Tobi, ich finde, heute musst Du Dich mal benehmen!
Hach, Dennis, bei mir ist es dafür eh zu spät. Da müssen wir uns komplett auf Dich konzentrieren. Zumindest, wenn Du das meinst, was ich vermute. Du musst jetzt die Ehre der Sportredaktion retten.
Wie es um unsere Ehre bestellt ist, wissen wir erst, wenn diese Folge abgeschlossen ist. Wir haben es dieses Mal nämlich nicht in der eigenen Hand, weil wir uns – wie in der letzten Folge angekündigt – tatsächlich einen Gast eingeladen haben. Einen Gast, von dem wir uns nicht ganz sicher sein können, in welche Richtung diese Folge gehen wird, oder Tobi? Ich sag mal so: Von einer Abmahnung bis zum Pulitzer-Preis ist alles möglich!
(lacht) Das bringt es sehr gut auf den Punkt. Das Gute ist aber, ich kenne auch genug dunkle Geheimnisse von ihm, es wird also so oder so ein Ritt auf der Rasierklinge. Aber jetzt lass uns ihn doch erst einmal auf unsere bescheidene Bühne zerren. Trommelwirbel, bitte: herzlich willkommen, Oliver Schilling.
Oliver Schilling: Danke für die Einladung. Die Hoffnung auf den Pulitzer-Preis muss ich Euch aber schon am Anfang unseres Gespräches nehmen. Ich befürchte, da bin ich nicht der Richtige.

Dennis Schott: Ach Olli, keine falsche Bescheidenheit. Wir sind hier nicht auf der Trainerbank des FC Worpswede, wo man trotz einer Tabellenführung von sechs Punkten nicht von der Meisterschaft spricht, zumindest nicht öffentlich.
Oliver Schilling: Stimmt, manchmal vergesse ich das. Wir könnten ja auch mal tauschen. Ihr auf der Trainerbank und ich in den Redaktionsräumen. Neutralitätswahrung wäre dann in der Zeitung nur nicht mehr gegeben (lacht). Freu Dich doch über unsere Bescheidenheit, Dennis. Ansonsten hättest Du nicht so einen Kommentar schreiben können.
Dennis Schott: Du meinst den wegen Eures übertriebenen Understatements? Ja, ich dachte mir, das muss man mal ansprechen. Hat Dich aber offensichtlich nicht zum Umdenken veranlasst. Dafür finde ich Deinen Vorschlag mit dem Rollentausch nicht einmal schlecht. Tobi, was sagst Du denn dazu?
Tobias Dohr: Charmante Idee. Dann aber mit klarer Rollenverteilung. Ich übernehme Gerd Buttgereits Part, Du den vom nie zufrieden zu stellenden und rumschreienden Oliver Schilling. Kommt Deinem Wesen auch deutlich mehr entgegen. Wobei es mit Blick auf die Haarpracht ganz klar andersrum sein müsste. Aber genug der Plänkeleien, lasst uns doch mal inhaltlich werden. Olli, wie hat es Dir denn eigentlich gefallen, endlich mal wieder Hallenturniere zu spielen?
Oliver Schilling: Das war schon gut. Zumal die beiden Turniere, an denen wir teilgenommen haben, sehr gut organisiert waren. Ich mag das Tempo, ich mag die Technik in der Halle und finde, dass man auch taktisch etwas machen und für draußen mitnehmen kann. Würde mir bei den Turnieren weniger Alkohol und mehr Stimmung wünschen.
Tobias Dohr: Das eine hat ja nicht selten etwas mit dem anderen zu tun.
Dennis Schott: Das stimmt wohl. Aber was kann man denn konkret aus der Halle für draußen mitnehmen? Dass der Torwart ab sofort als Feldspieler fungieren und mehr aufs Tor schießen sollte, wie man es in den vergangenen Wochen oft in der Halle gesehen hat?
