Wenn es am Mittwochabend um drei Punkte für den SV Tur Abdin geht, werden die Fußballer des Delmenhorster Bezirksligisten ganz normal trainieren. Klingt verrückt, ist es auch. Der ungewöhnliche Corona-Modus der diesjährigen Saison in der Bezirksliga Weser-Ems II macht es möglich. Das letzte Spiel der Qualifikationsrunde bestreiten an diesem Mittwoch ab 20 Uhr GVO Oldenburg und Blau-Weiß Bümmerstede. Dabei entscheidet sich nicht nur, ob GVO mit einem Sieg noch in die Aufstiegsrunde einzieht. Für mehrere andere Mannschaften ist erst nach der Partie klar, wie viele Punkte sie in die Aufstiegs- oder Abstiegsrunde mitnehmen. Sollte es GVO schaffen, hätte Tur Abdin beispielsweise zehn Punkte auf dem Konto. Sollte GVO scheitern und der FC Hude stattdessen die Aufstiegsrunde erreichen, wären es nur sieben Zähler.
"Wir warten einfach ab, ändern können wir es eh nicht", sagt Abdin-Coach Christopher Demir. "Sollen wir jetzt nach Oldenburg fahren und GVO anfeuern? Wir sind doch keine 15 mehr. Wir trainieren am Mittwoch wie immer, und danach schauen wir, wie es in Oldenburg steht." Wie mehrere andere Bezirksliga-Trainer ist Demir inzwischen ohnehin eher genervt vom Modus. Zuletzt wurden viele bedeutungslose Partien ausgetragen, weil ohnehin klar war, dass keine der beiden Mannschaften die Punkte in den zweiten Saisonteil mitnehmen würde. Am kommenden Wochenende wird nun nicht einmal mehr gespielt: Die für Sonntag angesetzt Partie zwischen Tur Abdin und Bümmerstede hat die Staffelleitung abgesetzt.
Zwei Bezirksliga-Spiele abgesetzt
Demir erfuhr davon per E-Mail und kann über die Entscheidung nur den Kopf schütteln. "Wir hatten für das kommende Wochenende ein Testspiel gegen den TuS Obenstrohe abgemacht. Das haben wir abgesagt, weil ja noch das verlegte Pflichtspiel gegen Bümmerstede anstand. Jetzt muss ich mich darum kümmern, dass wir doch noch einen Testspielgegner finden, damit wir im Rhythmus bleiben", sagt der Abdin-Trainer. Bereits am Sonntag hatte Tur Abdin ungewollt spielfrei, weil der SV Atlas II kurzfristig wegen mehrerer erkrankter Spieler absagte. Die Blau-Gelben hätten die Partie gerne nachgeholt, doch auch das wird nichts mehr. "Zwei Spiele wurden abgesetzt, weil sie keinen Einfluss mehr auf die Aufstiegs- und Abstiegsrunde haben. Sie haben schlicht keinen Wert mehr, daher braucht auch nicht gespielt zu werden", sagt Stefan Brinker auf Nachfrage. Der Vorsitzende des Bezirksspielausschusses vertritt derzeit den erkrankten Bezirksliga-Staffelleiter Frank Schulte.
Schulte hatte sich vor der Saison in Absprache mit den Vereinen für den Corona-Modus entschieden. Die Idee dahinter: Die Klubs sollten nicht zu viele Spiele haben, und man wollte auf einen möglichen Saisonabbruch vorbereitet sein. Also wurde die Qualifikationsrunde der Bezirksliga Weser-Ems II in zwei Staffeln ausgetragen. Die vier besten Teams jeder Staffel qualifizieren sich für die Aufstiegsrunde, der Rest spielt in der Abstiegsrunde. Mannschaften, die bereits in der Qualifikationsrunde gegeneinander gespielt haben, treffen nicht noch einmal aufeinander, sondern nehmen die Punkte aus den direkten Duellen mit.
Wertung noch unklar
Dass dadurch im finalen Teil der Qualifikationsrunde einige Partien keine Bedeutung mehr haben würden, war von vornherein klar. "Aber in einer normalen Saison lassen es Mannschaften, die im Tabellenmittelfeld stehen, in den letzten Spielen auch oft etwas ruhiger angehen", hatte Schulte zu Recht angemerkt. Am Ende einer Spielzeit gibt es immer Partien, die nur noch statistischen Wert haben, aber sie werden trotzdem ausgetragen. Umso ungewöhnlicher ist die Entscheidung, zwei Spiele des SV Tur Abdin einfach abzusetzen. Wie genau diese in die Qualifikationsrundentabelle eingehen, konnte Brinker noch nicht sagen. Während das Spiel gegen Atlas II wegen des Nichtantritts des Gegners für Abdin gewertet werden könnte, ist die Sache bei der Partie gegen Bümmerstede schon schwieriger. Möglicherweise wird die Begegnung einfach gestrichen. "Dann könnten wir Stenum nicht mehr vom ersten Platz der Qualifikationsrunde verdrängen. Das wäre schon etwas schade", sagt Abdin-Coach Demir.
Die kuriose Qualifikationsrunde gipfelt nun im letzten Spiel GVO gegen Bümmerstede, bei dem es gleich mehrere Gewinner und Verlierer geben wird. Beim FC Hude schauen sie etwa gespannt auf die Begegnung. Der GVO braucht einen Sieg oder ein Unentschieden mit mindestens vier eigenen Treffern, um die Huder noch zu überholen und die Aufstiegsrunde zu erreichen. "Wir werden ein paar Kisten Bier auf den Markt schmeißen und hoffen", sagt Hudes Trainer Nikolai Klein. Seine Mannschaft könnte vom Modus profitieren oder darunter leiden. Sollte der FC Hude es in die Aufstiegsrunde schaffen, würde er zehn Punkte mitnehmen und könnte sogar vom Landesliga-Aufstieg träumen. Beim Gang in die Abstiegsrunde hätte der FCH ebenfalls zehn Zähler auf dem Konto und müsste um den Klassenerhalt kämpfen.
Auswirkungen auf die Aufstiegsrunde
Tur Abdin hat das Ziel ausgegeben, um den Landesliga-Aufstieg mitzuspielen. Wenn sich GVO durchsetzt und die Delmenhorster zehn Punkte in die Aufstiegsrunde mitnehmen, wäre der SV Wilhelmshaven zumindest noch in Reichweite. Das Topteam der anderen Staffel weist 14 Zähler auf. Scheitert GVO, könnte Abdin mit nur sieben Punkten wohl auch den Aufstiegskampf abhaken. "Einen Abstand von sieben Punkten in acht Spielen aufzuholen, das wäre nicht ohne", sagt Demir.
Relativ entspannt kann dagegen der VfL Stenum das Spiel in Oldenburg verfolgen. Falls sich GVO für die Aufstiegsrunde qualifiziert, würde Stenum sieben Punkte mitnehmen. Sollte es Hude schaffen, wäre es lediglich ein Zähler mehr. Und wie sieht es bei den Teilnehmern an der Abstiegsrunde aus? Der SV Atlas II behält 16 Punkte (GVO in der Aufstiegsrunde) oder zwölf Punkte (Hude in der Aufstiegsrunde), der TuS Heidkrug 14 (GVO in der Aufstiegsrunde) oder elf Zähler (Hude in der Aufstiegsrunde), und der SV Baris nimmt in beiden Fällen sechs Punkte mit.