Die Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg im vergangenen Februar zwingt die Gemeinde Stuhr jetzt zu Änderungen an ihrer Bauleitplanung im Gewerbegebiet Brinkum-Nord. Die Stadt Delmenhorst war gegen die Ansiedlung des Sportartikelanbieters Decathlon vor Gericht gezogen und bekam dort letzten Endes Recht. Der Bebauungsplan für die Verkaufsstätte des internationalen Herstellers und Händlers von Sportgeräten und -bekleidung wurde vom Gericht für unwirksam erklärt und ist damit ohne gültige Baugenehmigung errichtet worden.
Einen Abriss des bereits knapp ein Jahr zuvor eröffneten Fachmarktes wird es aus Sicht der Gemeinde Stuhr aber nicht geben. Von dort hieß es, ein Abbruch sei unwahrscheinlicher als ein Meteoriteneinschlag. Nun wird in der Nachbargemeinde überlegt, wie die Planung nach dem Richterspruch geheilt werden kann. Im Delmenhorster Fachausschuss für Bauen, Planen und Verkehr informierte Stadtplanerin Elke Tewes-Meyerholz am Dienstagabend über entsprechende Verfahren, in die Delmenhorst sich erneut einbezogen sehe, es seien im Zuge der Beteiligung öffentlicher Träger Stellungnahmen abzugeben.
Stuhr lehnt interkommunale Abstimmung ab
Da die Gemeinde Stuhr ein im Rahmen des Kommunalverbunds Bremen/Niedersachsen gängiges Instrument interkommunaler Abstimmung, das Regionale Zentren- und Einzelhandelskonzept Region Bremen, nicht anerkenne, werde dort bei der Ansiedelung von Einzelhandelsunternehmen nicht über den eigenen Kirchturm hinaus geblickt, so Tewes-Meyerholz. Während Delmenhorst seine Innenstadtkaufleute mit einem eigenen Einzelhandelskonzept vor Konkurrenz von der grünen Wiese zu schützen versucht, vertritt man in Stuhr eine andere Auslegung über zentrumsrelevante Sortimente. Dort wird ausschließlich daran gedacht, innergemeindlich auf Konkurrenzsituationen zu achten. Einem Blick nach Bremen oder in Richtung Delmenhorst verschließt man sich.
Wenn das Schule machen würde, könnte bald jedes Dorf, das eine Kirche und einen Dorfkrug hat, den Raum darum zu schützen vorgeben und ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese ansiedeln, beschrieb Tewes-Meyerholz die Situation mit einem Schmunzeln. Dass eine solche Ansicht sich nicht durchsetzen werde, sieht sie durch die Lüneburger Entscheidung manifestiert, der Richterspruch habe deswegen auch bundesweit Beachtung gefunden.
Delmenhorst zieht sein eigenes Einzelhandelskonzept, das gerade aktualisiert wird, auch innerhalb seines Stadtgebietes heran. Zuletzt hatte es Kontroversen um die Verlegung eines Sonderpostenmarktes gegeben. Die Brüder Pawlowski wollten mit ihrem Postenhandel-Nord vom Jute-Center in der Innenstadt in die aufgegebene Max-Bahr-Immobilie im Bereich des Gewerbegebietes Reinersweg nach Stickgras umsiedeln.
Drei Bebauungsplanänderungsverfahren werden nun in Stuhr angestrebt: Im ersten Fall soll es um das vom Gericht für nichtig erklärte Gebiet des Decathlon-Neubaus gehen. In Stuhr meint man, dass ein bloßer Formulierungsfehler fürs Gericht anstößig gewesen sei: Im für ungültig befundenen B-Plan war von einem Anbieter von Sportartikeln die Rede gewesen. Ein Plan müsse aber offener gestaltet sein, so die Erkenntnis in der Stuhrer Verwaltung. Nun soll die Formulierung im Plural gefasst werden, man will nicht mehr von einem Sportartikelmarkt sprechen, sondern von Sportartikelmärkten. Außerdem soll näher ausgeführt werden, warum Decathlon keinen Geschäften im eigenen Zentrum Konkurrenz bereite.
"Delmenhorst hält an seiner Auffassung fest und beruft sich damit auch auf Vorgaben des Landes Niedersachsen", sagte Tewes-Meyerholz. Der Schutz innenstadtrelevanter Sortimente sei über Stuhr hinaus in den Blick zu nehmen.
In Stuhr will man noch ein weiteres Baugebiet neu beplanen. Auch dabei handelt es sich um eine Planänderung für ein bereits bebautes Gebiet in Brinkum-Nord. Zwei Flächen, die des Garten- und Baufachmarktes Toom und des Teppichfachmarktes Kibek sollen von neuen B-Plänen profitieren. Dort laufe man Gefahr, dass sonst für sogenannte Randsortimente Flächenbegrenzungen eingehalten werden müssten, die den Status quo verschlechtern würden.
Eine dritte B-Plan-Änderung soll darauf reagieren, dass nach dem Gerichtsbeschluss keine Gültigkeit des Decathlon-Bebauungsplanes mehr anerkannt wäre, daher wolle man für das Gewerbegebiet Brinkum-Nord vorläufig den Rechtsstand des Jahres 1978 wiederherstellen.