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EU-Parlament berät Spielzeug-Richtlinie Der getarnte Spion im Kinderzimmer

Fast jedes fünfte in der EU als gefährlich identifizierte Produkt ist im vergangenen Jahr ein Spielzeug gewesen. Deshalb will das Europäische Parlament eine Überarbeitung der Spielzeug-Richtlinie beraten.
14.02.2022, 17:49 Uhr
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Von Katrin Pribyl

Cayla mit ihren großen blauen Augen und den blonden Haaren sollte die neue Freundin von unzähligen Kindern werden. Doch die sprechende Puppe erwies sich als nicht so harmlos wie sie aussah. Stattdessen wurde das Modell vor wenigen Jahren von den Behörden aus dem Handel gezogen. Denn Cayla entpuppte sich als Spionin. Eltern, deren Töchter und Söhne bereits damit spielten, wurden angewiesen, das Modell zu zerstören oder zumindest auszuweiden. Es gilt als strafbar, eine getarnte Abhöranlage zu besitzen. Denn alles, was das Mikrofon des Spielzeugs erfasste, konnte auch weitergesendet werden. Daten wurden kabellos ans Smartphone übertragen. Nun liegt Cayla zwar nicht mehr in den Verkaufsregalen, doch sie stellte keineswegs einen Einzelfall dar. Mittlerweile stecken in vielen Spielwaren ausgefeilte Mikrochips und Technologien, die es Kindern ermöglichen, mit den Figuren zu sprechen, sie fernzusteuern oder mithilfe von Apps zu bedienen. Die Möglichkeiten von vernetztem Spielzeug sind groß – genauso wie die Gefahren. Deshalb will die EU ihre bestehenden Vorschriften und Maßnahmen zur Marktüberwachung verschärfen.

Auch Produkte aus Nicht-EU-Ländern berücksichtigen

Die Sicherheit aller in der Staatengemeinschaft verkauften Produkte, auch wenn sie aus Nicht-EU-Ländern kommen, soll gewährleistet werden, wie es vonseiten der Kommission vor einigen Wochen hieß, als sie eine Überarbeitung der Spielzeug-Richtlinie ankündigte. Diese ist 13 Jahre alt und wurde zwar seitdem 14 Mal ergänzt, doch weist Kritikern zufolge erhebliche Lücken auf. „2009 war noch eine andere Welt“, sagt der SPD-Europaparlamentarier René Repasi. Von künstlicher Intelligenz in Plüschtieren, Puppen oder Plastikpferden war damals nicht die Rede. Am Dienstag, 15. Februar, debattiert das EU-Parlament deshalb über einen Initiativbericht, der als Grundlage und Wegweiser für den Gesetzgebungsvorschlag der Kommission dienen soll. Diesen will die Brüsseler Behörde Ende dieses Jahres oder spätestens Anfang nächsten Jahres vorlegen.

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Neben den sogenannten Smart-Toys sind es vor allem gefährliche Chemikalien, vor denen Kinder geschützt werden sollen. Spielwaren stehen ganz oben auf der Liste des europäischen Schnellwarnsystems. So handelte es sich 2020 bei 27 Prozent der Produkte, bei denen die EU-Behörden Alarm schlugen, um Spielzeug. Es war die am häufigsten gemeldete Kategorie des europaweiten Sündenregisters. Vergangenes Jahr war es fast jedes fünfte. Deshalb brauche man etwa schnelle Anpassungen von chemischen Grenzwerten, weil sich die Zusammensetzung der Stoffe verändere, so die Europaabgeordnete Marion Walsmann (CDU).

Laut der Grünen-Politikerin Katrin Langensiepen müsse auch die Altersgrenze verändert werden. „Viele Grenzwerte von Chemikalien gelten nur bei Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten und für Spielzeug, das dazu bestimmt ist, in den Mund genommen zu werden“, so die Europaparlamentarierin. „Die Giftigkeit einer Chemikalie verschwindet aber nicht, wenn ein Kind 36 Monate alt ist.“

Einkauf im Internet

Zudem will man der Tatsache Rechnung tragen, dass heute zahlreiche Menschen im Internet einkaufen. Und dort findet der Kunde eben nicht nur manchmal sehr günstige Alternativen zu den Waren im Fachgeschäft, etwa aus China, sondern mitunter auch gefährliche. „Der Praxis, dass viele Spielzeuge, die giftige oder schädliche Chemikalien enthalten, aus Drittstaaten größtenteils über Online-Marktplätze direkt in unsere Kinderzimmer gelangen, muss man einen Riegel vorschieben“, so Walsmann. Wenn solche Drittländer-Produkte auf den europäischen Binnenmarkt gelangen, „helfen uns die besten Standards nichts“, moniert auch Repasi. Seiner Meinung nach gebe es ein „riesiges Aufsichtsproblem“. Denn es sind die Mitgliedstaaten – in Deutschland ist es sogar Ländersache – die für die Durchsetzung der Regeln zuständig sind. Die seien jedoch oft „schlecht ausgerüstet“. Hier fordern die europäischen Abgeordneten eine verbesserte Ausstattung sowie Austausch. Zum anderen kritisieren die Europapolitiker, dass die Verantwortung größtenteils bei den Behörden liegt. „Die Online-Marktplätze müssen mehr dazu beitragen, die schwarzen Schafe aus dem Verkehr zu ziehen, sodass die Einfuhr von unsicherem Spielzeug wirksamer unterbunden werden kann“, fordert CDU-Politikerin Walsmann. Wie nämlich sieht es beispielsweise mit der Haftung aus? Zwar packt der Digital Services Act (DSA), ein Gesetz über digitale Dienste, die Fragen zum Teil an, weil mit den voraussichtlich ab 2023 geltenden Vorschriften die Online-Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden. Verbraucherschutzregelungen gelten dann genauso im digitalen wie im analogen Bereich. Doch die Spielzeug-Richtlinie berührt deutlich mehr Felder.

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