Ritterhude. Nach Auskunft von Gemeindebrandmeister Jochem Pieper wurden zwischen 30 und 40 Wohnhäuser beschädigt, als die Fabrik der Firma Organo Fluid an der Kiepelbergstraße am Dienstagabend in die Luft flog. Viele davon so schwer, dass sie nicht mehr bewohnbar sind. Dass laut Pieper nur zwei Anwohner verletzt wurden, gleicht einem Wunder angesichts der großen Schäden an den Gebäuden.
Erst vor einem Jahr sind Filiz und Oguz Kur in ihr Einfamilienhaus an der Kiepelbergstraße 9a eingezogen - in direkter Nähe zur Fabrik der Firma Organo Fluid. Jetzt stehen sie vor Trümmern. Alle Räume wurden durch die Explosion beschädigt. Zum Zeitpunkt der Explosion seien ihr Mann und ihre beiden 13 und neun Jahre alten Söhne im Haus gewesen. "Ihnen ist nichts passiert", sagt Filiz Kur: "ein Wunder".
"Zum Glück war er gerade auf der Toilette"
Sie sei gerade zum Dienst an ihrem Arbeitsplatz in der Bremer St.-Jürgen-Klinik erschienen, als sie einen Knall gehört habe, schildert Filiz Kur. "Kollegen sagten, dass es wohl wieder ein Feuerwerk am Osterdeich gibt." Dann habe eine Nachbarin sie angerufen und über die Explosion informiert. Ihr Mann sei mit den Kindern sofort aus dem Haus gerannt. Ein Sohn habe sehr großes Glück gehabt. Er habe an seinem Schreibtisch direkt an einem Fenster gesessen das durch die Druckwelle zerstört worden sei. Als die Fabrik explodierte, sei er aber auf der Toilette gewesen.
Oguz Kur zeigt beim Gang durch sein Haus die zahlreichen Schäden: Überall Glassplitter, Risse in den Wänden, kaputte Fenster, aus den Zargen gerissene Türen. Die Familie Kur kam erst im Hamme Forum und dann bei Verwandten unter. Ihr Haus durfte sie gestern wieder betreten, aber es werden viele Sanierungsarbeiten nötig sein, bevor es sie wieder darin wohnen kann. Einige Anwohner setzten sich gleich mit ihrer Versicherung auseinander; am Mittwochvormittag war bereits ein Glaser mit seinem Fahrzeug in der Kiepelbergstraße unterwegs.
Wie ein Bombeneinschlag
Claudia und Jürgen Schwarz wohnen seit 15 Jahren etwa 30 Meter von der Unglücksfabrik entfernt. "Wir haben oft das Gewerbeaufsichtsamt angerufen und merkwürdige Gerüche gemeldet", erzählt Claudia Schwarz. Es habe in der Fabrik auch bereits mehrmals gebrannt. Ihr zwölfjähriger Sohn habe eine Schnittwunde durch ein zerborstenes Fenster erlitten. Ihr zweiter 16 Jahre alter Sohn Joschua dachte, "es ist eine Bombe eingeschlagen". In seinem Zimmer "ist die Decke runtergekommen".
"Wir haben das Nötigste zusammengerafft und sind mit dem Auto zu Freunden gefahren", schildert seine Mutter. "Man hat zwar immer wieder gedacht, da passiert mal was, aber dass die Fabrik tatsächlich mal in die Luft fliegt, hat keiner erwartet."
"Türen raus, Fenster raus – alles Schrott", kommentierten Marlies Dittmer und Wolfgang Ruge am Mittwochvormittag die Schäden an ihrem Wohnhaus. „Wir haben gerade alles renoviert gehabt.“ Sogar die stabile Haustür sei in den Flur geflogen. Zum Glück seien sie unverletzt geblieben. Die Nacht hätten sie im Hamme Forum verbracht, berichteten sie.