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Logistikzentrum geplant Amazon will in Achim bauen

Der Versandhändler Amazon hat erstmals öffentlich bestätigt, dass er in der 31.000-Einwohner-Stadt Achim ein dreistöckiges Logistikzentrum errichten möchte. Nun ist die Stadt am Zug.
04.03.2018, 21:49 Uhr
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Amazon will in Achim bauen
Von Kai Purschke

Knapp daneben ist auch vorbei. Sollte sich Amazon tatsächlich im kleinen Achim ansiedeln, was derzeit noch nicht feststeht, wird das dreistöckige Logistikzentrum auf niedersächsischem Grund BRE 1 heißen – benannt nach dem nächstgelegenen Flughafen. Den hat Achim noch nicht vorzuweisen, aber mit Amazon eventuell in zwei Jahren 2000 Arbeitsplätze und in Spitzenzeiten bis zu 3600 Stellen mehr. Bei derzeit rund 700 arbeitslosen Achimern wird deutlich, dass die Belegschaft fürs geplante Logistikzentrum aus der gesamten Region und natürlich aus Bremen kommen wird. Prognosen gehen von rund 40 Prozent der Angestellten aus. Daher hat Bremens Bürgermeister Carsten Sieling in der vergangenen Woche im Achimer Rathaus nochmal betont, dass Bremen ein großes Interesse an der Ansiedlung habe. „Auf welcher Seite Arbeitsplätze entstehen, ist doch egal“, hat er gesagt.

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Gerade für Langzeitarbeitslose und kaum bis gar nicht qualifizierte Menschen böte sich mit der Ansiedlung eine Chance, denn mehr als Deutsch oder Englisch und 15 Kilogramm heben, müssen die Bewerber gar nicht können. Das hat Amazon-Sprecher Stephan Eichenseher jüngst in Achim gesagt. Es war im Rahmen einer von 350 Menschen besuchten Bürgerversammlung jetzt das erste Mal, dass Amazon zugegeben hat, zu wissen, wo auf der Landkarte sich Achim überhaupt befindet. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Anfragen abgeblockt werden, wobei der WESER-KURIER das Ansiedlungsvorhaben bereits vor zehn Monaten öffentlich gemacht hatte. Amazon will unbedingt nach Achim und dort neben Winsen/Luhe ein zweites Logistikzentrum in Niedersachsen betreiben. In Achim würden Waren angeliefert, gelagert und gepackt, um dann von dort zu den eigenen Sortier- und Verteilzentren sowie die den Partnern (DHL, Hermes) gefahren zu werden.

Bis es soweit ist, laufen in der 31.000-Einwohner-Stadt noch die Vorbereitungen für die Ansiedlung, denn letztlich muss die Stadt den roten Teppich für den Versandhändler ausrollen. Ausgang: ungewiss. Zwar zeigt sich mittlerweile, dass neben der Stadtverwaltung – allen voran Bürgermeister Rainer Ditzfeld und sein Stellvertreter Bernd Kettenburg – auch der Rat größtenteils dem Vorhaben und dem notwendigen Straßenausbau positiv gegenübersteht, aber die zweite öffentliche Auslegung des Bebauungsplans „Verkehrsentwicklung Achim-Ost“ dauert noch bis Ende März. So lange haben die zum Teil kritischen Achimer Bürger, insbesondere die direkt betroffenen Anwohner, und andere Institutionen Gelegenheit, ihre Einwände zu äußern.

Falls es dadurch nicht zu Verzögerungen kommt, soll der Rat am 17. Mai den Satzungsbeschluss für den Straßenausbau, der eine zweite Zufahrt zum von Amazon auserkorenen Gewerbegelände Uesener Feld beinhaltet, fassen. Für das Grundstück selbst, auf dem eine 40 000 Quadratmeter große und 16 Meter hohe Halle sowie 900 Auto- und 90 Lkw-Stellplätze entstehen sollen, existiert bereits seit sechs Jahren ein rechtskräftiger Bebauungsplan.

