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Behördenchef zieht Bilanz Landkreis Osterholz sieht Aufgabenflut nach dem Hochwasser

Die Folgen des Hochwassers im Landkreis Osterholz zwingen zu besserer Vorsorge. Doch wie sehen diese aus? Mehr Räumungen oder mehr Raum für die Flüsse? Die Meinungen zur Gewässerunterhaltung gehen auseinander.
26.03.2024, 05:00 Uhr
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Landkreis Osterholz sieht Aufgabenflut nach dem Hochwasser
Von Bernhard Komesker

Kaum hatte sich das Weihnachtshochwasser an Wörpe und Wümme zurückgezogen, da entbrannte der Streit um das richtige Maß bei der künftigen Gewässerunterhaltung: Wären die Schäden geringer ausgefallen, wenn die zuständigen Verbände und Behörden mehr gegen Bewuchs und Verlandung der Gräben und Gewässer getan hätten? Kreisdezernent Dominik Vinbruck warnte vor vorschnellen Antworten, aber unter den Abgeordneten im Umwelt- und Planungsausschuss des Osterholzer Kreistags waren die Positionen klar verteilt.

Mehr Räumungen...

Torsten Wischhusen (CDU) drängt wie sein Parteifreund Frank Imhoff aus der Bremischen Bürgerschaft darauf, mehr zu räumen und für einen schnelleren Abfluss zu sorgen. Das müsse schon am Oberlauf und an den Zuflüssen beginnen und dürfe bei den Sandbänken in der Wümme nicht enden. "Wir müssen ausbaggern und mehr mähen, auch an der Hamme", forderte Wischhusen. Der Christdemokrat Axel Miesner und AfD-Mann Thomas Gutwein vermuten, das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt habe am Zusammenfluss von Wörpe und Wümme zu lange zugeschaut.

...oder mehr Raum

Damit provozierten die drei den Widerspruch der Umweltorganisationen und der Grünen. Fraktionschefin Dörte Gedat plädiert wie ihre Amtskollegin Juliane Filser aus dem Borgfelder Beira t dafür, den Flüssen mehr Raum zu geben, statt die Auen weiter zu bebauen. Wenn Wasser nicht stärker gebremst und zurückgehalten werde, sehe es flussabwärts bald häufiger so aus wie in Lilienthal vergangenen Dezember, befürchtet Gedat und verweist auf den Klimawandel. Jutta Kemmer, Sprecherin der Naturschutzverbände, verweist als Negativbeispiel auf das geplante Gewerbegebiet Grasberg-West.

Für Prioritätensetzung

Vinbrucks Befund lautet: "Die Niederschläge waren ohne Beispiel. Die Wümme war ab einem gewissen Punkt hydraulisch nicht in der Lage, das Wasser abzuleiten." Die Folgeschäden gehen nach seinen Worten in die Millionen und zwingen so oder so zu einer besseren Vorsorge. Denn wenn die Deiche nicht gehalten hätten, wären Tausende Menschen von Überschwemmungen betroffen gewesen. Als Wasser-, Deich-, Naturschutz- und Bauaufsichtsbehörde unterscheidet der Landkreis zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Konsequenzen.

Kurzfristige Aufgaben,...

Gehölze auf den Hochwasserschutzanlagen wurden zurückgeschnitten und entfernt – "punktuell und mit Augenmaß", wie Vinbruck betont. Schad- und Fehlstellen an der Wörpe-Verwallung und dem Truper Deich würden, auch unter der Nutzung von Klei, ausgebessert. Zudem werden im Sankt Jürgensland das Neugrabenfleet und das Achterkampsfleet nebst Rückhaltebecken gereinigt und auf Schadstoffansammlungen hin geprüft. Damit waren und sind vorrangig die Gemeinde Lilienthal, der Gewässer- und Landschaftspflegeverband (GLV) Teufelsmoor und der Deich- und Sielverband (DSV) Sankt Jürgensfeld befasst.

...mittelfristige Maßnahmen...

Mittelfristig stellen sich der Gemeinde Lilienthal drei weitere Aufgaben, allen voran der Ausbau des rechten Wörpewalls. Diese Arbeiten können nach Meinung Vinbrucks "bestenfalls in 2025" beginnen, bei Platzmangel kombiniert mit Spundwänden. Zweitens sollte die Alte Wörpe, die ohnehin revitalisiert werden soll, auch als Hochwasser-Entlastung über den Viehgraben genutzt werden können. Drittens brauche es ein gemeindliches Generalkonzept für die Schmutz- und Regenwasserbeseitigung in der Ortslage Lilienthal – eventuell in Verbindung mit einem Grundwasser-Monitoring zur Saugkraft der Böden.

