- Was zeigt die Hospitalisierungsrate an?
- Wie wird die Hospitalisierungsrate erfasst?
- Bildet die Hospitalisierungsrate das aktuelle Infektionsgeschehen ab?
- Welche Probleme gibt es bei der Hospitalisierungsrate?
- Welche Alternativen gibt es zur Hospitalisierungsrate?
Die Corona-Lage in Deutschland spitzt sich weiter zu. Während die Zahl der Neuinfektionen rasant steigt, werden auch bei der Sieben-Tage-Inzidenz fast täglich neue Höchstwerte erreicht. Galt die Inzidenz in den vergangenen Monaten noch als Richtwert für schärfere Corona-Maßnahmen, haben sich Bund und Länder auf die Hospitalisierungsrate als neuen Richtwert geeinigt. Doch von vielen Fachleuten gibt es dafür Kritik. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was zeigt die Hospitalisierungsrate an?
Die Hospitalisierungsrate berechnet sich aus den gemeldeten Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100.000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum. In Bremen liegt der Wert (Stand: 21. November) bei 2,12, in Bremerhaven bei 1,76. Entsprechend gilt die Warnstufe 0. Das Land Bremen und das Robert Koch-Institut (RKI) berechnen den Wert allerdings unterschiedlich, weshalb es hier noch zu verschiedenen Angaben kommt. Welcher Wert am Ende rechtlich bindend ist, muss noch geklärt werden.
Wie wird die Hospitalisierungsrate erfasst?
Krankenhäuser sind seit Mitte Juli dazu verpflichtet, alle Patientenaufnahmen wegen Covid-19 grundsätzlich zu melden. Da zuvor aber nur wenige Krankheiten als meldepflichtig galten – bisher also kaum Daten übermittelt werden mussten – kann es hier immer wieder Probleme und Verzögerungen geben.
Bildet die Hospitalisierungsrate das aktuelle Infektionsgeschehen ab?
Die Hospitalisierungsrate zeige eher die Auswirkungen des Infektionsgeschehens, erklärt Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Er findet es gut, dass der Fokus damit wieder auf die Lage in Krankenhäusern und Kliniken liegt.
Welche Probleme gibt es bei der Hospitalisierungsrate?
"Die Hospitalisierungsrate ist grundsätzlich die richtige Richtung, aber es gibt einige technische Probleme", sagt Zeeb. So werde mit der Rate nur angezeigt, wie viele Covid-19-Patienten in ein Krankenhaus eingeliefert werden. "Das echte Nadelöhr sind aber die Intensivstationen", erklärt der Bremer Epidemiologe. Wie dort die Lage ist, sehe man in bei diesem Wert nicht direkt.
Zudem werde oft erst am Tag nach der Krankenhauseinlieferung oder noch später klar, dass ein Patient an Corona erkrankt ist, erklärt Zeeb. Es komme zu Verzögerungen, weil beispielsweise noch ein offizielles Test-Ergebnis abgewartet werden müsse. Es sei auch nicht selbstverständlich, dass Ärzte die neuen Fälle immer direkt in das interne System übertragen und übermitteln. "Fakt ist, dass die Hospitalisierungsrate nicht den Stand von gestern oder vorgestern abbildet", sagt der Epidemiologe.
Entsprechend könnten verschärfte Maßnahmen allein auf Grundlage der Hospitalisierungsrate zu spät ergriffen werden. So geht das Register der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) seit Anfang November wieder davon aus, dass etwa 0,9 Prozent aller heute positiv Getesteten erst in sieben bis zehn Tagen auf der Intensivstation landen. "Da müssen wir schneller reagieren", sagt Zeeb.
Auch orientieren sich die Schwellenwerte 3, 6 und 9, auf die Bund und Länder sich geeinigt haben, an den Versorgungswerten der Kliniken. "Das kann regional allerdings erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen", erklärt Zeeb. Gerade in Flächenländern wie Niedersachsen könnten sich die Kapazitäten der Krankenhäuser regional – in Städten und ländlichen Regionen – sehr stark unterscheiden. In Bremen sei dies dagegen kein Problem.
Welche Alternativen gibt es zur Hospitalisierungsrate?
Zeeb empfiehlt, neben der Hospitalisierungsrate weiterhin auch auf die Sieben-Tage-Inzidenz zu achten sowie die Lage auf den Intensivstationen genau zu beobachten. Stehe die Rate beispielsweise zwischen 3 und 6, aber die Sieben-Tage-Inzidenz sei sehr hoch, könnten schon schärfere Maßnahmen ergriffen werden, bevor der Schwellenwert 6 überschritten wird. "Für Entscheidungen würde ich mich an der Hospitalisierungsrate orientieren, aber vorher die Sieben-Tage-Inzidenz mitlaufen lassen", sagt der Bremer Epidemiologe. Man müsse die Vielzahl an Informationen zusammenführen, um den erwartbaren Trend vorhersagen zu können.