Seit dem vergangenen November ist die Vereinslandschaft im Bremer Osten eine andere als zuvor. Passiert war formal nichts – und genau das war das Problem. Denn es hätte, so die Vorstellungen nach etwa zehnjähriger Vorbereitung der beteiligten Klubvorstände, etwas ganz Großes geschehen sollen: Vier Sportvereine wollten sich zum 1. Januar 2020 zu einem Großverein mit fast 6000 Mitgliedern zusammenschließen, um sich so für die Zukunft besser aufzustellen.
Doch das Projekt scheiterte und hatte für zwei Vereine schlimme Folgen. Sie waren nach erfolgter Abstimmung in zwei Lager gespalten, von denen sich die prozentual weitaus größeren Lager der Zustimmer dem Willen des jeweils kleineren beugen mussten. Nur bei der SG Arbergen-Mahndorf (SGAM) stimmten die mindestens erforderlichen 75 Prozent der Mitglieder für die Verschmelzung mit den anderen Klubs zur Sportgemeinschaft Bremen-Ost (SGBO). Anschließend war beim ATSV Sebaldsbrück und beim TSV Osterholz-Tenever (OT Bremen) zwar eine Mehrheit, nicht aber eine Dreiviertelmehrheit dafür. Weil der TuS Vahr seine Abstimmung daraufhin gar nicht mehr durchführte, war das Projekt gescheitert. „Ohne den ATSV und OT hat die Verschmelzung für uns keinen Mehrwert“, hatte der Vorsitzende des TuS Vahr, Uwe Jacobs, damals gesagt.
Inzwischen hat Uwe Jacobs seine Meinung revidiert – und ihm folgte der große Teil der Vahrer Mitglieder. Mitten in der Corona-Krise sprachen sich Ende Mai 86,64 Prozent der mindestens 18-jährigen TuS-Mitglieder in einer Briefwahl für das Zusammengehen mit der SG Arbergen-Mahndorf aus. 332 Wahlberechtigte waren angeschrieben worden, 260 Stimmzettel fanden ausgefüllt den Weg zurück in die Geschäftsstelle. 214 Personen sagten Ja, 33 Nein, und zwölf enthielten sich bei einer ungültigen Stimme. Seit dem 30. Juli 2020, seit der Eintragung ins Vereinsregister beim Bremer Amtsgericht, sind TuS Vahr und SG Arbergen-Mahndorf rückwirkend zum 1. Januar Geschichte. Es lebe die SG Bremen-Ost.
Nach aufregenden Monaten im Herbst 2019 nun also doch ein spätes Happy End? „Ich bin gespalten“, sagt Mike Bleyer, der Vorstandsvorsitzende der neuen SGBO, „weil wir einen größeren Zusammenschluss angestrebt hatten. Aber es ist ein Anfang – besser so als gar nicht.“ Bleyer kann die Enttäuschung vor allem darüber, dass OT mit seinen etwa 2000 Mitgliedern nicht dabei ist, aber nicht verhehlen. Wie beim ATSV Sebaldsbrück, sei eine Mehrheit bei OT für den Zusammenschluss gewesen. „Es tut mir für beide Vereine leid, dass sie in zwei Lager gespalten sind.“
Mitglieder aus Sebaldsbrück und Osterholz zur SGBO?
Nun bleibt abzuwarten, wie verschmelzungswillige Mitglieder aus Sebaldsbrück und Osterholz auf den neuen Verein reagieren. Werden sie sich, nachdem ihre Stimmen keinen Wechsel herbeiführten, der SGBO anschließen? „Es ist nicht unser Antrieb, aus diesen Vereinen Mitglieder abzuwerben – davon distanziere ich mich“, sagt Mike Bleyer. Tatsache ist aber, dass OT zur Jahresmitte 2020 mehr Mitglieder verloren hat als in anderen Jahren. Die Vorsitzende Ute Brunzel spricht von mehr als 250 Austritten. „In meinen zwölf Jahren als Vorsitzende haben wir immer verhindern können, unter die Marke von 2000 Mitgliedern zu fallen“, sagt sie. „Jetzt sind wir erstmals darunter.“
Ute Brunzel steht exemplarisch für alle, die unter den Folgen der gescheiterten Verschmelzung leiden. Seit 20 Jahren engagiert sie sich für OT, die letzten zwölf als Vereinschefin. Seit etwa zehn Jahren gehört sie zur Gruppe der Klubvertreter, die ihre Idee von der SG Bremen-Ost vorantrieben. Nach zwei gescheiterten Abstimmungen ist Ute Brunzel von Teilen der OT-Mitgliedschaft massiv angegangen worden. Längst hat sie angekündigt, den Vorsitz abzugeben.
