Ron DeSantis hat eines in seiner kurzen politischen Laufbahn schon häufig gehört. Er verkörpere die Zukunft der Republikaner. Niemand sonst in der Partei vertrete so selbstverständlich die Grundpfeiler des „Trumpismus“, wie der raubeinige Gouverneur aus dem Sonnenstaat. Und kein Zweiter sei so sehr in Welt verwurzelt, aus der auch viele der wütenden Anhänger des Ex-Präsidenten stammen. Anders als der bombastische Reality-TV-Showman spricht DeSantis in ganzen Sätzen, interessiert sich für Details und arbeitet diszipliniert. Viele sehen in dem jungen Politiker mit dem buschigen Haar einen „Trump mit Gehirn“, der die weit nach rechts gerückte Partei nicht ständig blamiert.
Längst glaubt der 2018 mit gerade einmal 39 Jahren an die Spitze Floridas gewählte Gouverneur, dass er nicht nur die Zukunft der Republikaner, sondern Amerikas ist. Stünde ihm nicht Donald Trump im Weg, sehen Umfragen DeSantis als Favorit in dem Feld möglicher Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur 2024. Einer von vier Republikaner würde ihm bei den Vorwahlen seine Stimme geben. Damit liegt er mit Abstand vor dem ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence, dem ehemaligen Außenminister Mike Pompeo oder Nikki Haley aus South Carolina oder Tom Cotton aus Arkansas.
Trump verfolgt den Aufstieg seines Zöglings mit Argusaugen und wachsendem Ärger. Während andere Republikaner in seine Strandvilla von Mar-a-Lago in Palm Beach pilgern, um ihre Ergebenheit zu demonstrieren, lehnt es DeSantis ab, den Ring des Parteiführers zu küssen. Politstrategen interpretieren das als Teil des delikaten Machtspiels des Gouverneurs, der damit Unabhängigkeit demonstriert, ohne den rachsüchtigen Narzissten zu provozieren.
DeSantis hat Abstand zu Trump in Umfragen deutlich verringert
Doch der hat die Lunte längst gerochen. Trump stört die als Undank empfundene Indifferenz eines Mannes, dem er 2018 durch seine Unterstützung mit zum Erfolg verholfen hatte. „Ich habe mit ihm nicht darüber gesprochen, ob er antritt“, sagte der Ex-Präsident kürzlich einem Reporter des „New Yorkers“. Aber er glaube nicht, „dass er gewinnen würde“. Tatsächlich befürchtet die Trump-Welt genau das.
Der Ex-Präsident führt zwar weiterhin alle Umfragen an, doch der Abstand zu DeSantis hat sich spürbar verringert. Er spürt den Atem seines potenziellen Herausforderers im Nacken. Seine Berater suchen deshalb nach Wegen, den ehrgeizigen Gouverneur abzuhängen. „Sie hassen ihn“, zitiert das Magazin einen Berater.
Das war der Hintergrund der öffentlichen Spekulationen über die frühzeitige Ankündigung einer Kandidatur Trumps. Dahinter steckt die Idee, DeSantis auszubremsen, der sich auch deshalb bedeckt halten muss, weil er im November zur Wiederwahl ansteht. Obwohl der die Umfragen in Florida bisher souverän anführt, darf er nicht den Eindruck erwecken, das Gouverneursamt in dem wichtigen Wechselwähler-Staat sei nur ein Sprungbrett für ihn.
Indirekt hat das auch mit dem Effekt der Anhörungen zum 6. Januar zu tun, die bei den einflussreichen Großspendern zu Absetzbewegungen geführt hat. „Die Geldgeber sind an etwas Neuem interessiert“, lässt sich Dan Eberhart zitieren, der zu einer Gruppe von 150 republikanischen Spendern gehört, die untereinander über ihre Präferenzen in Kontakt stehen. Dort hätte sich im vergangenen halben Jahr die Stimmung umgedreht. Heute setzten zwei von drei Sponsoren auf DeSantis. „Er ist einfacher zu verteidigen, weniger leicht zu blamieren und hat Momentum“.