Oliver Schilling: Wenn man René Higuita oder Manuel Neuer wäre, könnte man das machen. Aber die meisten sind gar nicht Manuel Neuer. Das empfand ich fast eher als störend. Ansonsten finde ich schon, dass man das Spiel in die Tiefe und das darauf folgende Nachrücken auch gut draußen durchführen kann. Und sich auf engem Raum durchsetzen oder durchkombinieren zu können, hat bisher draußen auch noch niemandem geschadet.
Dennis Schott: Taktik in der Halle klingt für mich eher etwas befremdlich, ehrlich gesagt.
Tobias Dohr: Deshalb haben Sie ja auch nie beim Schmolke-Cup mitgespielt, Herr Schott.
Dennis Schott: Ja, ja. Und der Erfolg gibt dem FC Worpswede ja auch recht. Glückwunsch noch mal zu diesem geradezu historischen Erfolg. Wie ausgelassen wurde denn der erstmalige Gewinn des Schmolke-Cups bei Euch gefeiert, Olli?
Oliver Schilling: Danke. Ruhig und entspannt. Understatement-mäßig halt… Beim Trainingsauftakt, zwei Tage später, sahen die Jungs wieder ganz gut aus. Na ja, zumindest so wie immer.
Tobias Dohr: Aussehen – guter Punkt! Es gibt da ja dieses eine beinahe schon legendäre Zitat von Dir: "Gerd redet viel und macht viel Taktik – und ich bin für die Optik da" hast Du uns vor der Saison mal in den Block diktiert. Wer von Euch beiden Trainern hat diesbezüglich denn nun einen besseren Job in der Hinrunde gemacht?
Oliver Schilling: Definitiv Gerd. Ich glaube, sonst wären wir noch nicht einmal im gesicherten Mittelfeld (lacht).

Einer für das Aussehen, einer für die Taktik? Auf jeden Fall ein erfolgreiches Trainerduo beim FC Worpswede: Oliver Schilling (l.) und Gerd Buttgereit.
Dennis Schott: Ich behaupte ja, es ist eine Mischung aus beidem. Gerd macht die Taktik und Olli lenkt den Gegner durch sein Aussehen ab (lacht). Aber jetzt mal Spaß beiseite. Wie beliebt ist bei Dir eigentlich die Wintervorbereitung? Wenn ich mir vorstellen müsste, bei diesem nasskalten Wetter Fußball zu spielen, dazu wahrscheinlich noch mehr Kondition trainieren müsste als mit dem Ball zu arbeiten – da gibt es sicherlich Schöneres, oder?
Oliver Schilling: Ja, korrekt. Früher war mir das egal. Da war auch in der Phase pure Freude auf dem Platz. Aber mittlerweile ist das die schlimmste Zeit der Saison. Nass, kalt, Dunkelheit, die Plätze oft unbespielbar, nörgelnde Spieler, weil sie laufen müssen. Geht schon geiler. Wobei ich aktuell und zur Verteidigung der Jungs sagen muss, dass die ersten Einheiten nach der Winterpause schon Bock gebracht haben. 20 Leute, gute Qualität, nette Menschen, gute Intensität des Trainings. Das geht wiederum kaum geiler.
Tobias Dohr: Mir würde da schon noch was einfallen, nämlich ein Kunstrasenplatz auf dem Weyerberg. Wie empfindest Du denn diesen enormen Wettbewerbsnachteil für die Osterholzer Teams? Und: Ist das im Jahr 2023 überhaupt noch nachvollziehbar, dass es im Landkreis einfach nicht vorangeht in Sachen Kunstrasen? Da wird man doch verrückt als Trainer, oder?
Oliver Schilling: Gute Idee. Aber ich glaube nicht, dass ich das noch erleben werde. Klar ist es ärgerlich und nicht nachvollziehbar, dass es im reichen Bremen kein Problem ist und in unseren Landkreis nichts passiert. Als Wettbewerbsnachteil habe ich es noch nicht erlebt, weil wir noch nie ein Punktspiel auf einem Kunstrasenplatz austragen mussten. Gerüchteweise gab es ja die Planung in dem einen oder anderen Verein. Wäre schön, wenn es irgendwann mal klappen würde.
