Das Krisenmanagement der Deutschen Bahn steht nach dem Unwetter am Donnerstag in der Kritik. In weiten Teilen Norddeutschlands strandeten ungezählte Reisende in Zügen oder an Bahnhöfen. Auch in Bremen konnten 800 Menschen ihre Reise nach Polizeiangaben nicht fortsetzen und mussten in der Nacht am Hauptbahnhof oder in Zügen ausharren.
Die Bahnmitarbeiter sollen nicht nur schlecht informiert haben, sondern auch die Fahrgäste in den Zügen nicht ausreichend mit Verpflegung versorgt haben. „Auch wenn wir sagen, es ist eine Naturkatastrophe, muss zumindest möglich sein, dass man Informationen bekommt“, sagte Karl-Heinz Naumann von der Fahrgastorganisation Pro Bahn. Grund für die Zugausfälle und Unterbrechungen waren vor allem Bäume auf den Gleisen.
Auch die Bremerin Annette Moros war vom Bahnchaos betroffen. „Es war unerträglich“, sagt sie. Sie war mit ihrer achtjährigen Tochter in einem IC unterwegs nach Lübeck, als der ohnehin 30 Minuten verspätete Zug bereits kurz vor Hamburg im niedersächsischen Tostedt stehen blieb. Dort mussten Moros und die anderen Reisenden 6,5 Stunden ohne Informationen und wenig Verpflegung ausharren.
Getränkeausgabe erst nach Einforderung
Getränke wurden erst ausgegeben, nachdem mehrere Fahrgäste dies einforderten. „Es war wie in einem schlechten Film“,sagt Moros. So sollen Bahnmitarbeiter den Zug verlassen haben, um sich selbst Verpflegung in einem Supermarkt zu besorgen. Von Tostedt wurde der Zug schließlich wieder nach Bremen zurückgeschickt, wo Moros und ihre Tochter am Bahnhof ausharren mussten. Schließlich erreichte sie erst um halb eins in der Nacht ihr Reiseziel in der Nähe von Lübeck – mit einem Taxi. Die Bahn prüft auf Anfrage des WESER-KURIER den Vorfall, konnte sich aber am Freitag noch nicht dazu äußern.
Der Fall von Frau Moros zeige, dass die Bahn zu bürokratisiert und das Notfallmanagement zu unflexibel sei, sagt Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes kritisiert besonders, dass die Mitarbeiter die Reisenden nicht angemessen informiert haben. Er habe von einem Fall gehört, wo Fahrgäste vier Stunden in einem ungelüfteten Zug der Deutschen Bahn ausharren mussten. Zusätzlich seien an den Bahnhöfen nicht genug Helfer unterwegs gewesen. Andere Unternehmen wie zum Beispiel Metronom hätten wesentlich besser informiert, sagt Naumann.
Das Uelzener Verkehrsunternehmen und seine Kunden hatten auch am Freitag noch mit erheblichen Verspätungen zu kämpfen. Zwischen Uelzen und Lüneburg war zunächst nur ein Gleis befahrbar. Seit Donnerstagmittag gegen 12.45 Uhr die erste Problemmeldung verbreitet wurde, waren „innerhalb kürzester Zeit praktisch alle unserer Linien betroffen“, sagt Metronom-Sprecherin Anna Jäger. Allein die südniedersächsische Trasse Hannover-Göttingen sei von Sturmschäden verschont geblieben.
"Fast alle Züge im Norden waren betroffen"
Die Deutsche Bahn konnte am Freitag weder die Anzahl der betroffenen Fahrten auf norddeutschen Fernverkehrsstrecken beziffern noch sagen, wo überall Reisende in ihren Zügen gestrandet waren und über Nacht ausharren mussten. Unter anderem lagen die Linien von Hamburg ins Ruhrgebiet, nach Bremen und Hannover weitgehend brach. „Man kann eigentlich nur sagen, dass fast alle Züge im Norden betroffen waren“, sagt Bahnsprecherin Angelika Theidig in Hamburg.
Die Ursache der massiven Bahnprobleme sei überall dieselbe gewesen, sagt Theidig: Umgestürzte Bäume hätten entweder Gleise blockiert oder Oberleitungen beschädigt. Ein Klassiker unter den Gründen für Verkehrsprobleme der Bahn: „Wir prüfen und schneiden auf unserem eigenen Gelände regelmäßig runter, aber es grenzen ja teilweise auch Privatgrundstücke an die Gleise.“ Beispiele, wann und wo Anrainer für Baumunfälle und Zugausfälle verantwortlich gemacht wurden, waren nicht zu erfahren.
Bei Metronom war am Freitag bekannt, dass im Norden insgesamt rund 125 Regionalbahnfahrten beeinträchtig gewesen seien. Während die Strecke Stade-Hamburg am Freitag noch gesperrt war, setzte sich der Verkehr auf den Metronom-Linien Bremen-Buchholz, Stade-Cuxhaven, Hamburg-Buchholz, Lüneburg-Hamburg und Uelzen-Lüneburg allmählich wieder in Bewegung.„Wir waren die ganze Nacht im Einsatz für unsere Fahrgäste“, sagt Anna Jäger. In der Nacht hatte auch Metronom Hotelzüge in Buchholz, Uelzen, Lüneburg und Hamburg zur Verfügung gestellt. „Auch das Deutsche Rote Kreuz war lange im Einsatz.“