Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) will den Landesmindestlohn anheben. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER sagte er, ihm schwebe eine Erhöhung „zunächst auf 10,80 Euro“ vor. Aktuell liegt die Lohnuntergrenze bei 8,84 Euro pro Stunde. Das ist die Höhe des bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohns, an die derzeit auch die Bremer Untergrenze des Landesmindestlohns gekoppelt ist.
Die Hansestadt hatte 2012 als erstes Land einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt. Im Interview übte Sieling nun Kritik am aktuellen Niveau des bundesweiten Mindestlohns. „Damit bin ich absolut nicht zufrieden“, sagte er. Selbst die 9,35 Euro, die 2020 erreicht sein sollen, verhinderten nicht, dass in Vollzeit arbeitende Menschen aufstockende Leistungen beantragen müssten.
„Von daher will ich, dass wir unser Landesmindestlohngesetz neu ausrichten und mit einer Höhe versehen, die dafür sorgt, dass die Betroffenen dann nicht mehr zum Amt gehen müssen“, sagte er. Mit den von ihm vorgeschlagenen 10,80 Euro würde Bremen nach Sielings Angaben über der sogenannten Aufstocker-Grenze liegen.
Dieser Betrag entspreche zurzeit auch der untersten Lohngruppe des Öffentlichen Dienstes. „Ich will, dass wir dann eine entsprechende Koppelung in das Gesetz hineinschreiben und der Landesmindestlohn künftig an die Ergebnisse der Tarifverhandlungen gebunden ist“, sagte der Bürgermeister. Damit sei garantiert, dass der Landesmindestlohn schrittweise weiter steige.
Sieling soll an diesem Sonnabend bei einem außerordentlichen Landesparteitag der SPD zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2019 gekürt werden. Das Thema Landesmindestlohn steht dort ohnehin auf der Agenda: So haben der Unterbezirk Bremen-Nord und die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen jeweils einen eigenen Antrag auf die Tagesordnung setzen lassen. In beiden Papieren wird gefordert, dass der Landesmindestlohn auf 12,00 Euro angehoben werden soll.
Vom Landesmindestlohn profitieren alle Beschäftigten öffentlich gebundener Arbeitgeber, die direkt unter kommunalem Einfluss stehen, sowie alle, die im Auftrag der Stadt Dienstleistungen erbringen. Er gilt also nicht nur für die Beschäftigten in den Bremer Behörden, sondern auch für Mitarbeiter in Unternehmen wie die Bremer Straßenbahn AG, Gesundheit Nord und die Bremer Stadtreinigung – und damit für mehrere Zehntausend Menschen.
"Die Höhe der Löhne kann nicht ein Parlament bestimmen"
Die rot-schwarze Regierung in Niedersachsen steht einem landeseigenen Gesetz eher ablehnend gegenüber. „Löhne sind alleinige Sache der Tarifparteien“, sagte Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) dem WESER-KURIER. Deshalb sei es richtig, dass deren Mindesthöhe durch eine unabhängige, paritätisch von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzte Kommission festgelegt werde. Von dieser Bundesregel dürfe ein Land nicht abweichen: „Die Höhe der Löhne kann nicht ein Parlament bestimmen“, so Hilbers. SPD-Kreise verwiesen auf rechtliche Probleme: „Das bedarf alles noch einer intensiven Prüfung.“
Derzeit haben 14 Bundesländer landesspezifische Vergabegesetze, die auch Vorgaben zu einem Mindestlohn enthalten. Die Ausnahmen sind Sachsen und Bayern. Sieben Bundesländer haben den landesspezifischen Mindestlohn dem allgemeinen Mindestlohn angepasst, das heißt: Hier gilt die Bezahlung im Sinne des bundesweiten Mindestlohns von 8,84 Euro.
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg, Berlin und Rheinland-Pfalz schreiben innerhalb des Vergabegesetzes einen Mindestlohn vor, der über dem allgemeinen gesetzlichen Betrag liegt. In Hamburg diskutiert man derweil sogar über einen Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro, und auch in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind weitere Erhöhungen bereits beschlossen oder geplant.Nach Einschätzung von Experten gibt es einen Trend zu landesspezifischen Vergabe-Mindestlöhnen. So sieht es auch Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Er hält die Entwicklung für „absolut sinnvoll“. So könne man den starken Konkurrenzdruck etwas senken. Außerdem, so Schulten, könnten die Länder damit „ein Zeichen setzen“: für einen Mindestlohn, der existenzsichernd sei.