Ron DeSantis macht Mangel an Charisma mit Chuzpe wett
Seinen Mangel an Charisma macht der spröde Redner mit Chuzpe wett. Mit kühler Präzision hat er als Gouverneur dafür gesorgt, dass er in Florida an vorderster Front des Kulturkriegs mit dem liberalen Amerika steht. Er unterzeichnete provokante Gesetze, die nach Ansicht von Experten oft weder eine faktische Basis noch die Aussicht auf rechtliche Durchsetzbarkeit hatten, DeSantis aber Sendezeit auf Fox-News und in den Echokammern der Rechten sicherten.
Mit großer Fanfare unterschrieb er ein Gesetz, dass es Lehrern bis zur vierten Klasse verbietet, Schüler über sexuelle Orientierung und Gendern zu unterrichten. Kurz darauf legte er sich mit Disney, dem größten Arbeitgeber in Florida, zum selben Thema an. DeSantis unterstützte strikte Einschränkungen beim Abtreibungsrecht und schuf eine „Wahlpolizei“, die tatsächlich nicht vorhandene Probleme beim Wählen verfolgen sollte.

Ron DeSantis im November 2018 bei der Siegesfeier nach der Wahl für das Amt des Gouverneurs neben seiner Frau Casey.
Besonders stolz ist er auf seinen lockeren Covid-Kurs, der schon früh das Tragen von Masken unterband und alle Restriktionen für Unternehmen beendete. Er nahm dafür höhere Infektions- und Todeszahlen in Kauf, was ihm den Spitznamen „DeathSantis“ eintrug. Bei seinen Anhängern trug ihm die Bereitschaft, den direkten Konflikt zu suchen, Bewunderung ein.
Sein Vater erzählt, dass die Sturheit seines Sohnes eine Charaktereigenschaft sei, die ihn von Kindesbeinen an geprägt habe. „Wenn er sich was vorgenommen hat, macht er es“. Deshalb schaffte er den Aufstieg aus kleinen Verhältnissen in der Nachbarschaft von Dunedin in der Nähe der Hafenstadt Tampa an der Westküste Floridas. Es machte ihn aber auch zum Einzelgänger und Streber, der sich mit einer nahezu perfekten Punktzahl beim SAT-Zulassungstest zur Universität ein Stipendium für Yale sicherte.
Studienkollege beschreibt DeSantis als egoistisch
Er habe niemanden getroffen, der so egoistisch sei wie Ron, erinnert sich ein früherer Studienkollege. DeSantis studierte an der Harvard Law School, derselben Fakultät wie Barack Obama Rechtswissenschaften, meldete sich dann freiwillig für Irak, wo er den Navy SEALs Eliteeinheiten die Regeln des Kriegsrechts erklärte, und arbeitet später als Militärjurist in Guantanamo.
Zurück in Florida heiratete er die TV-Journalistin Casey Black und trat als republikanischer Kandidat für den sechsten Kongressbezirk nahe Jacksonville an. „Meine Mission bestand darin, Obama zu stoppen“, beschrieb DeSantis seine Motivation, in die Politik einzusteigen. Im Repräsentantenhaus versuchte er als einer der Mitbegründer des libertären „Freedom Caucus“ weit rechts stehender Abgeordneter genau das. Bei den Versuchen, die US-Regierung lahmzulegen, beteiligte er sich an vorderster Front.
DeSantis gilt im persönlichen Umgang als schwierig. Leute, die mit ihm zusammengearbeitet haben, sagen, er zeige wenig Neugierde und Interesse an anderen. Oft vermittelte er den Eindruck, es sei ihm lästig, an Sitzungen oder Besprechungen teilzunehmen. Der Gouverneur sei ausgesprochen unabhängig. Was ihn für Trump zu einer echten Gefahr macht, weil er keinen Kotau vor ihm macht.
Diese Eigenschaft mache DeSantis aber auch zu einer Bedrohung für die amerikanische Demokratie, warnt der ehemalige Parteichef der Republikaner, Michael Steele. „Wer ist der bessere Dieb“, fragt Steele. Der das Fenster brutal einschlage oder der das Schloss knacke? „DeSantis versteht auch noch, das Alarmsystem zu umgehen.“