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Wahlprogramme im Überblick Was die Parteien in der Außen- und Sicherheitspolitik planen

Wie sieht künftig die Migrations- und Zuwanderungspolitik aus und wie gestaltet sich das Verhältnis zu Russland oder China? Was die Parteien in ihrem Wahlprogramm zur Außen- und Sicherheitspolitik schreiben.
31.08.2021, 15:59 Uhr
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Was die Parteien in der Außen- und Sicherheitspolitik planen
Von Anja Maier
Inhaltsverzeichnis

Am 26. September wählt Deutschland den 20. Deutschen Bundestag. Eine Wahl, die Spannung verspricht und gleichzeitig eine Zäsur ist: Kanzlerin Angela Merkel steht nicht zur Wiederwahl. Wir möchten Ihnen den Überblick zu den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien erleichtern: Dieser Teil beschäftigt sich mit der Außen- und Sicherheitspolitik und Fragen rund um die Rolle der Bundeswehr im Rahmen der Nato, das Verhältnis zu Russland und China sowie Migration und Zuwanderung.

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Welchen Stellenwert haben Außen- und Sicherheitspolitik für die Parteien?

CDU/CSU: Für die Unionsparteien sind außen- und sicherheitspolitische Fragen enorm wichtig. Das entsprechende Kapitel „Eine neue Verantwortung Deutschlands in der Welt“ ist gleich das erste im gemeinsamen Wahlprogramm. Es umfasst 30 Seiten und versteht Deutschland im globalen Kontext als Mitglied der Europäischen Union.

SPD: Im Wahlprogramm der SPD befasst sich erst das letzte Kapitel mit Außen- und Sicherheitspolitik. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Europa als großer Player in der Welt. Die Staatengemeinschaft soll nach dem Willen der Sozialdemokraten „eine Vorreiterrolle bei internationaler Krisenpra?vention, Friedens- und Demokratiefo?rderung sowie zum Schutz von Menschenrechten einnehmen“.

Grüne: Dass die Grünen sich als global denkende Partei verstehen, kann man daran erkennen, dass sie ihr Wahlprogramm nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Türkisch, Arabisch und Kurdisch veröffentlich haben. Schaut man sich das Programm jedoch näher an, wird erkennbar, dass es einen deutlichen Schwerpunkt auf Klima- und Innenpolitik legt. Erst das sechste und letzte Kapitel „International zusammenarbeiten“ widmet sich der Außen- und Sicherheitspolitik.

Linke: Die Linke versteht sich seit jeher als Friedenspartei. „Völkerrecht und Menschenrechte sind für uns nicht verhandelbar“, steht im Wahlprogramm. Die Partei möchte einen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik. Sie steht für gewaltfreie Konfliktlösung und Kooperation. Waffenexporte sollen sofort gestoppt werden, ebenso Investitionen in die Rüstung. Und sie stellt klar: „An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt […] werden wir uns nicht beteiligen.“

FDP: Die FDP beschreibt in ihrem Programm die Grundsätze liberaler Außenpolitik. Für sie steht der diplomatische Einsatz fu?r Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund. Die Partei, die in der Geschichte der Bundesrepublik viele Außenminister gestellt hat, hat sich vertiefte Gedanken gemacht. Das Kapitel zur Außen- und Sicherheitspolitik ist daher sehr detailliert.

AfD: Die AfD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zu den Werten der UN-Charta und des Völkerrechts. In diesem Zusammenhang legt sie Wert auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Dieses dürfe nicht „durch die Agenden zwischenstaatlicher Organisationen, von NGOs und durch den Machtzuwachs großer, global agierender Konzerne ausgehöhlt werden“. Ihr Ziel ist die Erlangung strategischer Autonomie für Deutschland. Eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik lehnt sie ab.

Welche Rolle soll die Bundeswehr im Rahmen der Nato spielen?

CDU/CSU: Die Union verspricht eine „moderne und voll einsatzbereite Bundeswehr“, um Sicherheit gewährleisten zu können. Dafür garantiert sie eine Vollausstattung, indem die Zahl der Soldatinnen und Soldaten auf 203.000 aufgestockt und der Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht wird. Bis 2030 soll die deutsche Armee innerhalb der Nato „mindestens zehn Prozent der militärischen Fähigkeiten des Bündnisses bereitstellen“. Die Beteiligung an Auslandseinsätzen wird garantiert, „wenn deutsche Sicherheitsinteressen gefährdet sind“.

