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Delmenhorster Politiker fordern mehr Personal Kritik an neuem Kita-Gesetz

SPD-Kultusminister Grant Hendrik Tonne muss für seinen Entwurf für ein neues Kita-Gesetz in Delmenhorst viel Kritik einstecken. Der Tenor: Für den Kindergarten braucht es dringend eine dritte Betreuungskraft.
20.05.2021, 17:57 Uhr
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Kritik an neuem Kita-Gesetz
Von Björn Struß

An diesem Freitag kehren die Kitas in Delmenhorst zurück zu einem eingeschränkten Regelbetrieb. Vorher galt für über sechs Wochen die Notbetreuung, viele Kinder mussten zu Hause bleiben. Die Sehnsucht der Eltern nach einem normalen Alltag ist groß, die Wertschätzung der Kitas war selten größer. Umso stärker schauen Eltern und Erzieher deshalb nach Hannover. Dort berät die Landespolitik aktuell über ein neues Kita-Gesetz, das die Arbeit im frühkindlichen Bereich auf neue Füße stellt. Der Entwurf von Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) steht in der Kritik, weil von einer dritten Betreuungskraft für Kindergartengruppen keine Rede ist. Diesen Schritt haben sich die Regierungsparteien CDU und SPD eigentlich in den Koalitionsvertrag geschrieben, um den Personalschlüssel in den Kitas zu verbessern. Auch in Delmenhorst werden die Rufe nach einer gründlichen Überarbeitung des Entwurfs immer lauter.

"Die dritte Kraft muss in das Gesetz, die Personalbesetzung in den Kitas ist schaurig", sagt Gabi Baumgart (Delmenhorster Liste), die als Ratsfrau den Vorsitz im Jugendhilfeausschuss innehat. Die ausgebildete Erzieherin hat selbst bereits eine Kita geleitet. "In dem Gesetz sind drei Fortbildungstage pro Mitarbeiter vorgesehen. So entstehen neben Krankheitstagen zusätzliche Zeiten, in denen die Gruppen nicht einmal zwei Betreuer haben", kritisiert sie. Es brauche klare Vorgaben für genügend Personal.

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Mehrausgaben für Kommune befürchtet

Für die Politikerin ist das Gesetz insgesamt viel zu schwammig. Sie befürchtet, dass auf die Kommune Delmenhorst neue finanzielle Belastungen zukommen. "Zum Beispiel sollen alle Einrichtungen Fachberatung anbieten. Es ist aber nicht festgelegt, in welchem Umfang und auch nicht, wer dieses zusätzliche Personal bezahlt", argumentiert Baumgart. Aktuell gebe es diese zusätzliche Beratung nur für Integrationsgruppen, also bei Kindern mit einer Behinderung. In Zukunft soll es bei Problemen in der Entwicklung der Kinder grundsätzlich möglich sein, den Rat eines zusätzlichen Pädagogen in Anspruch zu nehmen.

Der Dreh- und Angelpunkt sind für Baumgart neue Ausbildungsstrukturen: "Für vier Jahre müssen die jungen Menschen sogar noch Geld mitbringen, anstatt etwas zu verdienen. Welcher 17-Jährige entscheidet sich denn für einen solchen Weg, bei dem er sich noch nicht einmal ein Auto leisten kann?"

Die Niedersächsische Landesregierung hat sich für den steigenden Fachkräftebedarf der Kitas etwas anderes einfallen lassen. Das neue Gesetz soll es Quereinsteigern leichter machen, in einer Kita zu arbeiten. Ein abgeschlossenes Lehramtsstudium für Grundschulen soll beispielsweise die Arbeit in Hortgruppen möglich machen. Staatlich anerkannte Heilpädagogen und Heilerziehungspfleger dürften die Kitas künftig als pädagogische Fachkräfte einstellen.

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"Das sind Helden des Alltags"

Für Deniz Kurku (SPD), Landtagsabgeordneter und Ratsherr in Delmenhorst, ist diese Erweiterung des Fachkräftekatalogs eine Stärke des neuen Gesetzes. "Grundsätzlich sind wir als Land zu dieser Überarbeitung verpflichtet, damit die Mittel des Bundes weiter fließen", erklärt er. Von Eltern und Kitas erreichten ihn aus Delmenhorst derzeit viele E-Mails. "Was die gerade leisten, ist Wahnsinn. Das sind definitiv Helden des Alltags", sagt Kurku. Umso größer sei dann aber auch in vielen Fällen die Enttäuschung über den Gesetzesentwurf. "Wichtig ist, dass dieses Gesetz nur ein Baustein ist, um die frühkindliche Erziehung weiter zu verbessern. Es ist nicht die abschließende Verbesserung, die alles regelt", argumentiert er.

Der Landtag hat bereits in erster Lesung über das Gesetz debattiert, im Kulturausschuss äußerten sich dann Verbände, Organisationen und Gewerkschaften. "Es laufen aktuell viele Gespräche. Deshalb lässt sich noch nicht sagen, wann der Landtag über das Gesetz abstimmen wird", berichtet Kurku. Die SPD verfolge nach wie vor das Ziel einer dritten Betreuungskraft für den Kindergarten. "Ich würde gerne einen Stufenplan zur Drittkraft direkt in das Gesetz schreiben", sagt Kurku. Gleichzeitig müsse man sich aber auch daran orientieren, was in der Praxis tatsächlich umsetzbar sei.

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Kritik von Grünen und FDP

Dringenden Nachbesserungsbedarf sieht in Delmenhorst auch die Stadtratsfraktion der Grünen. „Im vorliegenden Entwurf gibt es keinerlei Qualitätsverbesserung“, urteilt Ratsherr Uwe Dähne in einer Pressemitteilung. Nach den belastenden Monaten sei eine Umsetzung in der aktuellen Fassung für alle Beteiligten wie ein Schlag ins Gesicht. Unter anderem werde die Inklusion überhaupt nicht bedacht, eine gute frühkindliche Bildung sei mit diesem Gesetz kaum möglich. Die Grünen fordern: "Das Kultusministerium muss nun auf die Fachleute der Verbände und die Eltern hören und das Gesetz dringend nachbessern."

Auch Murat Kalmis, Ratsherr und OB-Kandidat der FDP, hatte zuvor scharfe Kritik geäußert. Die Erwartung der Kita-Leitungen in Delmenhorst sei, dass das neue Gesetz bessere Standards setze und eine Verbesserung der Gehaltsstufen bringe. "Von diesen notwendigen Verbesserungen ist der Gesetzesentwurf weit entfernt, und er geht von einer Kostenneutralität der geplanten neuen Rahmenbedingungen aus. Damit wird den Mitarbeitenden in den Kitas bedeutet, dass sie mehr arbeiten und leisten sollen, ohne dass dafür mehr Geld zur Verfügung steht", argumentiert Kalmis in einer Pressemitteilung.

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