Im Frühjahr haben Hebammen bundesweit demonstriert, um auf ihre prekären Arbeitsbedingungen hinzuweisen. Die Bundespolitik hat inzwischen Vorschläge erarbeitet. Den Hebammen-Vertreterinnen in Niedersachsen und Bremen gehen die allerdings nicht weit genug.
An der angespannten Situation der Hebammen hat sich trotz großer Bemühungen der Frauen und Beteuerungen der Politik offenbar nichts geändert. „Viele Kolleginnen bangen um ihre Existenz“, sagt Ursula Fietz, erste Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Niedersachsen. Auch Heike Schiffling, die die Belange der Hebammen in Bremen vertritt, ist ratlos: „Wir haben demonstriert, wir waren vor dem Petitionsausschuss. Ich weiß nicht, was wir noch machen sollen.“
Die Ursachen für die schwierige Situation der Hebammen sind vielschichtig. Das am meisten diskutierte Problem ist die Berufshaftpflichtversicherung, die jede Hebamme abschließen muss. Seit Jahren steigen die Beiträge. Zum 1. Juli 2014 wurden sie um 20 Prozent auf 5091 Euro im Jahr erhöht. Kurz darauf kam die Ankündigung, dass die Prämie Mitte 2015 um weitere 20 Prozent steigen wird. Grund dafür sind die hohen Regressforderungen, wenn eine Hebamme einen schweren Fehler bei der Geburt macht und das Kind lebenslange Schäden davonträgt. Sechs Millionen Euro und mehr seien betroffenen Eltern zugesprochen worden, sagt Nina Martin vom Bundesverband der Hebammen (DHV).
Die hohen Prämien treffen in erster Linie freiberufliche Hebammen, die auch Geburtshilfe leisten. Bundesweit sind das schätzungsweise 3500 der insgesamt 21 000 Hebammen. „Sie wissen nicht, wie sie das Geld für die Versicherung aufbringen sollen“, sagt Fietz. Bei einem Netto-Stundenlohn von 8,50 Euro, wie ihn der DHV errechnet hat, müssen die Frauen allein für die Haftpflichtprämie 22 Geburten betreuen. Hart ist das für Geburtshelferinnen, die nur halbtags oder in Teilzeit tätig sind, denn jede muss den gleichen Betrag zahlen, egal wie viel sie arbeitet. Auch Hebammen auf dem Land haben es schwer, genügend Geburten begleiten zu können, weil immer weniger Kinder geboren werden.
Zu Ausgleich verpflichtet
Um die prekäre Lage der Geburtshelferinnen zu entspannen, hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Krankenkassen im Sommer dieses Jahres gesetzlich dazu verpflichtet, den Hebammen einen Ausgleich zu zahlen. Ab dem 1. Juli 2015 soll dann ein Sicherstellungszuschlag die Kosten für diejenigen abfedern, die nur wenige Geburten betreuen. Doch die Höhe sei noch gar nicht ausgehandelt, sagt Fietz.
Für die Hebammen sind das alles keine langfristigen Lösungen. Um die zu finden, hat Gröhe eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt. Ein Gesetzesentwurf ist so gut wie fertig und soll im Dezember vorgestellt werden. Noch ist er nicht öffentlich. Doch aus dem Ministerium heißt es, dass die Regressforderungen im Schadensfall auf eine bestimmte Summe begrenzt werden könnten. Für die Versicherungen würde das mehr Planbarkeit bedeuten und es könnte den Markt für neue Anbieter attraktiver machen.
Die Hebammenverbände sehen hier allerdings einen Haken. Zwar treten auch sie für eine Deckelung der Regressforderungen ein. Gleichzeitig wollen sie aber gesichert sehen, dass alles, was den Eltern unter Umständen gerichtlich über den Deckelungsbetrag hinaus an Schadensersatz zugesprochen wird, aus einem staatlichen Fonds bezahlt wird. Solche Modelle gebe es ja auch für Atomkraftwerke oder Impfschäden, sagt Heike Schiffling: „Warum kann der Staat nicht auch hier einspringen? Damit wäre allen geholfen.“
Für die niedersächsische Hebammen-Vertreterin Fietz nimmt die Diskussion allerdings eine falsche Richtung: Sie stört die Konzentration auf die Haftpflichtproblematik. Dies sei natürlich wichtig, betreffe aber nur die Hebammen, die freiberuflich Geburtshilfe betrieben. Viel gravierender findet sie, dass Hebammen, die nicht selbst bei Entbindungen dabei sind, sondern Vor- und Nachsorge anbieten, nicht ausreichend unterstützt werden.
Die müssten zwar deutlich weniger Versicherungsbeiträge bezahlen (circa 580 Euro im Jahr), erzielten aber auch weniger Einkommen. Trotzdem sähen auch sie sich mit steigenden Mieten, Benzinpreisen und anderen Betriebskosten konfrontiert. Eine Betriebskostenhilfe gebe es für sie nicht. Fietz sieht die Hausbetreuung in Gefahr. Die Politik hat sich mit diesem Teil des Problems noch gar nicht befasst. Die Folgen sind aber jetzt schon spürbar. Viele Frauen fänden keine Hebamme mehr für die Nachsorge, sagt Fietz. „Die Mütter sind drei Tage im Krankenhaus und dann auf sich allein gestellt. “
Hinzu kommt, dass die Wahlfreiheit immer stärker eingeschränkt wird: In Bremerhaven gibt es zum Beispiel nur noch eine Klinik, in der Frauen entbinden können. Das letzte Geburtshaus ist geschlossen, Hausgeburten werden auch nicht mehr angeboten. „Wir haben ein großes Nachwuchsproblem“, sagt die Bremerin Schiffling. Unter diesen Arbeitsbedingungen sei es schwierig, junge Frauen für den Beruf zu begeistern. In den Kliniken würden Hebammen daher händeringend gesucht.
Indessen reißen die Schreckensmeldungen für die Hebammen nicht ab: Im Oktober kündigte das Klinikum Nordstadt in Hannover an, seinen Kreißsaal zu schließen. Was mit der dem Klinikum angeschlossen Hebammenschule passieren soll, weiß bisher noch niemand. Nur eines scheint im Moment sicher für die Hebammen – die Unsicherheit.