Soll ich Dir mal was verraten, Tobi? Ich mag Schokolade eigentlich gar nicht so sehr. Trotzdem habe ich gerade ein großes Stück von meinem Osterhasen abgebissen. Man sagt ja, Schokolade beruhigt die Nerven. Und ich habe die Befürchtung, dass ich meine Nerven für diese Ausgabe noch sehr stark beanspruchen werde.
Komm Dennis, ich koch Dir jetzt mal 'nen schönen Baldrian-Tee, und dann erzählst Du mir ganz in Ruhe, was Dich schon aufregt, obwohl Du es noch nicht mal ausgesprochen hast.
Dann mach ich Dir auch mal eine Tasse mit fertig, das Thema wird Dich auch nicht kalt lassen.
Einmal Fenchel, bitte.
Ja ja, also im Rückblick auf den März müssen wir dieses Mal eindeutig über den Tellerrand gucken und über die Generalabsage im Bremer Fußball-Verband sprechen, und was der Auslöser dafür war. Gleich drei gewalttätige Zwischenfälle bei Amateurspielen haben den Verband dazu veranlasst, ein komplettes Spielwochenende zu streichen. Die Formulierung "gewalttätige Zwischenfälle" ist dabei ziemlich abstrakt. Bei einem Spiel wurde sogar ein Messer gezogen. Tobi, ich falle jetzt mal gleich mit der Tür ins Haus: Was zum Teufel stimmt im Amateurfußball nicht?
Oha, das ist ja mal eine Grundsatzfrage im ganz großen Stile. Und das so früh zu Beginn dieses Gesprächs. Da nehme ich erst einmal einen großen Schluck von meinem Fenchel-Tee, um dann folgendes zu antworten: An solch einem komplexen Thema müssen wir uns vielschichtiger und in kleinen Schritten abarbeiten. Vielleicht fangen wir mal mit Ihnen an, Herr Schott.
Mit mir?
Keine Sorge, die Interna aus Deiner Vergangenheit als Jugendfußballer verrate ich natürlich nicht. Worauf ich hinaus will, ist die kleine Anekdote, die Du am Sonntag in Bornreihe erlebt hast, während des Heimspiels der "Moorteufel" gegen Eintracht Celle. Da war ja auch was in Sachen Aggressionen, oder?
Du meinst wohl die beiden Rentner-Rowdies. Ich stand zwischen den Trainerbänken und habe alles hautnah miterlebt. In der ersten Hälfte war noch alles verhältnismäßig ruhig. In der Halbzeitpause platzte es dann aus der Dame heraus. "So ein Drecksloch", sagte sie mehrfach und ließ sich über die Platzverhältnisse aus. Ich weiß nicht, ob es Ihr um die Sache ging oder sie sich Sorgen um ihr Outfit gemacht hat, in ihren weißen Schuhen, heller Hose und weißer Jacke. Oder, ob sie einfach ein Ventil brauchte für den 1:3-Rückstand der Celler zu diesem Zeitpunkt. Während der zweiten Halbzeit sollte ich das "Drecksloch" jedenfalls noch öfter vernehmen. Zumal ein weiterer Herr nun munter mitmachte. Der hatte den Schiedsrichter auf dem Kieker und kommentierte wirklich jeden Pfiff gegen die Celler Mannschaft. Auf dem Feld wurde es auch immer hitziger, und nach dem Spiel haben sich noch ein paar Bornreiher und Celler Spieler in die Haare bekommen, sodass der Ordnerdienst vorsorglich beide Parteien voneinander trennen musste.
So, und nun lass uns mal den Bogen spannen vom beschaulichen Teufelsmoor zur Großstadt Bremen. Auch wenn wir angesichts von Rentner-Rowdies mit weißen Schuhen und Drecksloch-Äußerungen ja durchaus noch zum Schmunzeln neigen – es sagt trotzdem einiges aus. Denn selbst in der dörflichen Provinz scheint der Fußball aus irgendeinem Grund nicht mehr ohne Aggressionen auszukommen.