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Die halbstädtische Gesellschaft EVG (Entwicklung und Vermarktung von Grundflächen) und Amazon beziehungsweise die Garbe Industrial Real Estate als Projektentwickler müssen noch einen Vertrag schließen, ehe es zur Ansiedlung kommen kann. „Es ist noch nichts unterschrieben“, hat Bürgermeister Ditzfeld bisher stets betont. Die zu zahlende Summe für das von der EU geförderte 150 000 Quadratmeter große Grundstück dürfte bei einem Quadratmeterpreis von 48 Euro bei rund sieben Millionen Euro liegen. Daneben werden offenbar noch Vereinbarungen für die Kosten des Straßenausbaus getroffen, an dem auch Amazon ein gesteigertes Interesse hat, damit die Mitarbeiterfahrzeuge und zu Spitzenzeiten (Weihnachten) bis zu 400 Lastwagen pro Tag reibungslos aufs Gelände und wieder wegfahren können.

„Ich sehe mehr Chancen als Risiken. Wir müssen das Wohl der ganzen Stadt Achim im Blick haben und sehen, was wir mit dem Geld etwa in sozialen Einrichtungen erreichen können“, hatte Rathauschef Ditzfeld jüngst den Kritikern entgegnet. Amazon selbst spricht davon, dass das Unternehmen vom ersten Tag an einen mittleren sechsstelligen Betrag an Gewerbesteuern entrichten und fürs Logistikzentrum eine eigene Gesellschaft gründen werde. Außerdem führt Ditzfeld ins Feld, dass Arbeitslose einen Job bekommen, der laut Amazon mit mindestens 10,52 brutto pro Stunde sowie Boni entlohnt wird. Auch für zugewanderte Menschen, wie sie etwa in Winsen/Luhe Jobs im Logistikzentrum gefunden hätten, böte sich eine Chance. „Sie fallen dann den Sozialkassen nicht mehr zur Last“, sagte Ditzfeld. Er hat bereits die Vision von Buslinien, die später zwischen dem Logistikzentrum und den Bahnhöfen Achim und Achim-Baden pendeln und auch andere Betriebe im Gewerbegebiet Achim-Ost bedienen könnten.Die kritischen Achimer schätzen die künftige Verkehrssituation lange nicht so optimistisch ein wie die Stadtverwaltung und der externe Verkehrsgutachter Heinz Mazur vom Büro PGT.

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Er hatte mehrfach betont, dass durch eine Verbreiterung der Landesstraße 156, zusätzliche Abbiegespuren und einen Ausbau der Autobahnanschlussstelle Achim-Ost an der A 27 der Verkehr mit Amazon am Ende sogar besser fließen werde, als derzeit ohne Ausbau und ohne Amazon. Und so bedingt letztlich das eine das andere: Kommt Amazon nicht, gibt es keinen Straßenausbau – gibt es keinen Straßenausbau, kommt Amazon nicht.

Letzteres wäre den Menschen in Achim-Uesen das Liebste. Sie leiden schon seit Jahren unter verstopften Straßen und langen Standzeiten, insbesondere, wenn es sich auf der Autobahn staut. Mit Unverständnis und Wut haben sie reagiert, als Ende 2017 deutlich wurde, dass etwa die Ueser Kreuzung, an der sich die Landesstraßen 156 und 158 kreuzen, weder im Bebauungsplan für den Straßenausbau erfasst noch auf den zusätzlichen Amazon-Verkehr hin überprüft worden war.

Ein Gutachten dazu war dann aber in der frühzeitigen Beteiligung vom Land Niedersachsen angemahnt worden. Es zeigt, dass mit optimierten Fahrbahnen, Haltelinien und genauerer Ampelschaltung eine Verbesserung des Verkehrsflusses erreicht werden könne. Die Uesener fordern daher, erst diese Kreuzung anzupassen, bevor Amazon angesiedelt wird. Denn das jüngste Gutachten offenbart auch, dass die Amazon-Schichtwechsel zwar außerhalb der Spitzenbelastungszeiten der Ueser Kreuzung liegen, diese dadurch aber ausdehnen. Außerdem befürchten Anwohner Lärm insbesondere durch den nächtlichen Schichtwechsel. Amazon verspricht dennoch: „Wir wollen ein guter Nachbar sein.“

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