SPD: Die SPD bekennt sich zur Nato und plädiert für eine gemeinsame europäische Armee. Ziel sozialdemokratischer Außenpolitik sei eine Welt ohne Atomwaffen. Den Aufgaben im transatlantischen Bündnis will sie „mit einer gut ausgestatteten und modernen Bundeswehr“ gerecht werden, dafür habe man in der letzten Wahlperiode den Verteidigungshaushalt erhöht. Unbemannte bewaffnete Drohnen will die SPD international erfassen und in ein Regelwerk einbeziehen. Über ein Nachfolgesystem für die überalterten Tornado-Kampfflugzeuge müsse noch „gewissenhaft, sachlich und sorgfältig“ diskutiert werden.

Grüne: Ziel der Grünen ist ein atomwaffenfreies Land. Die Nato soll auf Erstschläge verzichten. Das innerhalb des Bündnisses vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel lehnen die Grünen als zu statisch ab. Rüstungsexporte will die Partei genauer regeln, sie schlägt dafür eine Endverbleibskontrolle von Waffen und militärischen Gütern vor. Digitale Überwachungstechnik soll nicht an Staaten verkauft werden dürfen, die die Menschenrechte missachten. Die Ausrüstung der Bundeswehrsoldaten wird verbessert; für deren Schutz schließen die Grünen den Kauf bewaffneter Drohnen nicht aus.

Linke: Die Linke will die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen abziehen. Die dadurch frei werdenden Mittel will die Partei in ein ziviles Aufbau– und Friedenssicherungsprogramm investieren. Die Partei spricht sich gegen die Präsenz deutscher Soldaten bei Nato-Einsätzen im Ausland aus, Ausbildungsmissionen für Soldaten und Sicherheitskräfte lehnt sie ebenfalls ab. Die Linke möchte die Nato in ein sicherheitsstrategisches Bündnis umwandeln, an dem auch Russland beteiligt ist. Das Zwei-Prozent-Ziel der bisherigen Bundesregierung lehnt die Linke ebenfalls ab, sie fordert die Absenkung von Rüstungsausgaben und die Verkleinerung der Bundeswehr. Das so gesparte Geld soll in die Bekämpfung von Armut, Hunger und die Folgen der Coronakrise investiert werden.

FDP: Die FDP will die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erhöhen. Ausbildung und Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten sollen den vom Parlament beschlossenen Aufträgen der Armee angepasst werden. Der Modernisierungsprozess müsse aber „langfristig finanziell abgesichert werden“. Ziel der Freien Demokraten ist eine atomwaffenfreie Welt, für die Deutschland und Europa Impulsgeber sein sollen. Überhaupt weist die FDP der Europäischen Union ein größeres Gewicht zu – eine europäische Armee steht ihrer Überzeugung nach nicht im Widerspruch zur transatlantischen Partnerschaft und der Nato. „Der Wunsch nach strategischer Souveränität darf weder zu Protektionismus noch zu einer Selbstisolation führen“.

AfD: Die AfD will die Bundeswehr besser ausstatten, bei der Beschaffung von Material und Personal soll die Truppe eigenständig entscheiden. Die Partei will den Korpsgeist in der Truppe stärken, sie soll „ihre Traditionen und deutschen Werte pflegen“ durch Liedgut und Brauchtum. Die Wehrpflicht soll wieder eingesetzt werden, allerdings nur für Männer, für Frauen und Wehrdienstverweigerer fordert sie ein Gemeinschaftsdienstjahr. Der Dienst in den Streitkräften soll „ausschließlich Deutschen vorbehalten sein, die über keine andere Staatsangehörigkeit verfügen“. Die Nato soll nach dem Willen der AfD wieder ein reines Verteidigungsbündnis werden, Einsätze sollen auf das Gebiet der Nato-Staaten begrenzt sein.

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Wie wollen die Parteien das Verhältnis zu Russland und China gestalten?

