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Verteidigungsunion soll europäischen Pfeiler der Nato stärken

Manchmal kommen in der Politik wichtige Entscheidungen ziemlich routiniert daher. So zum Beispiel am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel: Dort gab es den üblichen Tagesordnungspunkt „Annahme der A-Punkte“.
15.12.2017, 00:00 Uhr
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Von Thorsten Knuf

Manchmal kommen in der Politik wichtige Entscheidungen ziemlich routiniert daher. So zum Beispiel am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel: Dort gab es den üblichen Tagesordnungspunkt „Annahme der A-Punkte“. Im EU-Jargon sind damit Sachverhalte gemeint, die bis ins Detail vorbereitet sind und nur noch formal durchgewinkt werden müssen. Das klingt unspektakulär. Aber was die Außenminister am Montag auf diese Weise auf den Weg gebracht haben, hat es in sich: Die neue EU-Verteidigungsunion ist beschlossene Sache. Die Mitgliedstaaten haben sich vorgenommen, in der Verteidigungspolitik enger zusammenzurücken. Sie wollen ihre nationalen Armeen miteinander verschränken, gemeinsam an Rüstungsprojekten forschen und auch verstärkt bei der Beschaffung von Waffensystemen kooperieren. Mitte November hatten die Staaten das Vorhaben bereits aufs Gleis gesetzt, seit Montag ist es offiziell. Beim EU-Gipfel nehmen es nun auch die Staats- und Regierungschefs zustimmend zur Kenntnis.

EU-Chefdiplomatin Frederica Mogherini nennt das Vorhaben „historisch“, und das ist keineswegs übertrieben. Spätestens seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat sich auf dem Alten Kontinent die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Europa nicht mehr ohne Einschränkung auf seinen wichtigsten Verbündeten verlassen kann. Nun geht es nicht darum, die Nato überflüssig zu machen. Sondern darum, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken. Und dann sind da noch die Briten: Die wollen bekanntlich die EU verlassen – und haben damit die Verteidigungsunion erst möglich gemacht. Denn über viele Jahre hinweg standen sie im Weg, wenn im EU-Rahmen eine engere Zusammenarbeit in diesem Feld zur Debatte stand.

Bei der Verteidigungsunion machen 25 von derzeit noch 28 EU-Staaten mit – auch solche wie Österreich, die nicht Nato-Mitglied sind. Außen vor sind neben Großbritannien auch Dänemark und Malta. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag eine „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ (englische Abkürzung: Pesco) im Rahmen der EU-Verträge. Sie erlaubt es auch einem Teil der Mitglieder, politische Vorhaben gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Die Initiative dafür ging von Frankreich und Deutschland aus. Dabei verfolgten beide Seiten ursprünglich unterschiedlich Ansätze. Den Franzosen ging und geht es vor allem darum, die militärische Schlagkraft zu erhöhen. Sie haben noch bestens in Erinnerung, dass sie sich Anfang 2013 im westafrikanischen Mali in den Kampf gegen Islamisten begaben und sich dann mühsam unter den Verbündeten Unterstützung organisieren mussten. Die Deutschen hingegen wollten ursprünglich ein politisches Signal dahingehend aussenden, dass die EU trotz des Brexits handlungsfähig ist. Ihnen war auch wichtig, dass möglichst viele Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsunion mitmachen.

Wie weit die Zusammenarbeit gehen wird, lässt sich noch nicht absehen. Schritt für Schritt soll die Kooperation aufgebaut und vertieft werden. Ein Experte aus dem Umfeld von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versichert: „Wir arbeiten nicht an einem Plan für eine europäische Armee“. Zunächst beschlossen die Außenminister 17 Einzelprojekte. Die Deutschen haben die Führung inne beim Aufbau eines Sanitätskommandos, von Logistikdrehscheiben, einem Zentrum für Trainingsmissionen sowie einer Stelle zum Aufbau von Krisen-Reaktionskräften.

Doch es ist nicht allein die Einsicht in die politischen Notwendigkeiten, die die Europäer zu mehr Kooperation bewegt. Es ist auch der Mangel an Geld. Nach Brüsseler Darstellung könnten die EU-Staaten pro Jahr 25 Milliarden Euro sparen, wenn sie sich bei Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen besser koordinierten. Bisher geht jeder Staat seinen eigenen Weg und bedient dabei gern die Interessen der heimischen Rüstungsindustrie. Ein Ergebnis ist, dass es in Europa zu viele Waffensysteme gibt, die nur bedingt miteinander kompatibel sind. Gleichzeitig werden die Systeme immer teurer. „Nur mit mehr Zusammenarbeit kann Europa in Sachen Verteidigung im weltweiten Maßstab ein führender Akteur bleiben“, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.

Durchaus erwünscht ist, dass die europäischen Rüstungsunternehmen im Zuge der Verteidigungsunion enger zusammenrücken. Das kann bis hin zu grenzüberschreitenden Fusionen gehen. Den Weg dahin könnten die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern ebnen, die die EU auch finanziell fördern will. Bis zu 5,5 Milliarden Euro sollen dafür pro Jahr zur Verfügung stehen.

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