Um die Wirtschaft in der Corona-Krise anzukurbeln, hat das Land Niedersachsen zwischen August und November vier verkaufsoffene Sonntage genehmigt. Normalerweise muss ein verkaufsoffener Sonntag an einen besonderen Anlass gekoppelt sein – wie ein Herbstfest oder eine Messe. Da solche Veranstaltungen wegen der Corona-Beschränkungen derzeit nicht stattfinden können, hat ein Runder Tisch im Wirtschaftsministerium ausnahmsweise die verkaufsoffenen Sonntage ohne konkreten Anlass ermöglicht. Wir haben uns bei Vertretern von Wirtschaftsvereinen und bei Einzelhändlern in der Region umgehört, was sie von dem Vorstoß aus Hannover halten.
Über den Initiative des niedersächsischen Wirtschaftsministers Bernd Althusmann (CDU) freut sich Michael Frerks. „Man sollte nach jedem Strohhalm für Gewerbetreibende greifen“, meint der Vorsitzende des Grasberger Unternehmertreffs ( G.U.T. ). Er ist überzeugt, dass der Einzelhandel von einem sporadischen siebten Einkaufstag profitieren wird, da in seinen Augen viele Menschen am Sonntag gerne entspannt mit der Familie einkaufen gehen. „Dafür ist Worpswede ein gutes Beispiel“, so Frerks. „Man sollte es einfach ausprobieren und hinterher Resumée ziehen statt die Idee kaputtzureden“, meint Frerks auch in Richtung Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die dem Vorschlag Althusmanns bislang eine deutliche Abfuhr erteilte.
Verdi leistet mit Blick auf die Beschäftigten in den Geschäften noch erheblichen Widerstand. Diesen Kritikern setzt Frerks entgegen, dass die Geschäfte ihrem Personal nach dem offenen Sonntag am Montag freigeben könnten, da dann weniger los sei. „Wir sind schließlich keine Ausbeuter der Nation“, betont der Grasberger. In diesen schweren Zeiten müssten alle zusammenrücken, findet Frerks gerade vor dem Hintergrund, dass die Gewerbetreibenden vor Ort einen schweren Stand hätten, um sich gegen Amazon und Co. zu behaupten.
Dass zusätzliche verkaufsoffene Sonntage das Geschäft ankurbeln könnten, glaubt auch Sven Behrens vom Lilienthaler Wirtschaftsinteressenring (WIR), doch der Aufwand erscheint ihm zu groß. Zum einen sei Frequenz nicht unbedingt mit Umsatz gleichzusetzen, zum anderen brauche selbst eine Sonntagsöffnung ohne ein Fest immer einen langen Vorlauf. „Innerhalb von vier Wochen kriegen Sie das nicht hin“, so Behrens.
Hohe Corona-Auflagen
Abstimmungen, Genehmigungen einholen, bewerben, dann die Sommerferien – frühestens im November könnte der nächste verkaufsoffene Sonntag stattfinden. Zudem seien die Corona-Auflagen hoch, der Andrang in der Hauptstraße sei kaum zu steuern, und auch die Einhaltung der Maskenpflicht in den Geschäften sei mit dem vorhandenen Personal nicht zu überprüfen. Der WIR hat auch seine Mitglieder dazu befragt. Laut Geschäftsstellenleiterin Anja Dähncke kam heraus, dass die Geschäftsleute einen verkaufsoffenen Sonntag generell zwar gerne ausgerichtet hätten, die Gesundheit der Menschen aber als vorrangig betrachtet werde.
Anlässlich eines verkaufsoffenen Sonntags einfach nur die Ladentüren öffnen, das hat für die Lilienthaler Einzelhändlerin Anke Haar kaum einen Reiz. „Das wäre vielleicht gut fürs Geschäft, aber ich glaube nicht, dass es den Erfolg bringen würde.“ Für sie gehört die Ladenöffnung am siebten Wochentag elementar zu einem Fest mit Trubel, Gemütlichkeit und Klönschnack am Straßenrand. „Dieses besondere Flair kommt bei einem einfachen verkaufsoffenen Sonntag nicht rüber“, sagt Anke Haar. Außerdem glaube sie, dass sechs Einkaufstage reichen und es ihren Mitarbeitern in der Corona-Krise guttut, am Sonntag frei zu haben.
Ähnlich argumentiert Gunda Gefken von der Genossenschaft Lili Live. Sie ist sich sicher, dass ohne die sonst so nette Atmosphäre und das Beiprogramm weniger Besucher kommen würden. „Ein zusätzlicher Sonntag mit zweifelhaftem Erfolg erscheint mir nicht sinnvoll.“ Außerdem habe sie Bedenken wegen der Abstandsregeln. Der Gesundheitsschutz gehe vor, man habe eine Fürsorgepflicht gegenüber Kunden und Mitarbeitern. „Wir müssen vielleicht einfach mehr Geduld haben und etwas abwarten“, sagt Gunda Gefken.
Umsatz- und frequenzstarke Tage
Die Idee aus Hannover begrüßt der Textilhändler Carsten Meyer aus Lilienthal. „Verkaufsoffene Sonntage sind für uns von herausragender Bedeutung, sie sind sehr umsatzstarke und frequenzstarke Tage“, sagt der Kaufmann. Die Ladenöffnungen seien außerdem dafür geeignet, Besucher aus anderen Gemeinden und Bremer Stadtteilen von der geschäftlichen Vielfalt Lilienthals zu überzeugen. Allerdings sehe er die Probleme, die kleinere Läden wegen der Corona-Auflagen hätten. „Wir könnten sie einhalten, aber wenn nur wir öffnen, bringt uns der Sonntag nichts.“
Nicht nur in Lilienthal, auch in Tarmstedt fällt das Herbstfest coronabedingt aus. Das bedauert Werner Helmbold , Vorsitzender der örtlichen Wirtschafts-Interessen-Gemeinschaft ( WIG ), möchte aber an dem verkaufsoffenen Sonntag an dem geplanten Termin im Oktober festhalten, um den Geschäften zusätzliche Einnahmen zu ermöglichen. Das Problem: Er kriegt keine Genehmigung, auf dem Ordnungsamt verwies man auf die fehlende Verordnung. „Wir ziehen das aber durch, und wenn es nicht klappt, spreche ich mit Althusmann.“