Osterholz-Scharmbeck. Minuten nach dem Schlusspfiff hockte Thorsten Westphal noch auf der Auswechselbank, die Hände vors Gesicht geschlagen. Wer ihn da so aus der Ferne sah, hätte meinen können, sein VSK Osterholz-Scharmbeck hätte das Spiel gegen den FC Worpswede verloren und der Trainer der Kreisstädter verberge sein Gesicht aus Frust. Allerdings musste Westphal dieses irre Derby und die gesamten Nebengeräusche im Meisterschaftskampf der Fußball-Bezirksliga erst einmal verarbeiten. Es waren kleine Momente mit sich selbst, die er sich nahm. Auch ihn hatte all das mitgenommen. Heeslingens Nichtantritt, vor allem aber der 5:3-Sieg seines Teams, das gegen die Weyerberg-Elf einen 0:3-Rückstand noch drehte und weiterhin alle Chancen im Titelkampf hat.
"Einfach Wahnsinn", sagte Westphal. Und das fasste das Ganze ziemlich gut zusammen. Den Tiefschlag vom Sonnabend, aber genauso auch die Leistung seiner Elf im zunächst negativen und dann positiven Sinn. So leicht war das Spiel gar nicht zu verarbeiten. Auch für Co-Trainer Frank Müller nicht. "Was war eigentlich die Initialzündung?", fragte er sich. Für Westphal lag das auf der Hand: "Der Elfmeter." Diesen verwandelte Tjerk Johannsen zum 2:3 (84.) – und keine Minute später glich Juri Kiekhöfer aus. "Das war der Knock-out für sie", sagte Westphal mit Blick auf die Worpsweder. Deren Beine wurden nun schwerer und schwerer, während der VSK den gesamten Ballast endgültig abgeschüttelt hatte. Als Tim Bormann kurz darauf noch zweimal traf, gab es bei den Grün-Weißen überhaupt kein Halten mehr. Der Doppeltorschütze verschwand unter einer riesigen Jubeltraube.
Bormanns Doppelpack war das verrückte Finale einer Partie, in der die Gäste keinesfalls enttäuschten. Ja, Worpswede verspielte zum zweiten Mal eine 3:0-Führung, in der Vorwoche war dasselbe gegen Ritterhude passiert, aber der FC machte 75 Minuten lang ein ganz starkes Spiel. Mit nur elf Mann, ohne Wechselmöglichkeit. Und trotzdem dominierte das Team von Oliver Schilling und Gerd Buttgereit die Partie. "Wir haben geil gespielt und es 75 Minuten überragend gemacht", fasste Schilling den Auftritt zusammen und ergänzte auch den entscheidenden Zusatz: "Solange die Kraft da war." Die ging Worpswede am Ende aus, gegen einen dann allerdings auch wie entfesselt auftretenden und von Jan Brinkmann und Tim Bormann angeführten VSK, der dem FC den Sieg noch entriss. "Das tut schon weh", gab Schilling zu. Das empfänden Buttgereit und er nicht anders als die Spieler.
Taktisch, spielerisch und läuferisch waren die Gäste lange stärker. Die Worpsweder 3:0-Führung nach Toren von Doppelpacker Yannick Vrampe und Neo Buttgereit war verdient. Sie machten die Räume sehr gut eng, waren robuster in den Zweikämpfen und schalteten nach Ballgewinn sehr gut um. Es war ein abgezockter Auftritt, der die Kreisstädter schon früh an den Rand der Verzweiflung trieb. So mancher VSK-Spieler haderte bereits im ersten Durchgang gewaltig mit sich und irgendwie auch der ganzen Fußballwelt. Die junge Westphal-Elf wirkte nervlich angeschlagen, und Worpswede nutzte das. "Und wenn Christoph Haßkamp das vierte Tor macht, dann gewinnen wir hier", sagte Schilling. Doch der Stürmer verfehlte nach toller Ballannahme das Gehäuse und damit das wohl entscheidende 1:4 (79.). Letztlich fehlte dem FC auch die eine oder andere Wechselmöglichkeit. Nicht nur, um frische Kräfte zu bringen, sondern auch, um den Rhythmus der Gastgeber zu stören.
VSK am Ende wie im Rausch
Ein Lob verdienten sich die Gäste auch von Westphal. "Sie waren gut. Richtig, richtig gut. Man muss den Hut vor dem ziehen, was sie hier mit elf Mann läuferisch, aber auch taktisch und spielerisch abgerissen haben." Doch der VSK spielte in der Schlussphase wie im Rausch. "Da haben wir eine unglaubliche Wucht entwickelt. Nach einem 0:3 so zurückzukommen, das ist schon geil", schwärmte Westphal von seiner Elf, die Nehmerqualitäten bewies. Mental natürlich, aber auch körperlich: Jan Brinkmann etwa hatte sich schon bei seinem Treffer zum 1:3 an den Rippen verletzt, biss aber auf die Zähne und holte dann den Elfmeter zum 2:3 heraus und legte die VSK-Tore drei und vier auf. Er war einer der Helden in einem begeisternden Derby, das auch den verletzten VSK-Torhüter Malte Vollstedt einige Nerven kostete. "Das Hinspiel in Worpswede war ja schon verrückt", erinnerte er an den 4:2-Sieg seiner Elf, die damals ebenfalls spät traf. "Aber das hier war komplett irre." Irre spannend und irre gut vor allem.