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Interview mit Schiedsrichter Patrik Feyer „Man muss einfach offen sein. Auch für Kritik“

Im Rahmen unserer wöchentlichen Schiedsrichter-Serie „Der Weg zum Sündenbock“ haben wir uns mit Patrik Feyer unterhalten. Der 27-Jährige ist der am höchsten pfeifende Schiedsrichter des Landkreises Osterholz.
01.02.2020, 08:00 Uhr
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„Man muss einfach offen sein. Auch für Kritik“
Von Tobias Dohr

Herr Feyer, können Sie sich eigentlich noch an Ihren allerersten Schiedsrichter-Einsatz erinnern?

Patrik Feyer: Das kann ich tatsächlich, den vergisst vermutlich kein Schiedsrichter. Das war ein Spiel in der U14 in Aschwarden. Ich hatte den Schiedsrichterschein mit einem guten Kumpel gemacht. Gemeinsam sind wir dann mit Rad von Schwanewede nach Aschwarden gefahren, mein Kumpel hat zugeguckt, ich habe gepfiffen. Und war ziemlich aufgeregt.

Und können Sie sich auch an die allererste Beleidigung erinnern?

(überlegt) Zumindest an meine erste Rote Karte, das war aber wegen einer Tätlichkeit und nicht wegen einer Beleidigung. Das war dann auch ein U14-Spiel ...

... aber nicht dasselbe?

Nein, nicht dasselbe. Da hat ein Spieler nach der Partie seinen Fußballschuh nach seinem Gegner geworfen. Da habe ich dann nach der Partie noch die Rote Karte gezeigt. Die ersten richtigen Beleidigungen gab es dann eigentlich erst etwas später bei den Herren, auf einem Hallenturnier war das.

Wie war das, zum ersten Mal auf dem Feld den Unmut der Spieler zu spüren?

Ich konnte da eigentlich von Anfang an ganz gut mit umgehen, obwohl ich ja auch erst 14 Jahre alt war, als ich den Schein gemacht habe. Aber ich habe versucht, diese Kommentare nie persönlich zu nehmen. Außerdem habe ich nach dem Spiel auch mal mit den Spielern über gewisse Dinge gesprochen und versucht, konstruktiv mit dieser Kritik umzugehen. Ich bin dann relativ schnell in das Bezirksliga-Gespann von Markus Daebel gekommen und habe dort natürlich ganz viel von diesem erfahrenen Schiedsrichter gelernt. Insgesamt muss man einfach offen sein, auch für Kritik.

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Im aktuellen Anwärterkurs ist das Durchschnittsalter irgendwo bei 17 Jahren, Sie selbst haben mit 14 den Schein gemacht. Ist das nicht viel zu früh? Beziehungsweise gibt es ein perfektes Alter, um mit dem Schiedsrichtern anzufangen?

Ich kann ja diesbezüglich nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, aber da würde ich jedem raten: Auf jeden Fall früh anfangen. Das Pfeifen bringt einfach so viel für die Persönlichkeitsentwicklung. Und in diesem jugendlichen Alter geht es nun mal oft auch um grundsätzliche Dinge. Geht es jetzt links rum, oder rechts rum? Welchen Weg schlage ich ein? Da bringt das Schiedsrichtern für das Selbstbewusstsein sehr viel. Ich habe am Ende auch aus Negativerlebnissen viel gelernt. Aber klar ist natürlich auch: Gerade als junger Schiedsrichter sollte man viel an die Hand genommen werden und vernünftig betreut werden. Deshalb hat der DFB ja auch ein Patensystem eingerichtet und stellt den Kreisen dafür finanzielle Mittel zur Verfügung, damit diese ihre neuen Schiedsrichter gerade in der Anfangszeit optimal unterstützen können.

Wie sehr kann man einen angehenden Schiedsrichter durch Theorieunterricht auf das richtige Pfeifen vorbereiten?

Das ist schon ein 50:50-Verhältnis. Die Theorie macht nur die eine Hälfte aus. Natürlich muss man die Regeln alle anwenden können, aber am Ende können wir in so einem Anwärterlehrgang nur erzählen. Am Ende muss dann jeder einzelne seine eigenen Erfahrungen auf dem Platz machen.

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Was ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Schiedsrichter haben muss?

(überlegt) Er muss gewissenhaft sein. Das zeichnet einen guten Schiedsrichter in vielerlei Hinsicht aus. Gewissenhaftigkeit bei den Regeln, aber vor allem auch in der eigenen Persönlichkeit. Man sollte sich als Schiedsrichter niemals verstellen, das merken die Spieler ganz schnell. Und dann ist man nicht glaubwürdig auf dem Feld.

Oft wird den Schiedsrichtern ja vorgeworfen, dass sie zu unnahbar seien. Wie stehen Sie zu diesem Argument?