Dennis Schott: Bevor in Osterholz ein weiterer Kunstrasenplatz entsteht, fährt die Aida durch die Hamme! Und ich sehe es durchaus als Wettbewerbsnachteil an, weil man auf einem vernünftigen Untergrund schließlich besser trainieren kann. Gerade in diesen Tagen. Aber ich gebe Dir insofern recht, Olli, als dass es nicht unbedingt der ausschlaggebende Grund sein muss. Man kann ja so gut und viel trainieren, wie man will – aus einem Esel macht man kein Rennpferd. Also muss auch die Qualität der Spieler stimmen.
Tobias Dohr: Apropos Rennpferd. Da kann ich an dieser Stelle vielleicht mal verraten, dass Herr Schott ein heimlicher Verehrer von Alpha Fadiga ist. Es vergeht kein Spielbesuch, wo er nicht von eurem Verteidiger schwärmt.
Dennis Schott: Herr Dohr, Sie müssen auch alles verraten. Aber es stimmt: Ich habe noch keinen Abwehrspieler gesehen, der sich mit Ball auf so viele Eins-gegen-eins-Situationen einlässt wie Alpha – und sie zu 90 Prozent gewinnt. Sag mal Olli, rutscht Dir da nicht trotzdem jedes Mal das Herz in die Hose?
Oliver Schilling: Ach, Alpha macht das schon. Finde ihn auch voll geil. Timothée Atouba vom HSV war früher auch so. Der wollte die Gegenspieler im eigenen Sechzehner sogar noch tunneln. Damit muss Alpha nun nicht auch noch anfangen, aber ansonsten soll er so bleiben, wie er ist.
Tobias Dohr: Wir müssen jetzt aber auch noch mal inhaltlich werden. Der FC Worpswede hat zuletzt schließlich nicht nur auf dem Platz Gas gegeben, sondern auch in Sachen Neuverpflichtungen. Alexander Huhn, Leandro Almeida, Yassin Bekjar und Dennis Heineke sind gekommen, in der Hinserie bereits ein Yannik Tölle. Was erwiderst Du Kritikern, die sagen, das ist mit einem Jahr Verspätung genau das, was sie von Anfang an erwartet hatten, und dass jetzt Spieler ohne große Identifikation zum Verein geholt werden, nur um möglichst schnell Erfolg zu haben.
Oliver Schilling: Noch inhaltlicher? Puuuh. Also, bisher hat mir noch niemand persönlich gesagt, dass er unsere Transferpolitik typisch und doof findet (lacht). Natürlich würde ich mir und jeder Verein sich wünschen, dass er seine Mannschaften mit Spielern aus der eigenen Jugend besetzt, mit einer hohen Identifikation, ganz viel Harmonie und gleichzeitig einer guten Qualität. Aber welcher Verein hat das denn noch im Landkreis oberhalb der Kreisliga und ist dabei auch noch kontinuierlich erfolgreich?
Tobias Dohr: Das ist ein sehr seltenes Glück, wenn das mal vorkommt.
Oliver Schilling: Ganz genau. Der FC Hambergen hatte den Ausnahmejahrgang um Freddy Nagel, der über einen langen Zeitraum in der eigenen Jugend gespielt hat. Ansonsten sehe ich es nicht. Beim VSK sind derzeit viele junge, gute und sympathische Spieler, aber selbst die haben nicht zehn Jahre zusammen in der Jugend vom VSK gespielt. Und bei Bornreihe hat von den Spielern, die regelmäßig in der ersten Herren zum Einsatz kommen, nur Marlow Hinck eine Vergangenheit in der Jugend des Vereins. Und das waren nur ein paar Beispiele.
Dennis Schott: Würdest Du das als generelles Problem im Landkreis sehen, oder ist das schlichtweg die neue Normalität in den Vereinen und eigentlich nicht weiter besorgniserregend?
