Osterholz-Scharmbeck. Eine Sache ist Thorsten Westphal auch mit zwei Wochen Abstand wichtig: der Respekt für den Gegner. "Großes Kompliment und Glückwunsch an den FC Worpswede. Sie haben eine ganz starke Saison gespielt und sind absolut verdient Meister geworden." Natürlich wäre es dem Coach von Fußball-Bezirksligist VSK Osterholz-Scharmbeck deutlich lieber gewesen, dass er genau diesen Satz von den anderen Trainern über seine Mannschaft hätte sagen hören. Doch die Kreisstädter, die von vielen im Vorfeld der Spielzeit als der Titelkandidat Nummer eins gehandelt worden waren, mussten sich am Ende mit dem undankbaren vierten Platz begnügen.
"Fakt ist, wir haben unser Ziel nicht erreicht, und zwar deshalb, weil wir uns selbst zu häufig im Weg standen", fasst Westphal eine Spielzeit zusammen, die eigentlich ziemlich gut losging. Nach einer sehr überzeugenden Vorsaison, in der der VSK trotz der besseren Gesamtausbeute am Ende dennoch dem FC Hambergen in der Aufstiegsrunde den Landesliga-Vortritt lassen musste, gestaltete sich auch die Sommer-Vorbereitung überaus verheißungsvoll. Im Pokal warfen die Grün-Weißen erst den SV Bornreihe ebenso verdient aus dem Wettbewerb, wie auch anschließend den FC Worpswede, ehe es im Viertelfinale nach einer ebenso starken Leistung ein bitteres 4:5 im Elfmeterschießen gegen den TSV Etelsen gab. Es schien so, als ob dieser VSK sich nur selbst schlagen konnte – und genau so kam es dann ja auch.
Gruselbilanz gegen Kellerkinder
Denn in der Saisonanalyse wird deutlich, wo die Kreisstädter ihre Punkte liegen ließen. Nach drei Siegen zum Saisonstart gab das Westphal-Team erstmals beim 2:2 bei Rot-Weiß Achim Punkte ab. Die erste Niederlage setzte es dann drei Spiele später beim SV Lilienthal-Falkenberg (1:2), also einem weiteren Klub, der am Saisonende absteigen sollte. Diese Schwäche gegen die Teams aus der unteren Tabellenregion zog sich wie ein roter Faden durch die Spielzeit. Am Ende standen drei Niederlagen und zwei Unentschieden gegen die Absteiger in der Bilanz – viel zu viel für ein Team, das um die Meisterschaft mitspielen will.
"Wenn wir da drei Spiele mehr gewinnen, dann sieht die Tabelle schon ganz anders aus", weiß auch Thorsten Westphal, für den besonders eine Niederlage entscheidend war. "Das 1:2 Mitte Dezember im letzten Spiel vor der Winterpause gegen Ritterhude war pures Gift. Das hat uns rückblickend komplett den Stecker gezogen."
Fortan quälte sich seine Mannschaft mehr schlecht als recht durch die Winter-Vorbereitung. Abseits des Platzes musste der VSK-Coach zudem zahlreiche Gespräche führen, weil viele seiner Spieler bereits jetzt von anderen Vereinen offensiv kontaktiert und umworben wurden. "Das hat unfassbar viel Kraft und Zeit gekostet", erinnert sich Westphal. Kraft, die eigentlich auf dem Trainingsplatz nötig gewesen wäre. Und als dann die Frühjahrsserie mit einer 1:3-Heimniederlage gegen Rot-Weiß Achim begann, verabschiedete sich Westphal auch öffentlich aus dem Titelkampf. "Wir waren zu keiner Zeit in der Lage, einen wirklich wichtigen Punch zu setzen, selbst wenn die Konkurrenz mal kurzzeitig schwächelte", begründet der Coach. Immer wieder gab es zudem Ausfälle, allen voran natürlich die langwierigen Verletzungen von Jarno Schnieders, Louis Melzer und Jan Brinkmann.
Auffällig ist beim Blick in die Saisonstatistiken auch, dass dem VSK nach wie vor ein echter Knipser fehlt. Der beste Schütze der Kreisstädter ist Juri Kiekhöfer, mit seinen elf Saisontoren taucht er allerdings erst auf Rang 20 der Torschützenliste auf. Zum Vergleich: Meister FC Worpswede hatte mit Derrick Ampofo (26 Tore) und Jan-Henrik Kück (16) gleich zwei deutlich treffsicherere Akteure in seinen Reihen. Und selbst Absteiger SV Komet Pennigbüttel (Joshua Zurek/14) und Fast-Absteiger TuSG Ritterhude (Eugen Zilke/15) hatten effizientere Offensivspieler.
"Natürlich ist das eine große Baustelle bei uns, aber wir können und dürfen das nicht nur auf den fehlenden Knipser reduzieren", sagt Thorsten Westphal und begründet: "Wir haben auch in der Defensive viel zu viele einfache Fehler gemacht und die Gegentore immer wieder hergeschenkt." Sage und schreibe 20 Gegentore seien laut Westphal so zusammengekommen. Durch unnötige Dribblings, katastrophale Fehlpässe oder nicht zu erklärende Passivität bei Standards. Angesichts dieser Schwächen ist sich der VSK-Coach sicher: "Wir haben uns das Glück in diesem Jahr auch wirklich nicht verdient."

Mit elf Treffern bester Torschütze beim VSK Osterholz-Scharmbeck: Juri Kiekhöfer.
Das soll in der nächsten Saison möglichst wieder anders aussehen. Und auch dann werden die VSK-Spieler sicherlich wieder jene T-Shirts anziehen, die im Laufe der Saison für so viel Gesprächsstoff gesorgt haben. Bereits vor zwei Jahren ließen sich die Kreisstädter nämlich Aufwärmshirts drucken, auf denen "LL23" zu lesen war – was für Landesliga 23 stand. "Das ist aber vielen offenbar erst im Spätherbst der laufenden Saison aufgefallen, obwohl wir die Shirts schon über ein Jahr hatten", sagt Thorsten Westphal angesichts der heißen Diskussionen, die seitdem um jene Shirts entbrannt sind. "Für mich ist es wichtig, Ziele und Visionen sichtbar zu machen, damit man weiß, wofür man sich quält. Das hat überhaupt nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit dem Anspruch, alles für ein Ziel zu tun", erklärt der VSK-Coach die Idee hinter den Shirts.
Bereits im Sommer 2021 hatte sich die Mannschaft das Ziel gesetzt, das Projekt "LL23" spätestens zwei Jahre später abzuschließen. "Dieses Ziel haben wir verfehlt und das lag allein an uns selbst", sagt Thorsten Westphal. "Aber wenn alle bereit dafür sind, werden wir aus all diesen Dingen viel gelernt haben und nächste Saison wieder angreifen."