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Kritik an Delmenhorster Bauamt "Dreye ist unser Plan B"

Bei einem Betriebsbesuch von Kommunal- und Landespolitik der FDP berichteten die Firmeninhaber von Bäckermeister Haferkamp von Problemen, in Delmenhorst eine Baugenehmigung zu erhalten.
25.05.2021, 15:49 Uhr
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Von Gerwin Möller

"Zu 95 Prozent ist hier alles selbst hergestellt, auf Fertigmischungen wird verzichtet", sagte Bäckermeister Wilhelm Haferkamp bei einer Betriebsführung am vergangenen Freitag. Stolz zeigte er, wie sogar die Erdbeermarmelade frisch eingekocht wird. Körner für die Zubereitung von Brot und Brötchen werden im eigens dafür angeschafften Ofen geröstet, "erst durch diese Feinheit gibt es den besseren Geschmack", sagte Haferkamp. Die Herrenrunde, die ihn begleitete, bestand aus FDP-Politikern. Der liberale OB-Kandidat Murat Kalmis hatte seinen Landeschef, Stefan Birkner, nach Delmenhorst eingeladen. Kalmis weiß, dass Wilhelm Haferkamp nicht nur froh ist, mit seinem Betrieb gut durch die Corona-Krise gekommen zu sein, ihm sind auch die Sorgen des Chefs des mittelständischen Unternehmens bekannt: Seit Monaten harrt man hier aus, weil das Delmenhorster Bauamt es nicht schafft, einen Bauantrag zu bewilligen. "Zwei Jahre und länger, das geht einfach nicht, wir verlieren auf diese Weise Investoren", sagte Kalmis.

Wilhelm Haferkamp führt den Familienbetrieb zusammen mit seinem Sohn, der auch Wilhelm Haferkamp heißt. Der Junior geriet ins Schwärmen, als er der FDP-Delegation, beim Rundgang waren auch Delmenhorsts Parteichef Werner Stoffregen und dessen Stellvertreter Claus Hübscher dabei, die Pläne für den Ausbau um eine Fläche von rund 1000 Quadratmetern vorstellte. Eine Halle soll vor dem bestehenden Bäckereigebäude errichtet werden. Dorthin werden ein Großteil der Kommissionierungs- und Teile der Logistikarbeit verlegt. Soweit, so unspektakulär. Bis Wilhelm Haferkamp junior auf die technischen Finessen zur Sprache kam: Der Betrieb wird mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet, die weitaus mehr Energie erzeugt, als für den Bäckereibetrieb benötigt wird. Dazu plant man die Errichtung eines kombinierten Blockheizkraftwerkes, dort nutzt man beispielsweise die Restwärme der Öfen. Die Bäckerei wird außerdem mit einem 30-kW-Stromspeicher ausgerüstet. "Alles, was die Arbeit erleichtert und zum Beispiel den Rücken schont, versuchen wir zu automatisieren, die handwerklichen Abläufe bleiben weitgehend erhalten", erklärte der Seniorchef. Beim Umbau denkt er an die neuen pelletbetriebenen Öfen, so wie früher Holzscheite zum Einsatz kamen, soll wieder mit dem Naturstoff gebacken werden.

Haferkamp Junior nennt den An- und Umbau ein Millionenprojekt. Man habe auch öffentliche Fördermittel beantragt. Sauer ist er auf das Bauamt im Rathaus, dort liege schon der zweite Bauantrag. Dessen Nicht-Genehmigung habe das Unternehmen schon Mehrkosten von rund 250.000 Euro eingebracht. "Der Hallenbauer muss seine Preise anheben." Auch für die Fördermittel gebe es ein Verfallsdatum, "wir sind darauf angewiesen, noch in diesem Jahr zu bauen", sagte Wilhelm Haferkamp junior. Die Haferkamps fühlen sich für rund 400 Mitarbeiter verantwortlich. "Durch die Corona-Zeit sind wir gut durchgekommen", so der Senior. Das Mittel der Wahl war Wachstum. Mittlerweile hat das Unternehmen, dass die Haferkamps im Jahr 2004 als "Mühlenbachs Backstube" erworben haben, über 40 Verkaufsstellen von Delmenhorst, Bremen, Achim und bis nach Bremerhaven. "Unsere Produktion platzt ohne Anbau aus allen Nähten", sagte Haferkamp junior, der Jahresumsatz habe vor zehn Jahren bei 1,2 Millionen Euro gelegen, heute weise die Bilanz einen jährlichen Umsatz von rund 20 Millionen Euro aus. "Wenn wir mit der Baugenehmigung in Delmenhorst nicht weiterkommen, brauchen wir einen Plan B", sagte Wilhelm Haferkamp senior. Man habe bereits ein Grundstück für einen Neubau, das aber liege nicht in Delmenhorst, "sondern im Landkreis Diepholz, in Dreye".

Stefan Birkner, der im Kabinett von David McAllister zeitweise das niedersächsische Umweltministerium leitete, hörte sich die Schilderungen gut an. Auch die mangelnde Unterstützung des Handwerksbetriebes während der Pandemie war von den Haferkamps benannt worden. Anders als andere Betriebe habe man nur kurze Zeit von Ausgleichszahlungen für die Zwangsschließung seiner Bäckerei-Cafés profitiert. "Das hat schon etwas mit Enteignung zu tun", befand Haferkamp junior, der sich in dieser Angelegenheit gerade direkt an Wirtschaftsminister Peter Altmaier wendet. Birkner bescheinigte dem Delmenhorster Bäcker, alles richtig gemacht zu haben, "aber den mittelständischen Familienunternehmen fehlt die Lobby, wie sie beispielsweise die Automobilindustrie hat, und das, obwohl hier fast genauso viele Menschen Beschäftigung finden".

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