Landkreis Osterholz. "Häufig weitergeleitet" – wenn ein Text oder ein Bild beim allseits bekannten Messenger "WhatsApp" überdurchschnittlich viel geteilt wird, dann erscheinen diese zwei Worte über der gesendeten Nachricht. Ein Phänomen, das es mit Blick auf regionale Sportberichterstattung eher selten zu beobachten gibt. Als allerdings die Nachricht über den Wechsel von Dennis Heineke vom FC Hambergen zu Fußball-Bezirksligaspitzenreiter FC Worpswede heraus war, wurde eine entsprechende Meldung innerhalb kürzester Zeit nur noch mit diesem Zusatz empfangen und weiterverteilt: "Häufig weitergeleitet". Man könnte auch sagen: "Häufig diskutiert."
Spätestens mit dem Wechsel von "Heini" Heineke rückte die Personaloffensive des FC Worpswede also endgültig in den Fokus der Öffentlichkeit – und wurde im selben Moment auch Mittelpunkt vieler Diskussionen. Neben Heineke hatte das Trainerduo Gerd Buttgereit und Oliver Schilling mit Alexander Huhn, Yassin Bekjar, Leandro Almeida und Ruben Liesigk nämlich noch vier andere externe Neuzugänge präsentiert, obwohl das Team eine ziemlich optimale Herbstserie spielte und als souveräner Tabellenführer überwintert.
Angesichts dieser Fakten liegen die Fragen geradezu auf der Hand: Ist es eigentlich richtig, einen Kader in der Winterpause mit dem Ziel Landesliga-Aufstieg derart mit externen Spieler zu vergrößern? Was macht das mit dem Binnenklima? Was wird aus den alteingesessen Worpsweder Spielern? Und wie geht es eigentlich im Falle des Nichtaufstiegs mit dieser Mannschaft weiter? Diese Themen werden derzeit nicht nur in den zahlreichen WhatsApp-Gruppen ausgiebig diskutiert, sondern auch in der Sportredaktion. Und Argumente gibt es mehr als genug – für beide Sichtweisen.
PRO: Dennis Schott über die Notwenigkeit einer personellen Aufstockung
Es ist weniger eine Personaloffensive als vielmehr eine Notwendigkeit, die den FC Worpswede dazu veranlasst, den Kader weiter zu verstärken. Die Mannschaft führt die Bezirksliga Lüneburg seit dem vierten Spieltag ununterbrochen an, sechs Punkte beträgt ihr Vorsprung auf den ersten Verfolger. Wer eine so gute Saison spielt, der will am Ende auch Meister werden. Auch wenn das Trainergespann Gerd Buttgereit/Oliver Schilling dies nach außen nicht offensiv kolportiert, so lässt sein Handeln keinen anderen Entschluss zu. Aber was ist so verwerflich daran, seine sportlichen Ambitionen mit neuen Spielern, die die Qualität der Mannschaft noch einmal heben, zu untermauern? Wer so weit gekommen ist, der will den finalen Schritt auch noch gehen.
Womit es bei der Personalplanung ja noch nicht getan ist. Nimmt die Saison für den FC Worpswede ein positives Ende und die Mannschaft steigt in die Landesliga auf, wird sie dies nicht ohne weitere Transfers tun können. Wie schwierig es ist, sich mit Bordmitteln in der Landesliga zu halten, hatte der Verein schließlich selbst erfahren müssen. Und er war damit nicht allein. Der SV Komet Pennigbüttel musste diese Erfahrung vor einigen Jahren ebenfalls machen, und aktuell steht Neuling FC Hambergen am Tabellenende der Landesliga. Um dem entgegenzuwirken, sind Verstärkungen auch über die Landkreis- und erst recht über die Vereinsgrenzen hinaus nun einmal unabdingbar. Um es runterzubrechen: Die Nachfrage ist größer als das Angebot.
An diesem Punkt befindet sich irgendwann jede Mannschaft, die auf der Schwelle zur Landesliga steht. Der lokale "Spielermarkt" ist abgegrast, also müssen die Grenzen weiter gezogen und Möglichkeiten geschaffen werden, um die Spieler zu bekommen, die das gewünschte Anforderungsprofil erfüllen. Das ist schwierig genug. Nicht zuletzt deshalb waren die Trainer Gerd Buttgereit und Oliver Schilling in den vergangenen Wochen so aktiv, weil die Gelegenheit günstig schien, gute Spieler an den Weyerberg zu holen. Bei Yassin Bekjar etwa war abzusehen, dass er den Brinkumer SV nach internen Zerwürfnissen verlassen würde. Das Trainerduo hörte davon und schlug zu.