CDU/CSU: Außenpolitisch möchte die Union „Russland konstruktiv und entschlossen begegnen“. Das Land fordere die Nato heraus. CDU und CSU wollen verhindern, „dass daraus wieder eine ernsthafte militärische Bedrohung für uns in Europa wird“. Deshalb müssten mit Russland Dialog und Zusammenarbeit dort gesucht werden, wo gemeinsame Interessen bestehen. Das Verhältnis zu China wird im Wahlprogramm als „größte außen- und sicherheitspolitische Herausforderung“ beschrieben. Das Land wolle die internationale Ordnung verändern und schaffe geostrategische Abhängigkeiten. Dem müsse einerseits in enger Abstimmung mit transatlantischen Partnern begegnet werden. Andererseits will man aber im Gespräch bleiben. Dafür schlägt die Union eine europäisch abgestimmte China-Strategie vor.

SPD: Die SPD sieht das derzeitige Verhältnis zu Russland kritisch. Das Land breche regelmäßig internationales Recht, etwa bei der Annexion der Krim, mit Cyberangriffen auf den Bundestag oder den Giftattentaten auf unliebsame Politiker. Gleichwohl sei es im deutschen Interesse, gemeinsame Ziele wie Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle in den Blick zu nehmen. „Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben“, steht im Wahlprogramm. Deshalb setzt sich die SPD für eine „neue europäische Ostpolitik“ ein. Auch im Verhältnis zu China nehmen „Interessens- und Wertekonflikte zu“. Europa müsse als Gemeinschaft den Dialog führen.

Grüne: Zu Fragen des Verhältnisses zu Russland und China findet sich im Wahlprogramm der Grünen nichts.

Linke: Die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm für „vernunftorientierte, friedliche internationale Beziehungen“ ein. Weiter heißt es: „Das schließt Russland und China ein.“

FDP: Die FDP tritt für eine „klare Haltung gegenüber Russland“ ein. Die Politik der Regierung in Moskau sehen die Liberalen mit großer Sorge. Sie fordern das Ende der Gewalt in der Ostukraine und der Annexion der Krim. Bis dahin unterstützen sie ausdrücklich die verhängten EU-Sanktionen und sprechen sich im Fall einer militärischen Eskalation in der Ukraine für noch schärfere Sanktionen aus. Präsident Wladimir Putin, heißt es weiter, trage „unmittelbare Verantwortung für die zunehmende autoritäre Entwicklung Russlands“. Der Dialog müsse gleichwohl aufrecht erhalten, Kontakte zu Bürgerrechtsorganisation vertieft werden. Die FDP sieht die EU in der Pflicht, Nuklearwaffenstaaten wie Russland und China an den Verhandlungstisch zu holen. Dies sei „eine Überlebensfrage der Menschheit“.

AfD: Die AfD möchte Russland in eine „sicherheitspolitische Gesamtstruktur“ einbinden. Dafür will die Partei zum einen die Gespräche im Rahmen des Nato-Russland-Rates wiederaufnehmen. Zum anderen sollen als vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen die Kooperation bei der Rüstungskontrolle und der Verzicht auf den Ausbau militärischer Infrastruktur in der Nähe der jeweiligen Interessenbereiche dienen. Die AfD tritt für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein, die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Nordstream 2 hält sie für unverzichtbar. China sieht die AfD vor allem in der Rolle eines Handelspartners, mit dem „nur unter Bedingungen der Gleichberechtigung und Fairness“ kooperiert werden soll.

Was planen die Parteien bei Migration und Zuwanderung?

CDU/CSU: CDU und CSU verstehen Zuwanderung als Chance. Voraussetzung ist, dass sie geordnet verläuft und die Neuankömmlinge schnell Deutsch lernen und Arbeit finden. „Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab“, steht im Programm. Die Zahl Geflüchteter will man reduzieren, indem sichere Herkunftsländer festgelegt werden, in die auch Asylantragsteller zurückgeführt werden. Die Ausreisepflicht soll durchgesetzt werden, etwa mit Flughafengewahrsam und Sammelabschiebungen. Straftäter sollen konsequent abgeschoben, der Familiennachzug nicht ausgeweitet werden. Gemeinsam mit der EU will man in den Herkunftsländern Fluchtursachen bekämpfen.

