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Verdun Historischer Handschlag außerhalb des Protokolls

Beim Gedenken war der Verlierer nicht erwünscht: Zur 40-Jahr-Feier der Landung der Alliierten in der Normandie gab es keine Einladung für Bundeskanzler Helmut Kohl 1984 als Vertreter des besiegten Deutschlands. Frankreichs Präsident François Mitterrand sah sich „in einer echten Verlegenheit“.
30.05.2016, 00:00 Uhr
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Beim Gedenken war der Verlierer nicht erwünscht: Zur 40-Jahr-Feier der Landung der Alliierten in der Normandie gab es keine Einladung für Bundeskanzler Helmut Kohl 1984 als Vertreter des besiegten Deutschlands. Frankreichs Präsident François Mitterrand sah sich „in einer echten Verlegenheit“. Große europäische Länder feierten den Sieg über andere große europäische Länder, urteilte er nach Aufzeichnung des Kanzleramts bei einem deutsch-französischen Gipfel im Mai 1984. Europa sei inzwischen aber „völlig anders“.

Beim selben Treffen der beiden Politiker in Saarbrücken sprach Kohl von „einer Idee für den Herbst“, wie es im internen Vermerk von damals heißt: „Könnten nicht der Präsident und er einmal beide auf einem Soldatenfriedhof auftreten?“ Es gebe Friedhöfe, auf denen Deutsche und Franzosen beerdigt seien. Mit Mitterrands sofortiger Zusage war der Grundstein für das Treffen in Verdun gelegt. Während der Zeremonie am 22. September 1984 standen Kohl und Mitterrand etwa einen Meter voneinander entfernt vor dem Beinhaus von Douaumont bei Verdun, in dem die Überreste von etwa 130 000 nicht identifizierten französischen und deutschen Soldaten aufbewahrt werden. Mit dem Ende des Deutschlandlieds ist eine leichte Lippen- und Kopfbewegung bei Mitterrand zu erkennen, dann folgt in der einzigen historischen Filmaufnahme ein Zwischenschnitt. Als die beiden wieder zu sehen sind, stehen sie bereits Hand in Hand.

Der Fotograf Frédéric de la Mure hat den historischen Moment festgehalten: „Ich war natürlich überrascht von diesem Handschlag.“ Er habe das nicht gleich analysieren können. „Ich habe diesen Moment durch den Filter meines Fotoapparats erlebt.“ Ihm sei nicht bewusst gewesen, „dass ich ein historisches Foto machte“.

Kohl erinnerte sich später: „Die Geste mit der Hand war nicht abgesprochen, sondern es ist in der Situation entstanden und ging von ihm aus.“ Mitterrand sah es ähnlich: „Das war eine spontane Geste. Ich glaube, ich habe Kanzler Kohl ein Zeichen gegeben, aber weil er sofort meine Hand nahm, denke ich, dass diese Idee uns im selben Moment durch den Kopf ging.“

Die Geste dauerte eine Marseillaise lang. Während der französischen Nationalhymne ließen beide Politiker nicht die Hand des anderen los. „Minutenlang verharrten Präsident und Kanzler barhäuptig Hand in Hand vor dem Mahnmal gegen die Sinnlosigkeit des Krieges“, vermerkte ein interner Bericht des Kanzleramts.

„Die spontane Geste des französischen Präsidenten hatte mich überwältigt“, schrieb Kohl in seinen „Erinnerungen 1982 bis 1990“. Den Moment ließen Mitterrand und Kohl in einer Gedenkplatte vor dem Gebeinhaus festhalten: „Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständigt. Wir sind Freunde geworden.“

Kohls Nachfolgerin Angela Merkel beschrieb 2012 die Folgen dieses Moments: „Er steht bis heute für das wunderbare Geschenk der deutsch-französischen Aussöhnung. Er zeigt: Über den Kriegsgräbern von einst ist unverbrüchliche Freundschaft gewachsen.“ Der Fotograf de la Mure zitiert die Besucherin einer Ausstellung seiner historischen Aufnahme: „Für mich ist dieses Foto das Ende des Kriegs.“

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