In puncto Benehmen stimmt da ganz vieles nicht mehr. Es hat zum Wesen des Fußballs ja schon immer irgendwie gehört, sich mit Schiedsrichtern oder Gegenspielern anzulegen, auch wenn dem Fußball klar sein muss, dass er in dieser Hinsicht die einzige Sportart ist. Aber was früher auf verbaler Ebene geblieben ist, führt heute zu mehr oder weniger schweren Auseinandersetzungen. Und das Video, das in Bremen zu einem Spielabbruch führte, ist doch bezeichnend genug.
Erschreckend ist das, was man dort sieht. Und die Frage ist ja, wie man mit solchen Dingen umgeht. Wenn es nach mir geht, sollten alle Beteiligten lebenslang gesperrt werden, und zwar in allen Verbänden. Denn ich habe wenig Hoffnung, dass jemand, der zu solchen Handlungen in der Lage ist, durch eine halbjährige Sperre wirklich seinen Charakter ändern kann beziehungsweise will. Aber der Bremer Verband hat ja nun die Generalabsage als erste Maßnahme gezogen – und da kann man ja drüber streiten, ob es richtig ist, den kompletten Jugendbereich zu bestrafen, wenn in einer unterklassigen Herren-Liga irgendwelche Rüpel randalieren.
Ich bin da auch etwas zwiegespalten, Tobi. Einerseits finde ich es gut, dass der Bremer Verband den Spielbetrieb ein Wochenende ausgesetzt hat, einfach, um ein Zeichen zu setzen. Und da finde ich es tatsächlich gut, dass auch die Jugend davon betroffen ist, damit sie für dieses Thema sensibilisiert ist. Aber wenn das Zeichen als erster Schritt zur Bekämpfung von Gewalt auf den Fußballplätzen gemeint war, dann irrt der BFV gewaltig. Nach dem Motto: Wenn wir den Spielbetrieb austrocknen, gibt es auch keine Möglichkeit zur Gewalt. Das löst ja das Problem nicht. Deswegen bin ich bei Dir, dass die Rüpel konsequent und hart bestraft werden sollen. Und da ist der Verband gefragt, das konsequent zu verfolgen. Aber weißt Du, was mich bei so einer Debatte aufregt, Tobi?
Was denn?
Dass bei solchen Vorfällen immer vom Spiegelbild der Gesellschaft gesprochen wird. Es ist doch so: Wenn ich mich nach Mitternacht am Bremer Hauptbahnhof aufhalte, kann ich nicht ausschließen, dass mir etwas passiert. Aber ich kann mich doch nicht darauf einstellen, dass bei einem Fußballspiel plötzlich ein Gegenspieler mit gezücktem Messer mir gegenüber steht.
Das gezückte Messer ist jetzt aber auch natürlich die absolute Spitze des Eisbergs. Und grundsätzlich ist es eben schon das "Problem" des Fußballs, dass sich bei ihm alle gesellschaftlichen Schichten tummeln. Um bei Deinem Bild zu bleiben: Wenn ich zum Golfen oder auf die Tennis-Anlage gehe, dann kann ich mir ziemlich sicher sein, was beziehungsweise wer mich dort erwartet. Aber der Fußball zieht nun mal seit jeher auch eine andere Klientel an. Und genau deshalb wird er auch mehr und mehr zum Hauptbahnhof der Sportarten.
Fußball, der Hauptbahnhof der Sportarten, sehr schöne Formulierung, Herr Kollege.
Wie schön waren doch die Zeiten, als es noch hieß: Elf Freunde müsst ihr sein.
Du meinst wohl an diesem Wochenende eher: Elf Hasen müsst ihr sein. Aber sag mal, welche Umschreibung fällt ihnen denn zum rosa-lila-farbenen Trikot der deutschen Nationalmannschaft ein?

Das neue Dreamteam für die Fußball-Kreisklasse? Am Oster-Wochenende auf jeden Fall. Aber auch sonst haben Schokoladenhasen einige Vorteile gegenüber randalierenden Kickern, wie die Sportredaktion findet.
Oha, das ja mal ein krasser Schnitt – um mal im Hauptbahnhof-Messerjargon zu bleiben. Also, das neue schwarz-weiße Heimtrikot gefällt mir außerordentlich gut. Wie auch der Auftritt der deutschen Mannschaft in den Spielen gegen Frankreich und die Niederlande. Das bunte Trikot hingegen, wie soll ich es sagen... Ihnen würde es ganz gewiss gut stehen, aber nach Mitternacht sollten Sie damit lieber nicht durch den Hauptbahnhof flanieren.