SPD: Die SPD will Zuwanderung und Integration vereinfachen. Mit ihr in der Regierung würde die Mehrstaatlichkeit gesetzlich verankert, die bislang geltende Regelaufenthaltsdauer von acht Jahren würde „verkürzt“. Auf wie viele Jahre, steht nicht im Programm. Migranten sollen schon vor der Klärung ihres Aufenthaltsstatus eine Arbeit annehmen können. Für subsidiär Schutzberechtigte – also Menschen ohne Asylanspruch, denen in ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht – sollen die gleichen Regeln gelten wie für Flüchtlinge. Innerhalb der EU will die SPD das Dublin-System reformieren, sie strebt einen solidarischen Verteilungsmechanismus an. Seenotrettung müsse „durch die EU gewa?hrleistet werden“.

Grüne: Die Grünen wollen die Zugehörigkeit neu regeln. Wer hier geboren wird, soll die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Voraussetzung wäre, dass ein Elternteil „rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat“. Für bereits hier Lebende soll die Einbürgerung vereinfacht und bereits nach fünf statt acht Jahren möglich sein. Gleiches gilt für anerkannte Geflüchtete. Die Grünen versprechen ein Einwanderungsrecht, das unabhängig vom Bildungsabschluss gilt. Neu ankommende Migranten sollen dezentral untergebracht werden und beim Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheit mit allen anderen Bürgern gleichgestellt werden. Die Grünen lehnen Abschiebungen in Krisenregionen ab, auch nach Afghanistan und Syrien.

Linke: Die Linke orientiert sich in ihrer Migrations- und Zuwanderungspolitik an der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen. Seenotrettung ist für sie selbstverständlich, Flüchtlingslager sollen evakuiert und geschlossen werden, das Recht auf Asyl muss „vollständig wiederhergestellt werden“. Menschen aus Kriegsgebieten werden bei einer legalen und sicheren Möglichkeit zur Flucht unterstützt. Außerdem spricht sich die Linke für ein Bleiberecht für alle aus. „Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht Geflüchtete“, steht im Wahlprogramm. Sammelunterkünfte würden geschlossen. Geflüchtete Frauen, die Gewalt durch den Ehemann erfahren, erhielten einen eigenständigen Aufenthaltstitel. Queere Menschen sollen ein Recht auf Asyl und eine dezentrale Unterbringung haben.

FDP: Das Grundrecht auf Asyl ist für die FDP unantastbar, es gilt auch für religiös Verfolgte und sexuell Diskriminierte. Die Partei unterscheidet zwischen Verfolgten, Zuwanderern und Kriegsflüchtlingen. Für letztere soll der Schutzstatus begrenzt sein: Endet der Krieg im Heimatland, müssen sie wieder zurück. Innerhalb der EU setzt die FDP auf verpflichtende Umverteilungsquoten für Geflüchtete: Länder, die diese blockieren, sollen Geldstrafen zahlen. Käme die Partei in die Regierung, würde sie das seit 2019 geltende Fachkräfteeinwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild reformieren, wo Kriterien wie Bildung, Alter, und Berufserfahrung im Vordergrund stehen. Auch Schutzsuchende mit ungeklärtem Status sollen Jobs annehmen dürfen. Wer arbeitet oder in Ausbildung ist, wird nicht ausgewiesen.

AfD: Die Forderung der AfD lautet: „Asylparadies Deutschland schließen“. Das derzeitige System sei dysfunktional, Menschen in Not müsse in ihren Herkunftsländern geholfen werden. Zuwanderung sei Angelegenheit des Staates – deshalb will die AfD aus dem UN-Migrationspakt und den UN-Flüchtlingspakt austreten und einen EU-Flüchtlingspakt verhindern. Asylsuchende sollen an der Grenze zu Deutschland zurückgewiesen werden, auch mit Zäunen. Humanitäre Aufnahme käme nur für „besonders schutzbedürftige Personen“ infrage, die der „deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung“ entsprechen. Die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten würde erweitert, Ausreisepflichtige sollen abgeschoben werden. Familiennachzug wäre verboten, ebenso das Kirchenasyl. Statt Sozialleistungen erhielten Geflüchtete Sachleistungen. Zuwandern dürften ausschließlich Fachkräfte, Vorbild ist hier Japan.

Viele weitere Infos gibt es auf unserer Themenseite zur Bundestagswahl.

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