Die Bedingungen im Ostfriesland-Stadion sind für die Gastmannschaft speziell. Der enge, vergitterte Spielertunnel mündet direkt neben dem Fanblock von Kickers Emden aufs Spielfeld. Als die Fußballer des SV Atlas Delmenhorst dieses Nadelöhr nach der Halbzeit passierten, flogen die Bierbecher. "Dass man hier mehrere Bierduschen bekommt, kann nicht sein", sagte Atlas-Sportchef Bastian Fuhrken. Nach dem Abpfiff regnete es noch einmal Becher auf die Delmenhorster, da waren die Plastikbehältnisse immerhin leer. Es war der negative Schlusspunkt eines unerfreulichen Sonntagnachmittags aus Atlas-Sicht. Fünf Tage nach dem 4:2-Sieg über Emden im Niedersachsenpokal unterlagen die Blau-Gelben in der Oberliga mit 0:2 (0:1) gegen den Erzrivalen. "Die Niederlage war verdient", musste Atlas-Trainer Dominik Schmidt einräumen.
"Haben kühlen Kopf bewahrt"
Als ehemaliger Profi hat er schon einiges erlebt, doch auch er ärgerte sich über Vorkommnisse rund um das Spiel. "Die Stimmung war sehr feindselig. Von den Emder Fans wurden wir beworfen und von den Spielern provoziert", schilderte Schmidt. Überrascht sei er davon aber nicht gewesen. "Nach dem Spiel am Dienstag hatten wir das erwartet. Für uns ging es darum, kühlen Kopf zu bewahren. Das haben wir geschafft", betonte Schmidt.
Vor der beachtlichen Kulisse von 2204 Zuschauern agierten die Delmenhorster zunächst sehr abgeklärt. Schmidt schickte erneut die Startelf auf den Platz, die Emden im Pokal klar bezwungen hatte. Atlas wartete zunächst ab, und die Gastgeber trauten sich nicht so richtig. "Nach der Niederlage vom Dienstag fehlte uns in der ersten Hälfte der Mut, nach vorne durchzuschieben. Dadurch waren wir in der Offensive immer in Unterzahl", analysierte Kickers-Coach Stefan Emmerling. Wenn es mal gefährlich wurde, war die Atlas-Defensive zur Stelle. Einmal rettete Philipp Eggersglüß in höchster Not (6.), einmal Eugen Uschpol (34.) und einmal Raoul Cissé (37.). Auf der Gegenseite hatte Mustafa Azadzoy nach einer schönen Kombination die beste Gelegenheit für die Gäste: Nach einem Pass von Shamsu Mansaray scheiterte der Atlas-Kapitän per Flachschuss am gegnerischen Torwart Isaak Djokovic (42.). "Den hat er gut gehalten. Wenn der reingeht, läuft das Spiel bestimmt anders", sagte Fuhrken.
Steffens trifft per Fallrückzieher
Danach stellten sich alle auf ein 0:0 zur Pause ein, doch in der 45. Minute gelang Kickers-Torjäger Tido Steffens ein echter Geniestreich. Eine Flanke von außen hatte die Atlas-Abwehr abgewehrt, als der Ball im hohen Bogen zu Steffens flog, der das Spielgerät per Fallrückzieher zum 1:0 ins Netz wuchtete. "Der Treffer fiel zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Bis dahin war es ein vollkommen offenes Spiel", sagte Schmidt. Die Folgen der Emder Führung fasste sein Gegenüber Emmerling treffend zusammen: "Danach musste der Gegner aufmachen, und es sind Räume entstanden, die wir genutzt haben."

Enttäuschte Delmenhorster und jubelnde Emder gab es nach dem Abpfiff im Ostfriesland-Stadion zu sehen.
Im zweiten Durchgang fiel dem SV Atlas im Spiel nach vorne wenig ein, während die Emder deutlich gefährlicher waren. Zudem wurde es zunehmend hektisch. Nach einem Foul von Uschpol kam es zu einer Rudelbildung. Der Ex-Atlas-Akteur Tobias Steffen ging dabei zu Boden, stand aber schnell wieder, um den fälligen Freistoß auszuführen. Diesen zirkelte er auf den zweiten Pfosten, wo ausgerechnet Torjäger Steffens völlig freistand und zum 2:0 einköpfte (54.).
Schobert hält zweimal stark
Danach gelang es den Delmenhorstern nicht mehr, noch einmal Druck zu erzeugen. Das sei auch eine Kraftfrage gewesen, betonte Schmidt. "Wir haben derzeit sieben Verletzte. Das fällt in so einer englischen Woche besonders ins Gewicht. Meine Mannschaft hat aber alles versucht, ich bin mit dem Auftritt zufrieden." Atlas-Torwart Damian Schobert verhinderte weitere Gegentreffer. Erst parierte er einen Kopfball von Marvin Eilerts nach einer Ecke stark (59.), dann rettete er gegen den frei vor ihm auftauchenden Steffens (76.).
Nach drei Pflichtspielsiegen in Folge kassierten die Delmenhorster nun wieder eine Niederlage und rutschten auf Platz neun ab. Kickers Emden wahrte derweil den Heimnimbus und gewann in dieser Saison auch das vierte Ligaspiel im Ostfriesland-Stadion. Dass die Fahrt nach Emden nun abgehakt ist, stimmte Dominik Schmidt immerhin positiv. Der Atlas-Trainer betonte: "Unseren Sieg im Pokal kann Emden nicht mehr gutmachen, die jetzige Niederlage in der Liga können wir dagegen wieder gutmachen. Es gibt schließlich noch ein Rückspiel, in dem wir Emden dann bei uns begrüßen dürfen." Besonders freundlich dürften die Ostfriesen dort auch nicht empfangen werden.