Mit etwas Glück lassen sich zwischen Deichshausen, Bardewisch und Edenbüttel majestätische Seeadler über die Wiesen gleiten sehen. Im Flug ist der deutsche Wappenvogel mit seiner Körperlänge von rund 90 Zentimetern und einer Flügelspannweite von knapp zweieinhalb Metern unverkennbar. Nachdem er einst fast ausgerottet war, ist der Seeadler in Deutschland wieder heimisch. Im Landkreis Wesermarsch bleibt der Süden die Adlerhochburg.
In diesem Jahr sind aus den Seeadlerhorsten in Deichshausen, in Neuenhuntorf und in Neuenfelde bei Elsfleth Jungadler ausgeflogen, berichtet Franz-Otto Müller, der die Adlerpaare in der Wesermarsch im Blick hat. Er ist Regionalbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz Niedersachsen. Aktuell gibt es sechs Paare im Landkreis.
Erstes Adlerpaar war Sensation
Seit zehn Jahren brüten Seeadler im Landkreis zwischen Nordsee und Ochtum, Weser und Jade. Zuvor war Europas größter Greifvogel über Jahrzehnte an der Nordseeküste nicht mehr heimisch gewesen. Das erste Adlerpaar zog seine Jungen im Elsflether Ortsteil Neuenfelde auf. Seeadler in der Wesermarsch – das war seinerzeit eine Sensation.
Weitere Paare kamen in den folgenden Jahren hinzu, zunächst im Lemwerderaner Ortsteil Deichshausen, dann in Neuenhuntorf in der Gemeinde Berne. In diesem Jahr waren es dann schon sechs Paare. Aus vier Horsten flogen Jungadler aus. Gleich drei Jungvögel waren es in Neuenhuntorf. Das sei umso erfreulicher, weil das Paar in den beiden Jahren zuvor kein Brutglück hatte, stellt Müller fest.
Intensive Schutzbemühungen in Neuenhuntorf
Im Berner Ortsteil Neuenhuntorf machen sich die intensiven Schutzbemühungen bemerkbar, die der Regionalbeauftragte der Arbeitsgemeinschaft Adlerschutz anstößt und koordiniert. Der Adlerhorst in der Nähe der Hunte ist umgeben von Äckern. Franz-Otto Müller hat die Landwirte, die die Flächen in der Umgebung des Horstes nutzen, dazu bewegen können, zu Beginn der Brutzeit, wenn die Adler besonders empfindlich gegenüber Störungen sind, die Äcker nicht mit Maschinen zu befahren. Der Erfolg waren nun die drei Jungadler.
Zwei weitere Greifvögel sind in Neuenfelde flügge geworden, dem ältesten Adlerhorst in der Wesermarsch. Zwei waren es auch in Deichshausen. Erstmals haben in diesem Jahr Seeadler auf der Strohauser Plate erfolgreich gebrütet. Ein Jungadler ist ausgeflogen. Gescheitert ist dagegen die Brut bei Schweewarden in Nordenham. Ein Junges war geschlüpft, doch es kam nicht durch. Franz-Otto Müller vermutet, dass Krähen die Adler gestört und das Junge geräubert haben.
Krähen stellen Gefahr dar
Krähen mögen keine Greifvögel. Sie attackieren sie, wo sie es einigermaßen gefahrlos tun können. Selbst vor großen Adlern schrecken sie nicht zurück. „Wahrscheinlich haben sie die Altvögel so lange genervt, bis diese das Nest verlassen haben. Dann haben sich andere Krähen das Junge geschnappt“, vermutet Franz-Otto Müller. „Es dauert eben, bis die Brutpaare so erfahren sind, dass sie ihre Jungen groß bekommen“, weiß der Regionalbeauftragte. Er hat das in der Wesermarsch immer wieder beobachten können.
Erfahrenen Adlern passiere das nicht, betont Müller und weist dabei auf die erfolgreichen Brutpaare im Süden des Landkreises hin. Die lassen sich nicht aufschrecken. Jungen Adlereltern fehle diese Erfahrung und Souveränität dagegen noch.
Ein sechstes Paar hat es in Schweierzoll in der Nähe des Jadebusens versucht. Diese Adler haben ein Nest gebaut, dann aber nicht gebrütet. Das Männchen ist ein besenderter Adler, der nach einer schweren Verletzung wieder ausgewildert wurde. Auch im unmittelbaren Umfeld der Wesermarsch sind Jungadler herangewachsen. So sind in Hohelucht im Landkreis Friesland, nur wenige Kilometer nördlich von Jaderberg, zwei Jungadler ausgeflogen.
Niedersächsischer Bestand wächst
Seit Jahren hält der positive Trend bei der Entwicklung des Seeadlerbestandes an. Die Kurve zeigt in Niedersachsen seit dem Jahr 2000 nach oben. Im vergangenen Jahr brüteten Adler bereits in 27 Landkreisen und kreisfreien Städten. 97 Revierpaare wurden gezählt. 52 Paare zogen erfolgreich Junge auf.
Aus Westdeutschland waren Seeadler als Folge von Bejagung und des Insektengifts DDT bis auf wenige Restpaare in Schleswig-Holstein verschwunden. Das Insektizid führte beim Seeadler zu dünnen Eierschalen, die während der Brut zerbrachen. Die Wiederbesiedlung erfolgte von Osten. Die Ausbreitung Richtung Westen, Norden und Süden hält bis heute an.
Nahrung finden die Seeadler in der Wesermarsch ebenso reichlich wie in den meisten anderen norddeutschen Landkreisen: Aas, Wasservögel, Bisam, Nutria. Die Ausbreitung des größten Adlers Europas dürfte in der Wesermarsch samit noch nicht abgeschlossen zu sein.