Da hatten wir ja gerade erst ein aktuelles Beispiel aus der Bundesliga.

Sie spielen sicherlich auf Werder-Profi Leonardo Bittencourt an, der sich nach dem Spiel in Düsseldorf beschwert hat und sagte, einige Schiedsrichter hätten auch mal die Gelbe Karte verdient, weil sie so rüde mit den Spielern umgehen.

Genau. Das Kuriose daran ist, dass die Spieler oftmals regelrecht zusammenzucken, wenn man sie im gleichen Ton anspricht, wie sie es mit dem Schiedsrichter tun. Die meisten Spieler sagen dann: Hey, du bist doch der Schiedsrichter, du musst doch Vorbild sein, wie redest du denn hier mit uns? Aber sie merken nicht, dass sie genauso heftig reagieren. Ich kann auch schon mal einen derberen Spruch rauslassen und setze das auch mal gezielt ein, um eben nicht gleich eine Gelbe Karte zu ziehen. Aber es kommt auch mal vor, dass ich mich dann ein paar Minuten später im Vorbeilaufen bei einem Spieler entschuldige, wenn ich denke, dass der Spruch etwas zu heftig war. Alle auf dem Feld reagieren im Affekt, aber unterbuttern lassen sollte sich ein Schiedsrichter nicht. Aber am Ende ist es das altbekannte Lied: Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es auch heraus.

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Es wird momentan ja hauptsächlich negativ im Zusammenhang mit Schiedsrichtern berichtet. Deshalb mal bewusst andersherum gefragt: Was waren denn die schönsten Momente, die Sie als Schiedsrichter bislang erlebt haben?

Zum einen ist da die Gemeinschaft unter den Schiedsrichtern, das ist schon sehr ausgeprägt. Da sind über den Landkreis hinaus Freundschaften entstanden. Zum anderen ist es natürlich der sportliche Aspekt. Man ist aktiv bei Spielen dabei, die man sonst lediglich als Zuschauer verfolgen dürfte. Jetzt steht man selbst auf dem Platz. Und gerade in unteren Ligen, beispielsweise der Kreisliga, da kennt man einfach auch viele Spieler und Trainer. Es gibt insgesamt doch deutlich weniger Fälle von Gewalt, dafür aber die, wo man nach dem Spiel noch mal zusammensitzt und ein Bier trinkt.

Wenn Sie einen 14 Jahre alten Jugendspieler überzeugen möchten, als Schiedsrichter anzufangen. Was wären Ihre Argumente?

Das wichtigste Argument, die enorme Persönlichkeitsentwicklung, ist für einen Teenager leider nicht so entscheidend. Das weiß man erst später wirklich zu schätzen. Aber die Aufstiegschancen sind wirklich greifbar, vor allem für einen jungen Schiedsrichter. Und es ist finanziell durchaus lukrativ. Wenn man jedes Wochenende auf dem Platz steht, kann man sein Taschengeld reell aufstocken.

Wo soll denn Ihr persönlicher Weg noch hinführen? Sie pfeifen derzeit in der Oberliga und stehen in der Regionalliga an der Seitenlinie. Soll es noch weiter nach oben gehen?

Der Ehrgeiz ist auf jeden Fall da. Ich bin sehr glücklich mit meinem bisherigen Werdegang und meinen aktuellen Spielklassen. Aber in die Regionalliga würde ich es schon noch gerne schaffen. Das ist aber auch davon abhängig, wie viele Plätze darüber frei werden, denn in der Regionalliga werden eigentlich fast nur perspektivisch die Plätze vergeben. Das heißt, wer es in die Regionalliga schafft, soll eigentlich auch irgendwann 3. Liga pfeifen. Und da wird der Flaschenhals nach oben hin dann schon ziemlich eng. Am Ende kann ich nur meine beste Leistung bringen und muss dann ein bisschen Glück haben.

Das Gespräch führte Tobias Dohr.

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Zur Person

Zur Person

Patrik Feyer (27)

hat seinen Schiedsrichterschein bereits mit 14 Jahren gemacht und ist momentan der am höchsten pfeifende Schiedsrichter des Fußballkreises Osterholz. Feyer leitet aktuell Spiele in der Oberliga Niedersachsen und ist in der Regionalliga als Assistent aktiv. Der gebürtige Berliner kam im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Bremen und zog sechs Jahre später nach Schwanewede. Dort spielte er beim FC Hansa ab der C-Jugend selbst Fußball, ehe er sich bei der 2. Herren einen Kreuzbandriss zuzog. Nach dieser schweren Verletzung legte Feyer komplett den Fokus auf das Schiedsrichtern. Der 27-Jährige arbeitet im Vertriebsinnendienst und absolviert parallel dazu ein Studium der Wirtschaftspsychologie mit Präsenzzeiten am Wochenende.

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