Regungslos und unbeeindruckt steht sie da: Die alte Eibe am Schloss Erbhof in Thedinghausen. Sie scheint wenig beeindruckt von all der Aufmerksamkeit, dabei steht die Eibe am Freitagnachmittag doch im Mittelpunkt des Geschehens. Der Baum ist jetzt nämlich offiziell zum Nationalerbe-Baum von Deutschland ausgerufen worden. Eine ganz besondere Ehre, denn insgesamt werden deutschlandweit nur 100 Exemplare in diesen elitären Kreis aufgenommen. Im Beisein von Politprominenz wie dem Niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne), Landrat Peter Bohlmann und selbstverständlich Thedinghausens Samtgemeindebürgermeisterin Anke Fahrenholz ging das Prozedere vonstatten. Auch einige Bürgerinnen und Bürger hatten sich am Schloss versammelt, um bei der Ausrufung dabei zu sein.
Christian Meyer, der mit ordentlich Verspätung in Thedinghausen eintrudelte ("Stau auf der Autobahn"), hob während seiner Ansprache die Bedeutung der Ernennung hervor: "Das ist eine herausragende Auszeichnung für das Naturerbe in Niedersachsen. Durch besonders betitelte Bäume wie diese Eibe schärfen wir das Bewusstsein für die Wertigkeit und den Schutz dieser naturschutzfachlich und naturhistorisch wertvollen Bäume." Außerdem betonte er, dass mit dem Standort in Thedinghausen nun bereits drei Naturerbe-Bäume in Niedersachsen stehen. Die "Dicke Linde" in Heede (Landkreis Emsland) war 2019 der erste ausgerufene Nationalerbe-Baum.
Entdeckung war Zufall
Bei der Wahl des Baumes in Thedinghausen hatte Christian Meyer aber nicht seine Finger im Spiel. Die Ernennung hat das Kuratorium Nationalerbe-Bäume, das sich aus führenden Vertretern der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft (DDG) zusammensetzt, vorgenommen. Das Kuratorium hat sich zum Ziel gesetzt, sehr alte und vitale Bäume in Deutschland aufgrund ihres hohen Alters und ihrer Überlebenskraft auszuzeichnen. Und die Eibe in Thedinghausen hat bereits ein Alter von etwa 400 Jahren erreicht.

Christian Meyer (von links), Andreas Roloff und Anke Fahrenholz haben die Eibe feierlich zum Nationalerbe-Baum ausgerufen.
Am Freitag auch vor Ort war Andreas Roloff. Er ist Leiter des Kuratoriums Nationalerbe-Bäume und Fachreferent für Parks, Gärten und städtisches Grün im Rat der DDG. Außerdem ist er Seniorprofessor für Forschung und Wissenstransfer zur Baumbiologie am Institut für Forstbotanik und Forstzoologie der TU Dresden. Er war es auch, der den Baum in Thedinghausen entdeckt und sein Alter bestimmt hatte. "Dass es den Baum gibt, war uns schon vorher bekannt, er steht direkt am Erbhof und ist öffentlich zugänglich, das Alter war uns aber neu", sagte Anke Fahrenholz. Roloff hatte den Baum auch eher zufällig entdeckt. Er kommt ursprünglich aus Bremen und hatte den Baum bei einem Besuch in Thedinghausen gesehen.
Kriterien müssen erfüllt werden
Bislang hat das Gremium 30 alte Baumriesen in Deutschland als Kandidaten ausgewählt. Mit dem Baum in Thedinghausen sind jetzt 28 offiziell als Nationalerbe-Bäume ausgerufen worden. Die Thedinghäuser Eibe ist aus Sicht von Andreas Roloff deutschlandweit so einmalig und besonders, dass sie nun in diesen auserwählten Kreis ist der Nationalerbe-Bäume aufgenommen wurde. "Übrigens ist sie deutschlandweit die dickste Eibe, die öffentlich zugänglich ist", sagte er. Das Exemplar in Thedinghausen hat einen Stammumfang von 4,82 Metern (in 1,3 Metern Stammhöhe gemessen) und eine Höhe von rund 14 Metern. "Wir wollen zeigen, dass Bäume 1000 Jahre und älter werden können. Das ist unter anderem ein Ziel des Kuratoriums", sagte Roloff.
Aber nicht jeder Baum kann auch Nationalerbe-Baum werden. Infrage kommen dafür nur Bäume, die schon einen Stammumfang von mindestens 400 Zentimetern aufweisen und möglichst über 400 Jahre alt sind (was nicht unbedingt zutreffen muss, auch da man das Alter oft gar nicht genau weiß). Sie müssen zu Baumarten gehören, die in Deutschland deutlich über 500 Jahre alt werden können. Dazu gehören untere anderem Eibe, Stiel-/Trauben-Eiche, Ginkgo, Esskastanie, Sommer-/Winterlinde, Platane, Riesenmammutbaum und Flatter-Ulme.
Weitere Informationen zur Eibe in Thedinghausen und zum Projekt Nationalerbe-Bäume gibt es unter www.nationalerbe-baeume.de.