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Bundestagswahl Union am Scheideweg

Die Hochrechnungen kündigen ein knappes Ergebnis an, aber die Union hat massiv an Zustimmung verloren. Die Kanzlerschaft von Angela Merkel überdeckt die Probleme der Volkspartei nicht mehr, meint Silke Hellwig.
26.09.2021, 19:31 Uhr
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Union am Scheideweg
Von Silke Hellwig

Der Sonntagabend und diese Bundestagswahl werden mit einer Verliererin in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Es ist die Union, genauer: CSU und CDU ohne Angela Merkel. Die Union hat rund sieben Prozentpunkte verloren. Ihr Wahlprogramm "für Stabilität und Erneuerung" hat der Partei selbst keine Stabilität gebracht, sie hat das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg zu bilanzieren.

CDU und CSU werden ergründen müssen, ob viele der Wählerstimmen in der Vergangenheit vor allem der Kanzlerin und dem Amtsbonus galten, ob Armin Laschet der falsche Kandidat war oder ob ihr Programm für viele Wählerinnen und Wähler nicht in die Zeit passt. Für die einen ist die CDU noch nicht modern genug – trotz einer Generation von Christdemokraten und Christdemokratinnen wie die Bremerin Wiebke Winter, Mitgründerin der sogenannten Klimaunion. Für die anderen ist sie nicht mehr konservativ genug. In ihren klassischen Politikfeldern – von der Inneren Sicherheit bis zur Wirtschaft – hat die Union offenbar massiv an Vertrauen verloren. Daran krankt die Volkspartei – sie hängt, wie auch die SPD, zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft fest. Doch in den vergangenen Jahren war es die Bundeskanzlerin, die das überdecken konnte – durch ihre Anpassungsfähigkeit wie in der Flüchtlingspolitik.

Das zeigt sich auch in Bremen: Die CDU hat Zweitstimmen verloren. Uwe Schmidt, SPD-Kandidat im Wahlkreis 55 Bremen II, lässt alle anderen Kandidaten weit hinter sich, auch Wiebke Winter. Sarah Ryglewski gewinnt ebenfalls das Direktmandat. SPD und Grüne profitieren. In Niedersachsen sieht es ähnlich aus. Im Wahlkreis 54 Bremen I schmilzt allerdings der Abstand zwischen SPD und Grünen. Das sollte den bremischen Sozialdemokraten in der Stadt zu denken geben.

Außerdem sind es die Linken, die Wunden lecken müssen – in Bremen, in Niedersachsen und im Bund. Die Fünf-Prozent-Hürde haben sie verfehlt, allein dank dreier Direktmandate werden sie dem Bundestag angehören. Es scheint, als ob in diesem Richtungswahlkampf tatsächlich kein Platz für sie war neben den Grünen und der SPD. Letztere und die Union haben früh klar gemacht, dass die Fortsetzung der Großen Koalition nicht infrage kommt, und die Wahl des neuen Kanzlers war eine der zentralen Fragen.

Die Grünen reden sich ihr Ergebnis schön. Sie haben das beste Ergebnis aller grünen Zeiten zu verzeichnen, aber aus dem "Projekt Kanzleramt" ist nichts geworden, nicht nur knapp, sondern gar nicht: rund zehn Prozentpunkte fehlen. Damit ist womöglich eine historische Chance vertan. Denn es sieht alles danach aus, als ob sich drei Parteien für eine Regierungsmehrheit zusammenraufen müssen. Doch für das Bündnis Rot-Grün-Rot, das sich inhaltlich vermutlich am leichtesten täte, werden die Sitze offenbar nicht reichen. Die Grünen werden sich also, sofern sie mitregieren wollen, in ein Bündnis mit der FDP oder der Union einfinden müssen. Das heißt: mehr Kröten schlucken.

Und die SPD? Bei ihr hat vor allem ihr Kandidat Olaf Scholz überzeugt – zumal im Vergleich mit seinen Kontrahenten. Er präsentierte sich staatsmännisch und souverän, nicht einmal die Wirecard-Affäre konnte dieses Bild trüben. Hätten sich die Grünen für Robert Habeck, die Union für Markus Söder als Kanzlerkandidaten entschieden, hätte das Ergebnis womöglich anders ausgesehen. Doch so scheint es gereicht zu haben, dass er das oft bemühte Triell für sich entschieden hat.

Bitter ist an diesem Abend zweierlei: Das AfD-Ergebnis ist zweistellig, in Sachsen und Thüringen haben sie die meisten Stimmen auf sich vereint. Auch die Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent lässt zu wünschen übrig, angesichts der Umstände. Mehr Stimmengewicht als bei dieser Wahl - mit der mit Sicherheit ein neuer Kanzler und mit sehr großer Sicherheit eine neue Koalition bestimmt werden – kann man Wählerinnen und Wählern nicht bieten.

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