Das Otto-Modersohn-Museum (In der Bredenau 95) in Fischerhude widmet dem bedeutenden Landschaftsmaler Otto Modersohn ab Sonnabend, 26. Juli, bis zum 12. Oktober eine umfassende Sonderausstellung unter dem Titel „Otto Modersohn – Die Jahre der großen Erfolge 1896–1900“. Die Ausstellung ist ein weiterer Höhepunkt in der systematischen Aufarbeitung seines Werkes und folgt auf frühere Präsentationen zum westfälischen Frühwerk sowie den Worpsweder Anfängen der Jahre 1890 bis 1895. Sie beleuchtet nun die entscheidenden Jahre, in denen Modersohn seinen künstlerischen Durchbruch erlebte.
Modersohn fand in der Landschaft Worpswedes jene schlichte Weite, die seinen künstlerischen Idealen entsprach. Seine Bilder aus dieser Zeit sind geprägt von einer reduzierten, fast meditativen Formensprache. „Bilder, die zur Stille führen, sind mir die liebsten“, notierte er in sein Tagebuch – eine Haltung, die sich konsequent durch sein gesamtes Werk zieht. Der eigentliche Durchbruch kam 1895 mit der ersten gemeinsamen Ausstellung der sogenannten „Worpsweder“ in der Bremer Kunsthalle. Modersohns „Herbst im Moor“ und Mackensens „Der Säugling“ wurden von Bremer Kunstfreunden angekauft – ein Achtungserfolg, dem noch größere folgten. 1896 sorgten die Worpsweder in der internationalen Jahresausstellung im Münchener Glaspalast für Aufsehen. Fritz Mackensen wurde mit der Goldmedaille ausgezeichnet, Modersohns „Sturm im Moor“ gelangte in die Neue Pinakothek.
Mit einer eigenständigen, farbintensiven und intimen Bildsprache setzte sich Modersohn bewusst von gängigen naturalistischen Strömungen ab. Seine Suche nach dem „Geistigen im Natürlichen“ führte zu einer differenzierten Technik: pastose Untermalung vor der Natur, spätere Lasuren und Überarbeitungen im Atelier. Werke wie „Die Märchenerzählerin“ dokumentieren diese Entwicklung anschaulich. 1896 war er mit elf Bildern erneut im Glaspalast vertreten – eine Würdigung seines Ausnahmetalents. In dieser Schaffensphase entwickelte sich auch eine tiefere Beziehung zu Fischerhude. Auf einer Wanderung mit Fritz Overbeck entdeckte Modersohn 1897 das kleine Dorf an der Wümme, das ihn sofort faszinierte: „Überall Strohdachhäuser und Ställe, mächtige Eichen, an der alten Wassermühle wurde es immer interessanter.“ Diese Begegnung war prägend – Jahre später sollte Fischerhude zu seiner endgültigen Heimat werden.
Suche nach tieferer Wahrheit
Die Ausstellung (täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr) zeigt neben 21 Gemälden zahlreiche Originalskizzen und Tagebucheinträge, die Modersohns künstlerische Suche dokumentieren. Besonders im Fokus steht seine Weiterentwicklung vom naturnahen Malen hin zur Komposition im Atelier, in der Inspiration und Naturbeobachtung zur Einheit finden. Modersohns Märchenbilder dieser Jahre zeigen deutlich, wie stark Fantasie und Naturbezug in seinem Werk verschmelzen. Parallel zu seinen künstlerischen Erfolgen verschärften sich jedoch die Spannungen innerhalb der Künstlervereinigung Worpswede. Während die einen dem realistischen Naturalismus verhaftet blieben, suchte Modersohn nach einer tieferen Wahrheit. Sein Bedürfnis nach innerer Ruhe und künstlerischer Unabhängigkeit führte 1899 schließlich zu seinem Austritt aus der Vereinigung – ein radikaler Schritt, dem sich auch Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler anschlossen.
Noch vor seinem Austritt hatte Modersohn mit den Einnahmen aus seinen Verkäufen ein Haus in Worpswede erworben und 1897 Helene Schröder geheiratet. Ein Jahr später kam Tochter Elsbeth zur Welt. Doch die Jahre waren auch von persönlichem Leid geprägt – Helene litt seit Jahren an Tuberkulose, ihre Gesundheit verschlechterte sich zusehends. Der Alltag in Worpswede wurde zunehmend durch Krankheit und Fürsorge bestimmt. 1899 und 1900 war Modersohn weiterhin auf zahlreichen Ausstellungen vertreten – in Dresden, München, Hamburg und Berlin. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, unter anderem die kleine goldene Plakette für „Herbstwetter“. Doch sein künstlerischer Fokus verlagerte sich zunehmend auf kleinere, intime Bildkompositionen, die aus der Inspiration heraus entstanden, ohne sich ausschließlich auf die direkte Naturbeobachtung zu stützen.

Stimmungsvolle Stille drückt das 1897 von Otto Modersohn gemalte Bild „Herbstmorgen am Moorkanal“ aus.
Die Ausstellung im Otto-Modersohn-Museum sei keine Wanderschau, sondern eine eigens für Fischerhude konzipierte Präsentation mit zahlreichen Leihgaben aus Privatbesitz, erklärt Museumsleiterin Antje Modersohn. Sie mache deutlich, dass die Jahre 1896 bis 1900 eine Schlüsselphase in Modersohns Entwicklung darstellen – Jahre zwischen Erfolg und Rückzug, zwischen öffentlicher Anerkennung und der Suche nach Stille. Nicht zuletzt erinnert die Ausstellung auch an Otto Modersohns tiefe Verbindung zu Fischerhude – dem Ort, den er zufällig entdeckte, aber nie mehr losließ. Hier fand er, was er in der Kunst wie im Leben suchte: Einfachheit, Innerlichkeit und die Nähe zur Natur. Fischerhude wurde zum stillen Zentrum seines Schaffens – und bleibt es bis heute als Ort seines Andenkens.