Wer nach Fischerhude kommt, hat oft das Gefühl, in eine andere Welt einzutreten. Das kleine Dorf an der Wümme mit seinen alten Backsteinbauten, den mächtigen Eichen und den grünen Wiesen wirkt wie ein Postkartenmotiv aus dem Bilderbuch. Doch Fischerhude ist mehr als ein Ort für schöne Spaziergänge. Es ist ein Dorf mit Charakter, mit Geschichte – und mit Menschen, die ihm eine ganz besondere Seele geben.
Eine von ihnen ist Katharina Bertzbach. Die Keramikmeisterin ist eine Ur-Fischerhuderin – aufgewachsen zwischen Surheide und Wümmeniederung, zog sie in den 1980er-Jahren fort, um die Welt zu sehen. Im Oktober 2009 kam sie zurück, zurück in ein Dorf, das sie nie losgelassen hatte. „Ich habe es als junge Frau verlassen, um Neues zu entdecken“, erzählt sie, „aber irgendwann zieht es einen doch wieder nach Hause.“ Heute betreibt sie im „Krummen Ort“ ihre Werkstatt – in einem Gebäude, das schon auf den ersten Blick auffällt: das alte Feuerwehrhaus.
Dort, wo früher Schläuche getrocknet wurden und Einsatzfahrzeuge startbereit standen, dreht sich nun alles um Porzellan. Ihre Werkstatt ist für Besucher leicht zu finden, und wer die Schwelle überschreitet, landet sofort in einer Welt aus Gefäßen, Figuren und Farben. Bertzbach lebt im gleichen Haus – ihr Wohnbereich liegt nach hinten hinaus, mit Blick auf die Wiese der Stiftung Heimathaus Irmintraut. Pferde grasen dort, im Sommer stelzen Störche durch das Gras. „Ich liebe diesen Platz“, sagt sie und lacht. „Und wenn mich jemand fragt, wo ich wohne, dann sage ich: Downtown Fischerhude.“
Schönes Leben im "Downtown"
Bertzbach ist eine klassische Scheibentöpferin, hat Lehr- und Gesellenzeit absolviert und ihre Meisterprüfung bestanden. Doch das bedeutet nicht, dass sie in Traditionen stecken geblieben ist. Im Gegenteil: Ihre Arbeiten haben eine unverwechselbare Handschrift entwickelt. Sie arbeitet ausschließlich mit Porzellan – nicht zuletzt wegen der Qualität und der weißen Fläche, die sich hervorragend für ihre Malerei eignet. „Ich bemale jedes Stück ein bisschen anders“, erklärt sie, „so wird jeder Becher zum Unikat.“ Mal sind es schnelle, abstrakte Pinselstriche, mal einfache Formen, Linien, Abdrücke. "Schlunzig" nennt sie das, aber es ist diese Leichtigkeit, die den Stücken Charme verleiht.
Neben den Gefäßen entstehen in ihrer Werkstatt auch figürliche Arbeiten. Damit überschreitet sie die Grenze zwischen angewandter und bildender Kunst. „Das macht mir großen Spaß“, sagt sie. „Es bringt Abwechslung und lässt sich wunderbar mit Gefäßen kombinieren.“ Ihre Werke sind nicht nur Gebrauchsgegenstände, sondern kleine Geschichten aus Porzellan, die im Alltag lebendig werden. Wenn sie von ihrem Arbeitstisch aufschaut, sieht sie Eichen, Licht und Wetter. Fischerhude ist für sie nicht nur Kulisse, sondern Teil ihrer Arbeit. „Meine Gedanken sind meistens bei dem Stück, an dem ich gerade arbeite“, sagt sie. „Aber gleichzeitig nehme ich das wandelnde Licht wahr, die Menschen, die draußen vorbeigehen. Das ist alles Teil meiner Welt hier.“
Kreativität durch Atmosphäre
Dass Fischerhude für viele Besucher wie ein idyllisches Künstlerdorf wirkt, ist kein Zufall. Seit über hundert Jahren zieht es Maler, Bildhauer und Kunsthandwerker in den Ort. Die Landschaft, das Licht, die Gemeinschaft – all das schafft eine Atmosphäre, die Kreativität fördert. Für Bertzbach ist Fischerhude Heimat im umfassendsten Sinne. „Ich fühle mich hier zugehörig, nicht nur zu meiner Familie und meinem Freundeskreis, sondern auch zur Dorfgemeinschaft“, betont sie. „Ich bin Teil der Landschaft, der Bäume, des Wetters und der roten Dächer.“

Voll konzentriert geht die Keramikmeisterin derweil in ihrem Atelier zu Werke. Seit 2009 ist das alte Fischerhuder Feuerwehrhaus die Arbeitsstätte der Fischerhuderin.
