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Tom "The Perc" Redecker Der elektrische Tausendsassa

Musiker, Labelchef, Promoter und neuerdings auch Autor - Tom "The Perc" Redecker ist vieles, aber nicht einseitig. Nach seinem ersten Buch arbeitet der Osterholz-Scharmbecker schon wieder am nächsten Album.
28.04.2022, 18:00 Uhr
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Der elektrische Tausendsassa
Von Lars Fischer

Osterholz-Scharmbeck. Als "Jack of all trades" hat sich Tom Redecker mal selbst im Titel eines seiner zahlreichen Alben bezeichnet. Ein "Hansdampf in allen Gassen" würde man auf Deutsch wohl sagen, und das mit Fug und Recht. Der 63-Jährige ist nicht nur Musiker, Produzent, Promoter und Plattenfirmen-Chef, neuerdings ist er auch Buchautor. "The Electric Kindergarten" heißt sein erstes gedrucktes Werk, das Gedichte und Liedertexte aus einer langen und ungewöhnlichen Karriere zusammenfasst.

Angefangen hat seine musikalische Laufbahn in Bremen, wohin es den gebürtigen Sauerländer Anfang der 1980er-Jahre wegen seines Betriebswirtschaftsstudiums und auch ein bisschen wegen der Liebe verschlug. Die Szene in der Hansestadt faszinierte ihn, und nach verschiedenen Projekten gründete er gemeinsam mit dem Sänger Emilio Winschetti die Gruppe, die sein Leben nachhaltig verändern sollte: The Perc Meets The Hidden Gentleman (TPMTHG). Redecker wurde zu The Perc, unter diesem Pseudonym veröffentlicht er bis heute alle seine Werke. Nur auf dem Buch steht nun zum ersten Mal sein bürgerlicher Name.

Wendepunkt in der Karriere

Das Duo spielte eine wilde Mischung aus Folk und minimalistischem Rock mit mehr oder weniger schrägen Ideen. Statt eine Plattenfirma zu suchen, überredeten sie den befreundeten Plattenhändler und Musikmagazin-Herausgeber Lothar Gärtner, eine zu gründen. Das war der Startschuss für Strange Ways Records, das später mit Bands wie Wolfsheim eines der erfolgreichsten deutschen Indie-Labels wurde. Eine Win-Win-Situation, denn so erschienen ab 1989 auch die ersten TPMTHG-LPs auf Strange Ways, und die Band machte sich langsam einen Namen, der große kommerzielle Erfolg blieb aber zunächst aus. Bis zum Jahr 1991, das zum Wendepunkt in der Karriere und letztlich auch im Leben Redeckers werden sollte.

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Für das dritte reguläre Album "Lavender" änderte man den Kurs. Schon zuvor waren regelmäßig Gäste auf den Aufnahmen zu hören (unter anderem Sven Regener von Element Of Crime mit einem recht trunkenen Trompeten-Solo), nun wuchs die Gruppe zu einem zehnköpfigen Rockorchester an. Das Album transportierte den psychedelischen Rock der Hippie-Generation in das Jahrzehnt von Grunge und Alternative Rock und schlug ein wie eine Bombe. Musiker von Bands wie Philip Boas Voodooclub, Deine Lakaien oder Fehlfarben wirkten mit, und die Tour zur Platte zog sich über ein Jahr hin. Zum 30. Geburtstag erschien das Werk vor Kurzem neu und offenbart mittlerweile eine zeitlose Schönheit, die seine Relevanz für die deutsche Musikszene noch mal unterstreicht.

Aber mit dem Erfolg kam das Ausgebranntsein. Zum ersten Mal konnte Redecker von seiner Musik allein leben, aber glücklich wurde er damit nicht. "Man ist immer mit denselben Leuten unterwegs, nach fast 100 Konzerten konnten wir uns nicht mehr ertragen", sagt er heute. Zum Ende der Tour fuhr er nicht mehr mit dem Bandbus, sondern reiste mit Winschetti per Zug. Die Sehnsucht nach den alten Tagen, als sie nur zu zweit unterwegs waren, wuchs, die Inspiration für neue Songs aber wurde immer kleiner. Der Versuch, mit dem ebenfalls aufwendig produzierten Nachfolgealbum "Ages" (1993) an den Erfolg von "Lavender" anzuknüpfen, scheiterte. Auch weil sich das Duo weigerte, erneut auf Tour zu gehen. Offiziell wurde TPMTHG nie aufgelöst, nahm aber nie wieder ein weiteres Album auf.

Neue Wege

Danach ging Redecker neue Wege. Er zog aus dem Bremer Viertel nach Osterholz-Scharmbeck, das Leben mit zwei kleinen Kindern in der Stadt war ihm zu anstrengend geworden. Er arbeitete zunächst als Büroleiter für Strange Ways Records, die mittlerweile nach Hamburg gezogen waren, wurde aber des Pendelns müde. Nach einem Intermezzo beim Vollersoder Label Bear Family schuf er sich als freiberuflicher Promoter ein neues Standbein und gründete die Firma Shack Media, mit der er seitdem weiter für Bear Family, aber auch für zahlreiche andere Plattenfirmen die Pressearbeit erledigt.

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Auch musikalisch zog er weiter, veröffentlichte als The Perc Soloalben, erfand die Electric Family, eine eher lose Band mit zahlreichen Legenden der deutschen Krautrockszene, und brachte unter dem Titel "The Electric Kindergarten" bislang acht Alben mit Material aus seinem umfangreichen Archiv heraus. Ein weiteres Duo namens Taras Bulba, das eher im elektronischen Dark Wave zu Hause war, gründete er mit dem ehemaligen Grobschnitt-Keyboarder Volker Kahrs – ein gebürtiger Osterholz-Scharmbecker –, der 2008 starb. Und auch ein anderer Weggefährte verstarb zu früh: Lothar Gärtner, mit dem Redecker 2000 das bis heute aktive Label Sireena ins Leben lief, erlag bereits 2005 einer schweren Krankheit.

Der Tausendsassa – noch so eine Übersetzung von "Jack of all trades" – blieb trotz vieler Schicksalsschläge aktiv und positiv. Im Moment arbeitet er an einem neuen Electric-Family-Album, das dem Bandnamen mehr denn je gerecht werden dürfte, denn auch Sohn Kilian ist daran beteiligt. Und Shack Media wurde unlängst mit dem "German Business Award" ausgezeichnet als "most dynamic" deutsche Promoagentur. Wie es dazu kam, weiß Tom Redecker nicht so genau, eines Tages flatterte die Auszeichnung einfach ins Haus. Beworben hatte er sich nicht, ein Ansporn ist sie ihm dennoch.

Info

Das zweisprachige Buch "The Electric Kindergarten" mit beiliegender CD erscheint beim Verlag Moloko+ (ISBN 978-3-948750-45-9), Infos unter: www.molokoplusrecords.de. Neben Gedichten und Liedertexten von Tom Redecker gibt es auch einen Beitrag von Sven Regener.

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