Die Geflüchtetenaufnahme ist für die Kommunen und speziell für die Landkreise als Aufnahmebehörde schon lange kein Krisenphänomen mehr. Vielmehr sei es zur dauernden Aufgabe geworden, kritisierte Landrat Peter Bohlmann Anfang des Jahres im Kreistag (wir berichteten). Trotzdem sieht der Verwaltungschef in der erfolgreichen Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt eine Chance, "den Fachkräftemangel zu mildern und die Sozialsysteme zu sichern". Ein neues Integrationskonzept soll nun die bisherige Arbeit aller Beteiligten im Kreis Verden abbilden und als Leitfaden für die nächsten zehn Jahre dienen.
Warum ist das Konzept überhaupt notwendig?
Das kommunale Handlungskonzept für Migration und Teilhabe soll den Grundstein für ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Integrationsmanagement im Kreis Verden legen. Es bildet den aktuellen Stand in verschiedenen Themenbereichen ab, gibt Handlungsimpulse und Ideen für die unterschiedlichen Akteure. Erstellt wurde das Konzept federführend von der Koordinierungsstelle "Migration, Teilhabe, Integration und Sprache".
Wie viele Migranten leben im Kreis Verden?
Ende 2022 lebten insgesamt 140.913 Menschen im Landkreis Verden. Davon hatten 13.958 Einwohner eine ausländische Staatsangehörigkeit – was etwa zehn Prozent der Bevölkerung entspricht. Dieser Anteil liegt deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt, heißt es im Konzept, das sich auf das Statistische Bundesamt beruft. Die fünf häufigsten Herkunftsländer waren demnach die Ukraine (1730), die Türkei (1700), Polen (1455), Syrien (1275) und Rumänien (910).
Wie gut ist der Landkreis beim Thema Integration bisher aufgestellt?
Der Landkreis verfügt über ein breites Netzwerk an verschiedenen Akteuren und Ämtern. Dazu zählen neben den unterschiedlichen Fachdiensten der Kreisverwaltung und Kommunen, die Integrationsbeauftragten und koordinierenden Stellen in den Städten und Gemeinden, das Welcome Center und Team Migration der Arbeit im Landkreis Verden (ALV), Beratungsstellen und Wohlfahrtsverbände, Bildungsträger und Schulen sowie zahlreiche ehrenamtliche Initiativen. "Viele Menschen bei uns im Landkreis Verden engagieren sich, zum Teil schon seit Jahren, haupt- oder ehrenamtlich in den unterschiedlichsten Bereichen, um Integration zu ermöglichen und ein friedliches und tolerantes Miteinander zu stärken", freut sich Bohlmann über die Offenheit und Solidarität.
Wie groß das Engagement im Landkreis ist, spiegelt nun auch das Konzept wider. "Die Ehrenamtlichen helfen beim Ausfüllen von Anträgen und Dokumenten, erklären, welche Anlaufstelle zu welchem Anliegen passt, leisten Hausaufgabenhilfe und Fahrdienste, helfen bei der Wohnungssuche, dolmetschen bei Terminen, begleiten zur Behörde und organisieren benötigte Grundausstattung", fassen die Experten aus dem Kreishaus die vielzähligen Aufgaben zusammen. Diese Tätigkeiten und die dadurch entstehende Vertrauensbeziehung würden eine wichtige Ergänzung zu den hauptamtlichen Strukturen im lokalen Integrations-, Beratungs- und Teilhabemanagement bieten.
Wo sieht das Konzept Verbesserungspotenzial?
Für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt sind vor allem gute Deutschkenntnisse entscheidend. "Aktuell gibt es aber nicht genügend Kurse, um den Bedarf zu decken, sodass manchmal lange Wartezeiten entstehen", analysieren die Experten aus dem Kreishaus. Dabei bieten im Bereich Deutsch als Zweitsprache aktuell sogar drei Bildungsträger an verschiedenen Standorten im Landkreis Verden Sprach- und Integrationskurse an. Aufgefangen werden die hohen Bedarfe vor allem durch die ehrenamtlich organisierten Angebote und Sprachcafés an diversen Orten im Landkreis. "Sie können weitere Zielgruppen erreichen, Wartezeiten überbrücken und unterschiedliche Sprachniveaus oft individueller betreuen", so das Fazit. Zudem haben einige allgemein- und berufsbildende Schulen eigene Sprachförderangebote.
Jedoch stehe dieses dringend benötigte Netzwerk aus ehrenamtlichen Personen und Vereinen auf einem fragilen Fundament. "In fast allen Kommunen wird berichtet, dass Ehrenamtliche weniger werden und mit den an sie herangetragenen bürokratischen und zeitaufwendigen Vorgängen oft selbst überfordert sind. Dadurch bleiben weniger Kapazitäten für positive und verbindende Aktivitäten wie Nachbarschaftsfeste oder gemeinsame Ausflüge", heißt es im Konzept. Um zu erreichen, dass Ehrenamtliche motiviert und aktiv bleiben, müsse das Ehrenamt aber auch Spaß bereiten.
Wie soll es nun weitergehen?
Das Integrationskonzept soll als Orientierungsrahmen für die nächsten zehn Jahre dienen und ist der erste systematische Versuch, die noch offenen Aufgaben sowie die bereits gelungenen Projekte der Kreisverwaltung, Kommunen, Ehrenamtlichen und aller Akteure in diesem Themenfeld zu definieren. "Bereits vorhandene gute Ansätze und Maßnahmen können so weiterentwickelt werden und ich hoffe, dass sich weitere Menschen anregen lassen, in der Integrationsarbeit mitzuwirken. Besonders willkommen sind uns hier auch bereits gut integrierte Migrantinnen und Migranten", betont der Landrat. Die Vorhaben in den sechs Arbeits- und Handlungsfeldern werden jeweils im zweiten Quartal des Jahres durch die Koordinierungsstelle evaluiert. Im Jahr 2034 soll das Konzept dann durch ein neues ersetzt werden.