Corona mit all seinen Folgen hat den Rücktritt bislang verhindert. Dass Ute Brunzel bei OT noch im Amt ist, liegt daran, dass sie ihre Geschäfte eigentlich geordnet hatte übergeben wollen. Jetzt ist sie mit ihrer Geduld am Ende. „OT ist für mich erledigt“, sagt sie. Sollte am 24. August, dem Tag der Jahreshauptversammlung, kein neuer Vorstand gewählt worden sein, werde sie bei Gericht einen Notvorstand bestellen. Der wird dann die Geschäfte übernehmen; das ist das Verfahren, wenn es nicht mehr anders geht. Besonders bitter dabei: Ute Brunzel würde genau das tun, was sie aus Liebe und Loyalität zu ihrem Verein nie hatte tun wollen.
Im Gegensatz zu OT hat es der ATSV Sebaldsbrück bereits geschafft, einen neuen Vorstand zu wählen, nachdem der Vorsitzende Jens Bunger zurücktrat. Ute Brunzel, Jens Bunger und Vahrs bisheriger Vorsitzender Uwe Jacobs gehören dem neuen SGBO-Vorstand als Stellvertretende Vorsitzende an. Mike Bleyer ist Vorstandsvorsitzender und Sprecher des Gremiums. Im November 2019 war auf der Abstimmungsversammlung der SG Arbergen-Mahndorf vorsorglich bereits der Vorstand der SG Bremen-Ost gewählt worden. Aufgrund ihrer Vermögenswerte – sie hatte drei eigene Hallen und eine Tennisanlage – und damit aus steuerrechtlichen Gründen sollte die SGAM die anderen Vereine aufnehmen. Aus juristischer Sicht wählten die Vereine den Weg der Verschmelzung und nicht der Fusion. Beide Wege hätten zur Sportgemeinschaft Bremen-Ost geführt.
Nach den mehr oder weniger großen Verwerfungen in den Klubs wegen der Abstimmungen beginnt bei der SGBO mit ihren nunmehr etwa 2700 Mitgliedern die Arbeit erst richtig. „Jetzt müssen wir unsere Mitglieder auch von den Vorzügen der SG überzeugen“, sagt Mike Bleyer. Bei gleichem Vereinsbeitrag der Mitglieder wachse das sportliche Angebot für sie. Die SGAM bringt beispielsweise Fußball, Handball und Tennis in die Vereinsehe mit ein, der TuS Vahr – in Kooperation mit dem ATSV Sebaldsbrück – Schwimmen.
Mit mehr Mitgliedern erhofft sich die SGBO auch mehr Gewicht bei politischen Entscheidungen. Eine wichtige ist derzeit in aller Munde: die zukünftige Nutzung des Geländes der Galopprennbahn. „Da wollen wir uns mit einbringen“, sagt Mike Bleyer. Uwe Jacobs hat in seiner Zeit als Vahrs Vorsitzender erleben müssen, wie sich die Sportstättensituation in seinem Stadtteil kontinuierlich verschlechterte. „Die Galopprennbahn ist die letzte große Chance für den Bremer Osten“, sagt Jacobs und hofft wie Bleyer auf neue Sportanlagen. Auch deshalb, weil der TuS Vahr allein kaum etwas ausrichten konnte, habe er sich letztlich für die Zweier-Lösung mit der SGAM starkgemacht. Es ist erst einmal eine kleine Lösung, aus der aber Großes erwachsen kann.