Dieses Gefühl von Zugehörigkeit zeigt sich auch bei den Fischerhuder Keramiktagen, die sie seit Jahren mitorganisiert. An einem Wochenende im Jahr verwandelt sich das Dorf in ein Zentrum der Keramikkunst, wenn Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland ihre Arbeiten präsentieren. „Braucht das Dorf noch ein weiteres Fest?“, fragt sie augenzwinkernd. „Vielleicht nicht. Aber für mich ist es eine große Freude, meine Kollegen hierher einzuladen und meinem Dorf zu zeigen, wie vielfältig mein Beruf ist.“
Die Fischerhuder selbst tragen entscheidend zum Gelingen bei. Mit Kuchen, Kaffee und Raclette-Brötchen sorgen sie für das leibliche Wohl der Gäste. Buthmanns Hof wird von den Hausmeistern liebevoll vorbereitet, und die Dorfgemeinschaft unterstützt, wo sie kann. „Ohne die wohlwollende Stimmung hier würde ich die Keramiktage nicht machen wollen“, sagt Bertzbach. „Aber die Leute kommen, sie schauen, sie sind interessiert – das ist das Schönste.“
Offen und bodenständig
Wie sie die Fischerhuder beschreibt? „Das ist nicht leicht zu beantworten“, meint sie. „Aber grundsätzlich gilt: Wenn ich freundlich in den Wald hineinrufe, kommt es freundlich zurück.“ Es ist wohl diese Mischung aus Offenheit und Bodenständigkeit, die das Dorf prägt. Und es sind Orte wie die Surheide, die das Gefühl von Heimat für sie lebendig machen. Dort, wo sie als Kind spielte, den Sand zwischen den Zehen spürte und den Duft der Kiefern einatmete. „Die Surheide ist für mich Kindheit pur“, sagt sie, „und bis heute mein Lieblingsort.“
Fischerhude ist für Bertzbach kein Museum, kein Freilichtidyll, sondern ein lebendiges Dorf. Es feiert, diskutiert, streitet und versöhnt sich – und bleibt dabei offen für Neues. Bertzbach wünscht sich, dass das so bleibt: „Dass es offen für Ideen bleibt, ohne das Gewachsene zu vergessen. Und dass es gelingt, miteinander im Gespräch zu bleiben, auch wenn Meinungen auseinandergehen.“

Für Katharina Bertzbach ist Fischerhude seit der Kindheit ein Ort der Entspannung und Inspriation.
Wer durch Fischerhude geht, entdeckt auf Schritt und Tritt, wie sehr Kunst und Alltag hier miteinander verwoben sind. Mal ist es ein Atelier, das sich hinter einer alten Scheune versteckt, mal ein Handwerk, das über Generationen weitergegeben wird. Und manchmal ist es eine Keramikmeisterin wie Katharina Bertzbach, die im alten Feuerwehrhaus Porzellan formt – und damit nicht nur Gefäße, sondern auch Geschichten erschafft. Geschichten, die so einzigartig sind wie das Dorf selbst.