Am Rande der Osterstader Marsch liegt das mehr als 700 Jahre alte Geestbauerndorf Meyenburg. Bis heute hat es sich seinen dörflichen Charakter bewahrt. Am sichtbarsten ist das in der Dorfstraße, dem Meyenburger Damm: Zu beiden Seiten des von alten Bäumen gesäumten Kopfsteinpflasters reihen sich denkmalgeschützte Bauten und einige reetgedeckte historische Bauernhäuser, die sich neben umgebauten früheren Hofstellen behaupten. Im weiteren Verlauf der Straße, vorbei am Rittergut, zeigt sich der Wandel: schmucke Einfamilienhäuser im Wohngebiet Am Geestrand. Seit den 1970er-Jahren wächst das Dorf laut Ortsbürgermeister Dominik Schmengler, zieht junge Familien und andere Neubürger an. Heute leben dort rund 1500 Menschen.
Schmengler selbst ist in Meyenburg aufgewachsen. Das Besondere an seinem Heimatdorf ist für ihn das soziale Miteinander. Die Gemeinschaft zeichne Meyenburg aus, hebt auch Jörg Wiesberg hervor. Der 59-Jährige stammt eigentlich aus Schwanewede, kennt das Dorf aber seit seiner Kindheit. "Ich bin in Meyenburg konfirmiert worden und hier auch im Sportverein aktiv gewesen." Seit 1993 lebt er im Dorf. "Hier passen die Menschen wie früher noch aufeinander auf und helfen sich untereinander", sagt Wiesberg. Die Nachbarschaftshilfe wird auch über die Dorf-App organisiert: Als eine der ersten ländlichen Gemeinden in Deutschland hat Meyenburg 2017 die Plattform "nebenan.de" eingeführt, die Idee hatte der Ortsbürgermeister.
Für das Zusammenleben und den Zusammenhalt im Dorf spielen die Vereine eine wichtige Rolle. Und davon gibt es viele, etwa die Feuerwehr, den Sportverein, Schützenverein, Trägerverein Dorphuus, die Landfrauen, den Förderverein Meyenburger Kinder, den Arbeitskreis Meyenburg (AKM) sowie den noch jungen Verein Lebensart Meyenburg. Der AKM mit seinen aktuell 155 Mitgliedern engagiert sich seit 57 Jahren mit unterschiedlichsten Aktivitäten für die Dorfverschönerung und Heimatpflege. Im Mittelpunkt steht dabei die 1856 erbaute Wassermühle. Seit 1972 hält der Verein das Gebäude, das dem Landkreis Osterholz gehört und das zu den Sehenswürdigkeiten im Dorf zählt, mitsamt der Mühlentechnik in Schuss. Der AKM nutzt es als Vereinsdomizil und für Veranstaltungen wie die Vortragsreihe "Bi us in de Möhl" und das alljährige Mühlenfest zu Pfingsten.

Die Wassermühle gehört zu den Sehenswürdigkeiten im Dorf. Der Arbeitskreis Meyenburg kümmert sich um Pflege und Erhalt des Gebäudes.
Auch andernorts im Dorf packt der Verein, der eine eigene Werkstattgruppe unterhält, an. Die Mitglieder zimmern Wetterhäuschen und Bänke für Rastplätze, pflegen die Wanderwege rund um Meyenburg und eine Kriegsgräberstätte. Auch einen öffentlichen Bücherschrank haben sie gebaut und am Gemeindehaus aufgestellt. Auf Initiative des Vereins ist im vergangenen Jahr im Landhaus Meyenburg die Elisabeth-Noltenius-Stube eröffnet worden mit Bildern der Bremer Malerin, die bis zu ihrem Tod 1964 in Meyenburg lebte und arbeitete. Auch gesellige Veranstaltungen bietet der AKM an. Wenn der Verein zum Tanz in den Mai lädt, feiern bis zu 500 Gäste im Dorphuus.
"Wir wollen für alle im Dorf, von Jung bis Alt, etwas anbieten", sagt Jörg Wiesberg, der seit 2005 im AKM aktiv ist und dem Vorstand angehört. "Wir versuchen aber auch, insbesondere jüngere Menschen für die Mitarbeit im Verein gewinnen." Mit Erfolg. "Im Vorstand haben wir gerade einen Generationswechsel. Und in die Werkstattgruppe kommen zunehmend auch Jüngere. Die finden es cool, eine Wetterschutzhütte zu reparieren oder eine Bank zu streichen." Wiesberg stellt fest: "Viele, die neu ins Dorf ziehen, wollen sich einbringen. Die können wir als Verein einbinden."
Die "kreative Integration von Neubürgerinnen und Neubürgern" hat jüngst auch die Jury des Wettbewerbs "Unser Dorf hat Zukunft" beeindruckt; Meyenburg ist als eines von fünf Dörfern für den Landesentscheid nominiert worden. Die Menschen im Dorf über kulturelle Veranstaltungen zusammenbringen, das tut seit gut einem Jahr der Verein Lebensart Meyenburg. Mit 26 Mitgliedern ist er im April 2024 gestartet, inzwischen zählt er 43.

In der St.-Luciae-Kirche bietet der Verein Lebensart Konzerte an.
Das erklärte Ziel ist, Kunst und Kultur im ländlichen Raum zu fördern. Derzeit sind es vor allem Konzerte, die der Verein in der Meyenburger Kirche oder auch mal in der Meyenburger Kunstschmiede als "Wohnzimmerkonzert" anbietet. Das Spektrum reicht dabei von Klassik bis Weltmusik. Aber auch ein politisches Kabarett und eine Lesung standen im ersten Jahr auf dem Programm.
Für die Initiatorin und Vorsitzende Barbara Junghans ist Meyenburg wie geschaffen für das Projekt. Mit 18 Jahren kam die heute 60-Jährige, die auf dem Land groß geworden ist, zum ersten Mal in das Dorf. "Schon damals erlebte ich hier dörfliche Strukturen, die anders waren, weltoffener." Ein Jahr lebte sie zu der Zeit in einer feministischen Wohngemeinschaft. Seit 1997 ist Meyenburg der feste Lebensort der freischaffenden Künstlerin und Kunsttherapeutin, die auch als Mental Coach arbeitet, zwei Chöre in Meyenburg leitet und im alten Pfarrhaus 2024 zudem einen Malort etabliert hat. Was sie am Dorf fasziniert: "Die Mischung aus Tradition und Innovation, die das Zusammenführen von Menschen, die aus allen möglichen gesellschaftlichen Nischen kommen, hier möglich machen."
Dass die Meyenburger ein für Neues aufgeschlossenes Völkchen sind, stellt Junghans bei den Lebensart-Veranstaltungen fest: "Die Kirche ist immer voll. Die Weltmusik kommt richtig gut an." Für die Zukunft hat der Verein weitere Ideen: eine Kulturbühne für Bands, ein Konzert im Wald, eine Outdoor-Galerie mit wechselnden Ausstellungen ...