Oliver Schilling: Die Anzahl der Fußball spielenden Jugendlichen ist in den vergangenen Jahren ja ohnehin rapide gesunken, sodass jeder Verein auf Spieler von außerhalb angewiesen ist. Von der Qualität mal abgesehen. Mit Ausnahme der VSK-Jungs fallen mir keine fünf Spieler ein, die in den vergangenen drei Jahren im Kreis Osterholz aus der Jugend gekommen sind und qualitativ in einem Bezirksliga-Spitzenteam bestehen können.
Tobias Dohr: Auch nicht in Worpswede?
Oliver Schilling: Absolut nicht. In unserem Fall muss man außerdem erwähnen, dass unser Kader nicht gerade breit aufgestellt war. Und wenn man genauer hinschaut, stellt man schnell fest: Alex Huhn kommt aus Grasberg und ist positiv fußballverrückt, Leo Almeida kommt aus Scharmbeckstotel und ist 19 Jahre, und Yassin Bekjar kommt zwar aus Bremen, füllt aber eine Position aus, die wir unbedingt besetzen wollten. Yannik Tölle ist ein guter Kumpel von Lars Rieken und Dennis Heineke ist halt Dennis Heineke. Ich habe ihn schon in der Jugend trainiert, der Kontakt ist immer geblieben und zu seinem Charakter und seiner Qualität muss man nicht viel sagen. Überragend. Alle Neuzugänge sind ambitioniert. Die Jungs haben sich und wurden hervorragend integriert. Nebenbei können sie super kicken. Ich glaube wirklich nicht, dass irgendein Verein nicht mit uns tauschen würde, wenn man es ihm anbieten würde, diese Jungs kriegen zu können.
Dennis Schott: Also sind solche Transfers irgendwann auch ein Stück weit alternativlos?
Oliver Schilling: Sagen wir es mal so: Hätten Gerd und ich den Kader so gelassen wie vor anderthalb Jahren, als wir beim FC angefangen haben, würde es jetzt wahrscheinlich keine erste Herren auf Bezirksebene in Worpswede mehr geben.
Dennis Schott: Das sind erfrischend deutliche Worte, wie wir sie von Dir allerdings auch nicht anders erwartet haben.
Tobias Dohr: So empfiehlt man sich jedenfalls für weitere Gastauftritte. Ach ja, und Olli, bevor ich es jetzt zum Abschluss vergesse. Wie geht es eigentlich den Weiden?
Oliver Schilling: Worauf möchtest Du hinaus, lieber Tobias?
Tobias Dohr: Auf das Osterei, das Du uns im April 2021 ins Redaktionsnest gelegt hast. Damals, während des ersten Corona-Lockdowns, hatten wir unsere beliebte Serie "Gruß aus der Isolation" gestartet. Und da hast Du uns auf die Frage "Wozu kommen Sie gerade, wofür ansonsten wenig Zeit bleibt?" doch tatsächlich erzählt, Achtung, ich zitiere: Mit meinen linken Händen versuche ich, die Weiden in Schuss zu bringen und zu düngen. Abends lese ich oft englische Krimis und habe gerade damit angefangen, das Klavierspielen zu lernen.
Oliver Schilling: Okay, entschuldige. Es sind skandinavische Kochbücher.
Tobias Dohr: (lacht) Und genau wegen solcher Antworten sagen wir: Vielen Dank für ein ebenso interessantes wie unterhaltsames Gespräch, Olli. Du bist zwar auch kein Manuel Neuer, hast aber doch einiges von René Higuitas Verrücktheit in Dir. Vielleicht sollten wir Dich zukünftig einfach auch "El Loco" nennen.
Dennis Schott: Genau! Und wo wir schon bei verrückten Dingen sind, macht Alpha Fadiga im nächsten Heimspiel Higuitas legendären Scorpion-Kick, so! Aber bevor es dazu kommen wird, überlassen wir Dir, lieber Olli, das Schlusswort. Es war uns eine Ehre!
Oliver Schilling: Ich danke Euch. Und wenn wir doch mal tauschen wollen, dann meldet Euch.