...und Langzeit-Perspektiven

Auf der Agenda im Lilienthaler Rathaus sieht der Landkreis außerdem die rechtliche Einordnung der Wörpe-Verwallung. Eine Widmung als Deich und die Zuständigkeit eines Deichverbands – ob als DSV-Erweiterung oder als Neugründung – würde für die Bürger zu einer Abgabepflicht führen und beträfe die Gemeinde Grasberg mit, so Vinbruck weiter.

Kooperation bei der Vorsorge

Langfristig könnte aus Landkreis-Sicht die Gründung einer Hochwasserpartnerschaft im Flusseinzugsgebiet Wümme dabei herauskommen. Die kooperierenden Kommunen und Verbände könnten sich auf ein Konzept sowie auf Schutz- und Vorsorgeprojekte verständigen und dazu Fördermittel vom Land erhalten. Der Deichbau wird überdies auch vom Bund gefördert.

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Planfeststellungsbehörde ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der zugleich die Partnerschaft zu koordinieren hätte. Dessen Deichplanung vom Truperdeich bis zur Schleuse ruht derzeit, doch der DSV kauft regelmäßig Klei nach, der in Deichnähe gelagert wird. Der rechte Weserdeich von Bremen nach Rade soll unterdessen bis 2025 erhöht werden.

Eine Frage des Managements

Für Kreis und auch Kommune ergeben sich zudem planerische Fragen sowie für die Wasserbehörde im Kreishaus das knifflige Problem des sogenannten Wassermanagements. Zu prüfen ist nicht nur, ob es größere Überschwemmungsgebiete braucht sowie andere Bauweisen und mehr Gebäude-Schutz in den vorhandenen. Auch die Pegelsteuerung ist ein Thema. Neben dem Starkregen ist dabei auch an Sommerdürre, Moorschutz und Flächenbewirtschaftung zu denken.

Mehr Personal nötig

"Es geht nicht mehr wie früher um maximale Hydraulik", so der Kreisbeamte: Weniger Rückstau an der Hamme und ihren Zuflüssen wäre beim Fischsterben im Sommer 2023 womöglich hilfreich gewesen; doch ein größerer Querschnitt in Tarmstedt und Grasberg hätte die Lage beim Weihnachtshochwasser in Lilienthal wohl noch verschärft: "Das ist ein zweischneidiges Schwert." Die Kreisverwaltung möchte daher für ein angepasstes Wassermanagement ab 2025 eine eigene Planstelle einrichten. "Im Tagesgeschäft ist das nicht zu schaffen", so Vinbruck.

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Offene Fragen für Bürger, Behörden und Verbände

Müssen Gewässereigentümer und Unterhaltungsverbände an ihre Räum- und Unterhaltungspflicht erinnert werden? Was auf den ersten Blick nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist für den Landkreis Osterholz seit dem Lilienthaler Weihnachtshochwasser eine durchaus offene Frage. Bei der Aufarbeitung soll es keine Tabus geben und daher hat sich die Behörde auch mit möglichen Folgerungen für Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit befasst.

Dazu zählt auch die Frage, ob es häufiger Grabenschauen geben müsse und ob die Straßenbaulastträger genug tun, ihre Entwässerungsanlagen in Schuss zu halten. Viele Stellen und Faktoren sind demnach gemeinsam in der Verantwortung, die Vorfluter nicht unnötig zu belasten. Darüber müsse ausreichend informiert werden, findet Dezernatsleiter Dominik Vinbruck.

Fragen stellt der Landkreis auch mit Blick auf jeden einzelnen Bürger: Ist mehr Aufklärung über das Verbot der Laubentsorgung über Regenwasserkanäle notwendig? Und ist mehr Aufklärung darüber nötig, dass es auch verboten ist, sein Regenwasser vom Grundstück in den Schmutzwasserkanal abzuleiten? Wer dies bejaht, findet Antworten zur Rechtslage unter dem Suchwort "Niederschlagswasserbeseitigung" auf www.landkreis-osterholz.de

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