Entscheiden Wetterkapriolen die Landtagswahl? Der relativ regenreiche September und die zunehmende Angst vor kalten Wohnungen im Winter haben die Sorgen der Niedersachsen erheblich verschoben. Nach dem Dürre-Sommer und 40-Grad-Hitzetagen war der Klimaschutz im August in der Rangliste der größten Probleme noch vor den Preissteigerungen und der Energieversorgung auf Platz eins gelandet. Jetzt liegt die rasende Inflation im aktuellen Niedersachsen-Check der niedersächsischen Tageszeitungen wieder vorn, und zwar mit deutlichem Abstand. 44 Prozent der Befragten nennen die steigenden Preise als eine ihrer Hauptsorgen. Danach folgen die Energieversorgung mit 34 Prozent und der Klimawandel mit nur noch 17 Prozent nach 32 Prozent im August.
Die Corona-Pandemie, die im März noch mit 46 Prozent die Hauptsorge ausmachte, landet nun hinter der Bildung (16 Prozent) gemeinsam mit dem Verkehr auf Platz vier, nämlich mit zwölf Prozent. Der russische Krieg gegen die Ukraine spielt in der Umfrage, in der Mehrfachnennungen möglich waren, mit nur noch sieben Prozent eine eher untergeordnete Rolle. Bei AfD-Anhängern löst der Bruch des Völkerrechts durch Diktator Putin mit gerade mal zwei Prozent wie auch der Klimaschutz mit drei Prozent kaum Sorgen aus. Dafür nennen die AfD-Anhänger mit 32 Prozent Politiker und mit 25 Prozent Migranten als ihre Hauptprobleme. Genau umgekehrt ist es bei den Grünen-Anhängern: Der Klimawandel steht mit 35 Prozent weit oben, während Flüchtlinge mit fünf Prozent und Politiker mit drei Prozent nicht zu ihren Sorgenkindern zählen.
Weitgehende Einigkeit zwischen den Lagern besteht hingegen im Unmut über die Versäumnisse der Landesregierung in der Schulpolitik. 54 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass sich die Gesamtsituation gegenüber 2017 verschlechtert hat, nur fünf Prozent sehen eine Verbesserung. Gar 85 Prozent der Wahlberechtigten fordern, dass dringend mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssten. Eine technische Modernisierung etwa durch digitale Endgeräte wollen 67 Prozent, mehr Investitionen in Schulgebäude 65 Prozent. Bei Befragten mit Kindern im Haushalt liegen diese Werte jeweils um einige Punkte höher.
Auch hier bei dringlichsten Anforderungen für die Schulen konnten die Teilnehmer der Umfrage mehrere Antworten geben. So verlangen 41 Prozent eine bessere Ausbildung für Lehrkräfte, 38 Prozent mehr Unterstützung bei der Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien sowie 32 Prozent mehr Unterstützung bei der Inklusion von Schülern mit einer Behinderung. Bei den beiden letzten Punkten weichen die AfD-Anhänger deutlich von den Wählern der anderen Parteien ab. Mehr Hilfen für Migrantenkinder wollen nur zehn Prozent, mehr Hilfen für Schüler mit Handicap nur 19 Prozent.
Dürftiges Zeugnis für die Regierung
Angesichts vieler weiterer Unzufriedenheiten etwa bei der Betreuung in Kindergärten, dem Nahverkehr auf dem Land oder auch beim Katastrophenschutz wundert das relativ dürftige Zeugnis für die rot-schwarze Landesregierung unter Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nicht. Nur 37 Prozent sind der Meinung, dass sich Niedersachsen in den zurückliegenden fünf Jahren „eher zum Besseren“ entwickelt habe. 30 Prozent sagen explizit das Gegenteil, 33 Prozent haben keine klare Meinung dazu. Bei SPD-Anhängern besitzt der Amtsinhaber einen kräftigen Bonus, 84 Prozent sehen eine Verbesserung der Gesamtsituation.
Bemerkenswert: Bei den Anhängern der mitregierenden CDU finden nur 22 Prozent, dass sich das Land zum Besseren entwickelt habe. 45 Prozent sagen trotz ihres Vize-Ministerpräsidenten Bernd Althusmann und vier weiterer von der Union gestellten Kabinettsmitglieder das glatte Gegenteil. Nur die Kritik der AfD-Anhänger fällt mit 89 Prozent noch deftiger aus. Die Wähler der oppositionellen Grünen bescheinigen der Weil-Regierung dagegen mit deutlichen 50 Prozent, dass sie die Lage im Land verbessert habe. Angesichts solcher Werte erscheint es dann auch konsequent, dass sich eine relativ deutliche Mehrheit der Wähler nach der Wahl eine rot-grüne Koalition wünscht.
Weil schneidet besser als Scholz ab
Mit seinen gesunkenen, mit nur 44 Prozent eher mauen Zustimmungswerten für seine Landesregierung schneidet Ministerpräsident Weil aber immer noch besser als sein Parteifreund und Bundeskanzler Olaf Scholz ab. Mit der Arbeit der Ampel in Berlin zeigen sich nur noch 35 Prozent der Niedersachsen zufrieden; 62 Prozent sind dagegen unzufrieden. Im März war der Saldo der Scholz-Regierung mit 54 zu 43 Prozent noch positiv. Bei den SPD-Anhängern ist dies jetzt im September mit 66 zu 34 Prozent zwar immer noch der Fall, aber diese Werte liegen weit unter denen der Weil-Regierung.
Auch die Grünen-Wähler stellen ihrer Bundesregierung mit 67 zu 32 Prozent ein gutes Zwischenzeugnis aus. Die FDP-Anhänger fremdeln dagegen erheblich mit der Ampel-Beteiligung der Liberalen: Nur 30 Prozent sind mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden, 70 Prozent sind es aber nicht. Dass diese Werte bei den Anhängern der Oppositionsparteien im Bundestag noch schlechter ausfallen, ist keine Überraschung: Bei der CDU sind es 15 zu 84 Prozent, bei der AfD sogar null zu 100 Prozent.
Die unterschiedlichen Blicke der Niedersachsen auf Bund und Land können den hiesigen Amtsinhaber nach Ansicht der Wahlforscher hoffen lassen. „Die SPD im Land mit Ministerpräsident Weil verfügt insofern immer noch über einen klaren Bonus im Vergleich zur SPD auf Bundesebene“, schreiben die Forsa-Experten. „Dieser Landesbonus könnte letztendlich dafür sorgen, dass die SPD auch am Abend des 9. Oktober wie bisher stärkste politische Kraft im Land bleibt und die nächste Landesregierung bilden kann.“ Das letzte Wort haben allerdings die Wählerinnen und Wähler.