Und selbst wenn der FC Worpswede am Ende dieser Saison leer ausgehen sollte und der Aufstieg verpasst wird, wird der Leistungsgedanke innerhalb der Mannschaft damit ja nicht beendet sein. Die Transfers machen im Hinblick auf einen neuerlichen Aufstiegsversuch dann weiterhin Sinn. Und legitim sind sie allemal. Denn die 1. Herren des FC Worpswede ist nun einmal eine Leistungsmannschaft, für die es um Erfolg geht – sich am Erfolg allerdings auch messen lassen muss. Das vielmehr sollte der Gradmesser der "neuen" Transferpolitik des FC Worpswede sein, und nicht, mit wem der angestrebte Erfolg eingefahren wird. Und machen wir uns nichts vor: Den Spieler, der sein ganzes Fußballerleben einem Verein gewidmet hat, gibt es im Leistungsbereich doch schon lange nicht mehr. Und diejenigen, denen Identifikation zum Verein wichtiger ist als Erfolg, spielen ohnehin freiwillig in den unteren Mannschaften.
KONTRA: Tobias Dohr über die Risiken der Personaloffensive des FC Worpswede
Als Gerd Buttgereit und Oliver Schilling vor gut anderthalb Jahren das Traineramt beim FC Worpswede übernommen haben, da gab es nicht wenige, die sich sicher waren, dass das Duo den Kader komplett neu aufstellen würde. Alles auf links ziehen für den schnellen Erfolg sozusagen. Doch nichts dergleichen passierte. Stattdessen wurden beispielsweise ein Yannick Vrampe von Kreisligist SV Bornreihe II und ein Johannes Wegener von den A-Junioren des VSK Osterholz-Scharmbeck geholt, ein Felix Ambrosi vom VfR Seebergen zurück an den Weyerberg gelotst. Alle drei sind fußballerisch groß geworden im Landkreis Osterholz – und mittlerweile zu gestandenen Bezirksligaspielern gereift, die großen Anteil an einer starken Premierensaison hatten, die Buttgereit/Schilling mit dem FC hinlegten. Viele anfängliche Skeptiker mussten damals respektvoll anerkennen: In Worpswede entsteht ganz offensichtlich etwas Nachhaltiges. Im richtigen Tempo, mit dem richtigen Augenmaß, der richtigen Mischung.
Doch was in den vergangenen Wochen beim Bezirksliga-Spitzenreiter passiert ist, liefert den Kritikern nun mächtig Zündstoff. Seht her, nun geschieht es also doch, sagen sie, und zählen auf: Alexander Huhn, Yassin Bekjar, Leandro Almeida, Ruben Liesigk – bereits in der Hinrunde war ein Jannik Tölle dazugekommen. Und dann sogar ein 35 Jahre alter Dennis Heineke. Und seien wir doch mal ehrlich: Auch Spieler wie Inouss Bourai Touré, Dimitri Khoroshun oder Philip Schmid, die allesamt im Verlauf der Vorsaison noch zum Team gestoßen waren, hatten in ihrer bisherigen Laufbahn keinerlei Berührungspunkte mit dem Landkreis Osterholz. Durch die Bank sind das ohne Frage richtig gute Kicker, aber sie werden sicherlich nicht nach Worpswede gekommen sein, weil der Fußballplatz auf dem Weyerberg so malerisch gelegen ist.
Viel wichtiger als die zweifellos richtige Feststellung, dass dort eine enorm starke Mannschaft in Worpswede zusammengestellt wurde, ist die Frage danach, was eigentlich mit dieser Truppe im Falle des Misserfolgs passiert? Was die Kritiker und Skeptiker nun eben doch wieder beim Punkt Nachhaltigkeit enden lässt. Mit dem SV Lilienthal-Falkenberg ist Gerd Buttgereit einst in die Bezirksliga aufgestiegen und hat dort an die Tür zur Landesliga geklopft. Zuvor hatte er sich allerdings einige starke externe Neuzugänge geholt, die nach dem verpassten Landesliga-Aufstieg ganz schnell wieder weg waren. Kein Jahr später stiegen die Lilienthaler wieder in die Kreisliga ab.
Der FC Worpswede muss aufpassen, dass er nicht in eine ähnliche Zukunft steuert. Erfolg macht sexy – das gilt für Spieler wie Fans. Doch ein Verein wie der FCW sollte sich nicht über kurzfristige Attraktivität definieren, sondern über Vereinstreue, Bodenständigkeit und gute Jugendarbeit. Was in den vergangenen Wochen rund um den Weyerberg passiert ist, so werden es die Kritiker sagen, wirkt wie Aktionismus ohne Weitsicht. Alles tun für den schnellen Erfolg. Jetzt also doch.