Brigitta Rosenow ist begeistert. "Wenn wir ein Angebot schaffen, wird es genutzt", ist sich die Lemwerderaner Grünen-Politikerin sicher. Natürlich seien die Kosten mit rund 800.000 Euro pro Kilometer hoch, räumte sie am Donnerstagabend im Lemwerderaner Ausschuss für Finanzen und Gemeindeplanung ein. Aber ihrer Meinung nach wird sich eine direkte Radverbindung zwischen der Fährstelle in Lemwerder und dem Stadtzentrum Delmenhorst etablieren.
"Mich überrascht es nicht, dass der Bahndamm die Vorzugsvariante geworden ist", fügte UWL-Vertreter Sven Schröder an. Nachvollziehen konnte er nur nicht, warum das Planungsbüro die ehemalige Bahntrasse nicht bereits zwischen Johannesweg und Tecklenburger Straße in die Machbarkeitsstudie einbezogen hat. Dort ist das Teilstück lediglich als "kleinräumige Variante" vermerkt.
Dass die im Ausschuss vorgestellte Vorzugsvariante vom Fähranleger über die Deichstraße, den Johannesweg und die ehemalige Bahntrasse führen würde, war lange Zeit nicht absehbar. So war die ehemalige Gleislinie zwischen der Hauptstraße in Altenesch und der Gemeindegrenze zu Delmenhorst vor einem Jahr erst nachträglich in die Studie aufgenommen worden.
Mobilitätswandel versus aktueller Nutzung
Andere Ratsmitglieder zeigten sich nicht ganz so begeistert. "Der Knackpunkt sind die hohen Kosten bei wenig Nutzung", merkte CDU-Ratsherr Wolf Rosenhagen an. "In Zeiten von Homeoffice sehe ich da gar keinen Bedarf", ergänzte SPD-Fraktionschef Michael Ruminski. Deutschland strebe einen Mobilitätswandel an: weg vom Auto, hin zum Rad, erwiderte Sabrina Perlitius vom Büro PGV-Alrutz, das im Auftrag des Kommunalverbunds Niedersachsen/Bremen die verkehrsplanerische Prüfung übernommen hat. "Deshalb ist die jetzige Nutzung nicht entscheidend."
Der Kommunalverbund und die ihm angeschlossenen Kommunen wollen Fahrradfahren im Dreieck zwischen Bremen, Delmenhorst und Oldenburg attraktiver machen. Damit der Radverkehr als gleichberechtigte Verkehrsart einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen und klimafreundlichen Mobilität leisten kann, soll in der Region ein gemeindeübergreifendes Radverkehrsnetz für den Alltagsradverkehr entstehen. Darunter verstehen die Verantwortlichen Fahrten zur Ausbildung, zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Naherholung. Das Radverkehrsnetz ist dabei mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu verknüpfen, sodass Umsteigemöglichkeiten bestehen.
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Im Rahmen einer regionalen Machbarkeitsstudie zur verbesserten Erreichbarkeit der Zentren Bremen, Delmenhorst und Oldenburg in der Metropolregion Nordwest ist in den zurückliegenden Monaten der Straßenraum betrachtet worden. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die politische Diskussion.
Lösungsansätze für eine Radvorrangroute
Sabrina Perlitius hat sich federführend mit der rund 14 Kilometer langen, sehr geradlinigen Route D2 zwischen Lemwerder und Delmenhorst befasst, die den Fähranleger, das Gymnasium, sowie Gewerbestandorte – auch in Planung befindliche – in Lemwerder und Delmenhorst anbindet. Am Donnerstagabend stellte sie erste Lösungsansätze vor, wie eine Radvorrangroute umgesetzt werden könnte.
Für den ersten Streckenabschnitt, die Deichstraße zwischen Am Schaart und Johannesweg, empfiehlt die Planerin, eine Fahrradstraße anzulegen. Diese würde auch für den motorisierten Verkehr freigegeben, dem Radverkehr würde aber Vorrang eingeräumt. Der motorisierte Verkehr dürfte sich mit höchstens 30 Kilometern pro Stunde fortbewegen und Radfahrende weder behindern noch gefährden. An Straßeneinmündungen wäre der Radverkehr vorfahrtsberechtigt.
Für den Abschnitt entlang der Tecklenburger Straße avisierte die Planerin für Radfahrende innerorts eine Benutzung der Fahrbahn sowie außerorts einen gemeinsamen Geh- und Radweg. Auf der ehemaligen Bahntrasse sollten dann getrennte Rad- und Fußwege entstehen.
Baukosten in Höhe von 14 Millionen Euro
Die Baukosten betragen für die Gesamtstrecke rund 14 Millionen Euro, teilte Perlitius mit. 6,5 Millionen Euro würden auf Projekte in der Gemeinde Lemwerder entfallen. Wobei die ersten drei Kilometer bis zur Tecklenburger Straße mit vergleichsweise geringen 400.000 Euro zu Buche schlagen. "Ein Großteil der Kosten entfällt auf die Bahntrasse", so die Planerin, die mit dem niedersächsischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (NGVFG) und dem Sonderprogramm des Bundes "Stadt und Land" im selben Atemzug Fördermöglichkeiten nannte. Im besten Fall winke eine Unterstützung in Höhe von 75 Prozent.
Zurzeit sei nur ein Ausschnitt der Potenziale berechenbar, da nur Zahlen über sozialversicherungspflichtig Beschäftigte vorlägen, die zwischen Lemwerder und Delmenhorst pendeln. Die Strecke könne aber auch für Pendelverkehre zwischen Delmenhorst und Vegesack sowie für eine touristische Nutzung bedeutend sein. Perlitius warb dafür, in Höhe der Ortschaft Ochtum zusätzlich eine Anbindung an die Landesstraße 875 zu schaffen. Eine Konkurrenz zum bei Touristen beliebten Weserradweg sah die Planerin nicht.
Der Kommunalverbund hat seinen Auftrag, den Straßenraum verkehrsfachlich zu untersuchen, erfüllt, stellte Kommunalverbunds-Geschäftsführerin Susanne Krebser fest. Flächenbesitz oder Nutzung zu klären, fiel nicht in diesen Rahmen. Damit ist die Politik am Zug.