Osterholz-Scharmbeck. Für jemanden wie ihn, dessen fußballerische Vita bis in die 3. Liga reichte, ist es natürlich nicht so einfach, sich auf sein Spiel des Lebens festzulegen. „Es gibt einfach so viele Spiele, aber das eine Spiel kann ich nicht benennen“, sagt Manuel Weinrich. Der 41-Jährige kann die Suche aber dennoch einschränken: auf eine zweijährige Ära mit dem VSK Osterholz-Scharmbeck in der Oberliga, seinerzeit die 4. Liga: „Die Zeit hat am meisten Spaß gemacht, der Teamgeist hat gestimmt.“ Und aus jener Zeit hat Weinrich sich dann doch ein ganz besonderes Spiel herausgepickt: Die Heimpartie am 9. März 2008 im Städtischen Stadion gegen den Tabellenführer und späteren Meister Holstein Kiel. Der VSK feierte einen 3:2-Sieg, zu dem auch Weinrich einen Treffer beisteuerte.
Für VSK-Trainer Günter Hermann fiel jenes 2:0 durch Weinrichs 20-Meter-Schuss in der 37. Spielminute mit „etwas Glück“, wie es einen Tag später in dieser Zeitung so nachzulesen war. Heute darauf angesprochen, kommentiert Weinrich die Trainer-Worte so: „Frechheit! Gefühlt waren das sowieso 40 Meter.“ Und muss sofort selbst dabei schmunzeln: „Ich habe den Ball nach einem Freistoß auf meinen schwachen linken Fuß bekommen und ihn dann genau in den Knick geschlenzt.“ Von daher müsse man die Sache mit dem Glück relativieren: „Das war genau so gewollt.“ Und dann fügt er noch an: „Ich weiß selbst, dass von 100 solcher Schüsse 99 nicht reingehen.“
Nach diesem 2:0 – zuvor hatte Nils Laabs per Kopf den Führungstreffer erzielt – war Weinrich klar: „Hier geht was. Heute sind die Kieler fällig. Und wir sind ja auch gerannt wie die Bekloppten.“ Vor 420 begeisterten Zuschauern, davon rund 80 lautstarke Fans aus Kiel, hatten die Hermann-Schützlinge den Gästen im kämpferischen Bereich also den Schneid abgekauft. Wohl auch wegen des 8:0-Hinspielsieges gingen die Kieler ziemlich überheblich zu Werke. Jedenfalls im ersten Spielabschnitt. Nach der Pause änderte sich das.
Doch zunächst einmal mussten die Holsteiner einen Platzverweis hinnehmen: Peter Schyrba sah die Rote Karte (62.), nachdem er als letzter Mann den enteilten Yasin Bilgin gebremst hatte. Dennoch kamen die Gäste per Doppelschlag (65. und 69.) zum Ausgleich. Manuel Weinrich erinnert sich: „Wegen der Überzahl haben wir vielleicht einen Schritt weniger gemacht. Und ich hatte schon befürchtet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir auch das dritte und vierte Gegentor kriegen.“

Eine Szene aus einem früheren Spiel: Manuel Weinrich Ende September 2006 in einem Spiel gegen die zweite Mannschaft von Holstein Kiel. Wie groß die Unterschiede zwischen dem Kreisstadtklub und dem heutigen Zweitligisten auch damals schon waren, wurde bereits im Vorbericht in dieser Zeitung herausgearbeitet (siehe Schlagzeile vom 8. März 2008).
Dazu kam es aber nicht. Der VSK hatte mehrmals richtig Dusel – und einen überragenden Björn Müller im Tor. Turm in der Abwehrkette war zudem Dennis Votava. Hatte der VSK im ersten Durchgang noch Torchancen durch den sehr agilen Nils Laabs oder Sven Meineke gehabt, gab es im zweiten Abschnitt eigentlich nur einen gefährlichen Angriff: Nach einem Weinrich-Solo hätte der eingewechselte Sascha Jütting fast schon das 3:2 markiert (80.). Das holte dann Sven Hassler, übrigens ein Ex-Kieler, per Foulelfmeter kurz vor dem Abpfiff nach. Wegen Meckerns hatte noch ein Kieler die Gelb-Rote Karte gesehen.
