hochzeitsvorfreuden stand nun also die gemeinsame Quarantäne an. Da das Paar derzeit sein neues Zuhause komplett renoviert, mussten die Arbeiten auf der Baustelle natürlich komplett eingestellt werden. Erst an jenem Donnerstag, an dem Tag von Pikas Diagnose, waren die Zwei aus dem Keller in den ersten Stock gezogen und hatten dort ihr neues Schlafzimmer bezogen.
„Doch das gesamte Erdgeschoss ist praktisch ein Rohbau“, verrät Daniel Pika. Keine Küche, kein Herd, nur bedingt fließend Wasser. „Wir hatten im Wintergarten tatsächlich einen Propan-Campingkocher und einen Wasserkanister stehen“, berichtet Pika schmunzelnd. Der kam allerdings fast gar nicht zum Einsatz, denn die Verpflegung übernahm Catharina Sanders Mutter Kerstin. „Da kam dann irgendwann immer die heiß ersehnte WhatsApp, was es heute zum Essen gibt und dann konnten wir wählen.“ Die Töpfe wurden dann einfach vor die Haustür gestellt. Den Einkauf übernahmen Freunde.
Nach ein paar Tagen besserte sich der Zustand von Daniel Pika wieder. Die alles entscheidende Frage war dann irgendwann: Welche Serie wird heute geguckt? „Wir haben sehr viel Zeit im Bett verbracht“, sagt Pika, der sich seit der Diagnose viel mit der Krankheit beschäftigt hat. Am Ende dieser 14 Tage empfindet er diese Grenzerfahrung als Fluch und Segen zugleich. „Wir sind jetzt zum Glück durch mit dem Thema, das ist natürlich ein gutes Gefühl. Aber ob es Spätfolgen gibt, weiß noch kein Mensch.“
Ihrem Naturell entsprechend versuchen Daniel Pika und Catharina Sander die Sache positiv zu sehen. In 30 Jahren haben sie eine ganz eigene Geschichte darüber zu erzählen, wie die Menschheit eine der schwersten Krisen (hoffentlich) gut gemeistert hat. Und sie als Paar auch. Denn nach 14 Tagen in gemeinsamer Quarantäne steht eines ja wohl endgültig fest: Die Zwei dürften auch als Ehepaar gut funktionieren. Oder wie Daniel Pika es ausdrückt: „Letzte Prüfung bestanden.“