Sie waren auch schon mal lustiger, Herr Dohr. Aber wahrscheinlich verstehen Sie beim Thema Trikot keinen Spaß mehr. Welche Fraktion sind Sie denn: Tradition oder Kohle?
Natürlich Team Tradition. Deshalb sollten in meiner perfekten Welt die Ausweichtrikots der deutschen Nationalmannschaft auch weiterhin eigentlich so türkisblau sein – wie 1990 halt. Ich kann viele Entwicklungen im Profifußball zwar nicht gutheißen, aber durchaus verstehen. Diese Entscheidung jedoch, nach 70 Jahren wegzugehen von einem deutschen Sportartikelhersteller, der ja nichts anderes als eine Weltmarke ist, kann ich nicht nachvollziehen. Für kein Geld der Welt. Was kommt als Nächstes? Wahrscheinlich wird die Nationalhymne ausgetauscht, durch den Coca-Cola-Song...
Coca-Cola hat schon den Weihnachtsmann erfunden, das muss reichen. Und in der Trikot-Thematik bin ich nicht so romantisch veranlagt wie Sie. Der neue Sponsor zahlt mal eben das Doppelte. Da kann man einfach nicht drüber hinwegsehen. Ich wunder mich sowieso, dass das so ein Politikum geworden ist.
Du hast ja Recht, Dennis. Am Ende ist es ein Trikot, nicht mehr, nicht weniger. Aber ich finde, diese Diskussion zeigt, wie sehr sich die Menschen nach gewissen Werten und einer Identität sehnen. Und ich finde es einfach betrüblich, dass in der heutigen Zeit oft genug ausgerechnet die Leute in mächtigen Positionen Entscheidungen treffen, die eben nicht sinnstiftend und vorbildhaft sind, und an denen man sich orientieren kann, sondern eigentlich nur noch unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Erfolgs getroffen werden. Und das ist etwas, was mich als Vater umso mehr beschäftigt.
Ich halte es da mit der Band "Die Ärzte". Die haben schon vor langer Zeit gesungen: "Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt." Grammatikalisch ein bedenklicher Satz, aber durchaus mit wahrem Kern. Und als Vater hat man sogar noch Einfluss auf die nächste Generation.
Und genau das wird bei Dir ja zeitnah auch ein ganz großes Thema werden, nicht wahr, Dennis?
Das stimmt, bei der nächsten "Schott the Dohr"-Folge wird es schon so sein. Ich werde Vater!
Endlich ist es raus.
Liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle muss ich Ihnen sagen, dass mein geschätzter Kollege mich die letzten Monate sehr stark bearbeitet hat, damit ich diese Nachricht raushaue.
Aber es kann ja wohl wirklich keinen schöneren Abschluss unserer Oster-Ausgabe geben als diese Nachricht. Magst Du vielleicht noch verraten, ob Junge oder Mädchen?
Es wird ein Junge! Und Herr Dohr, ich erlaube Ihnen, sich an den Spekulationen um den Vornamen zu beteiligen. Nun auch öffentlich, denn ich weiß ja, welcher Name ihr absoluter Favorit ist.
Scott. Klingt wie ein cooler Westernheld: Scott Schott.
Oder wie ein Schauspieler.
Oder wie die neue Sturmhoffnung für die WM 2046. Ich sehe die Überschrift schon vor mir: "Drei Tore im WM-Fnale - Scott Schott schießt die Franzosen in Grund und Boden". Aber vielleicht gibt es ja auch ein paar Namens-Vorschläge aus unserer Leserschaft. Eins kann ich Dir jedenfalls versprechen, Dennis: Spätestens in drei Jahren wird Ostern deutlich an Bedeutung gewinnen. In diesem Sinne, ich muss noch ein paar Eier einfärben und Schoki einkaufen. Ich wünsche Dir und Deiner kleinen Familie ein wunderschönes Oster-Wochenende und nur das Beste für die kommenden Wochen.