Dass Hassler sich sofort den Ball schnappte und am Elfmeterpunkt ablegte, wundert Manuel Weinrich heute noch ein wenig: „Sven war vorher nicht groß als Elfmeterschütze in Erscheinung getreten. Und als Außenverteidiger lief er ohnehin schon auf Reserve. Aber die drei Schritte Anlauf und den Schuss ins Schwarze brachte er dann doch noch zustande.“ Der Mann für solche Fälle war beim VSK damals eigentlich Peer Jäkel, der an dem Tag aber nicht im Kader stand. Auch Weinrich war nicht schlecht bei Strafstößen, fieberte aber bereits seit der 83. Minute auf der Bank mit. Coach Hermann hatte für ihn den Defensivmann Johannes Metschuck gebracht. „Ich selbst war ja auch platt wie jeder von uns“, so Weinrich, „und eigentlich ging es ja nur darum, einen Punkt zu retten.“ Dass sogar ein Dreier heraussprang, damit hatte wirklich niemand gerechnet.

VSK Kiel 2008 Spiel meines Lebens Manuel Weinrich
Eine ausgelassene dritte Halbzeit gab es hinterher allerdings nicht. „Also kein Autokorso durch die Stadt oder so. Allerdings schon das eine oder andere Kaltgetränk“, erzählt Weinrich. Nein, es sei ja doch nur eines von vielen anderen Punktspielen mitten in der Saison gewesen, wenngleich ein ganz besonderes. Weinrich: „Dieser Sieg war schon eine Genugtuung, das ging mir warm den Rücken runter.“
Manuel Weinrich (41)
ist aus der Fußball-Jugend des TSV Lilienthal (später SV Lilienthal-Falkenberg) hervorgegangen, wechselte als Herrenspieler zum TuS Heeslingen und dann zum VSK Osterholz-Scharmbeck. Ab Juli 2002 war er Vertragsamateur beim Regionalligisten VfL Osnabrück, um Anfang 2004 zum Oberligisten VfB Oldenburg zu wechseln. Im Sommer 2005 kehrte er zum VSK zurück, blieb dort bis Juni 2011. Nächste Station war der FC Worpswede (zwei Jahre spielender Co-Trainer). Nach einem Pausenjahr ging es im Sommer zum SV Lilienthal-Falkenberg und von da im Sommer 2015 zurück zum VSK Osterholz-Scharmbeck als Co-Trainer von Matthias Ruländer, den er im November des selben Jahres als Cheftrainer beerbte. Ab Juli 2018 stand er wieder an der Seitenlinie des SV Lilienthal-Falkenberg, wo er vor gut einem Jahr mit seinen beiden Co-Trainern vorzeitig zurücktrat. Der Sozialversicherungsfachangestellte lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Lilienthal.
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Weitere Informationen
Sonntag, 9. März 2008
Punktspiel der Oberliga Nord
VSK Osterholz-Scharmbeck – Holstein Kiel 3:2 (2:0)
VSK Osterholz-Scharmbeck: Müller; Meinecke, Votava, Torben Meyer, Stroppel, Bilgin (68. Jütting), Weinrich (83. Metschuck), Laabs, Hassler, Steidten, Brandt (75. Rydlewski)
Holstein Kiel: Henzler; Petersen (46. Brückner), Jürgensen, Famewo (46. Wulff), Hasse, Vujcic, Holt, Schyrba, Siedschlag, Rohwer, Zmijak (81. Meyer)
Tore: 1:0 Nils Laabs (15.), 2:0 Manuel Weinrich (37.), 2:1 Wulff (65.), 2:2 Hasse (69.), 3:2 Sven Hassler (90./Strafstoß nach Foul an VSK-Spieler Nils Laabs)
Schiedsrichter: Stephan Müller (Lühnde)
Zuschauer: 420
Besondere Vorkommnisse: Rote Karte gegen Kiels Peter Schyrba nach Notbremse (62.), Gelb-Rote Karte gegen Kiels Hasse (90.) wegen Meckerns