Bevor der Sieg gefeiert wurde, mussten die Anhänger des SV Atlas Delmenhorst den Fans des Erzrivalen Kickers Emden noch einmal mitteilen, was sie von ihnen halten. Das weiß zwar ohnehin jeder, doch nach dem Abpfiff waren die Schmähgesänge für den Gegner besonders laut, erst dann stimmten die blau-gelben Fans und Spieler die nach Siegen obligatorische "Humba" an. Die Freude bei allen Delmenhorstern war groß, aber noch größer war die Erleichterung. Nach sieben sieglosen Spielen in Serie hat Atlas am Sonnabend mal wieder gewonnen: Durch ein 3:1 (2:1) gegen den Tabellenletzten Emden kletterte der Fußball-Regionalligist vorerst auf Platz zwölf und vergrößerte den Abstand zur Abstiegszone etwas.

Eine besondere Atmosphäre herrschte im Delmenhorster Stadion: Sowohl die Atlas-Fans als auch die Emder Anhänger machten Stimmung.
Atlas-Trainer Key Riebau wollte kurz nach dem Abpfiff gar nicht zu tief in die Spielanalyse einsteigen und betonte: "Am wichtigsten sind die drei Punkte, alles andere ist egal. In unserer jetzigen Situation interessiert am Ende nicht, wer Vorteile oder Nachteile hatte." Riebau hatte seine Startelf im Vergleich zur 1:3-Niederlage bei der U21 des Hamburger SV auf zwei Positionen verändert. Leo Weichert rückte für Florian Stütz in die Innenverteidigung, und Mattia Trianni kam für den gelbgesperrten Olivér Schindler ins Team. Im 4-2-3-1-System bekleidete Trianni die zentrale Angriffsposition.
Das Spiel nahm direkt Fahrt auf, was sicher auch an der Kulisse lag. 1100 Zuschauer waren da, darunter etwa 150 Fans aus Emden im Gästeblock. Ein großes Polizeiaufgebot begleitete die Partie, Zwischenfälle gab es nicht. Die Fans der beiden Erzrivalen lieferten sich lediglich einen verbalen Schlagabtausch, während auf dem Platz zunächst Atlas Vorteile hatte. Die Emder standen tief und bildeten bei gegnerischem Ballbesitz eine Fünferkette in der Abwehr. Die Delmenhorster suchten spielerische Lösungen und fanden diese zum Teil auch. Fast jeder Angriff lief über die rechte Seite, wo Marco Stefandl eine starke Leistung bot. In der zehnten Minute legte der Außenverteidiger den Ball für Mustafa Azadzoy auf, der aus zentraler Position an Kickers-Torwart Isaak Djokovic scheiterte.
Traumkombination unter Brüdern
Besser klappte es in der 34. Minute, als eine Stefandl-Hereingabe bei Trianni landete. Zwar versprang der Ball dem Angreifer zunächst bei der Annahme, doch Willem Hoffrogge spitzelte das Spielgerät noch einmal zu Trianni, der zum 1:0 traf. Nur drei Minuten später folgte der schönste Spielzug der Partie, den die Touray-Brüder vergoldeten: Ousman spielte einen Doppelpass mit Lamin und drückte den Ball zum 2:0 über die Linie (37.). "Unser zweites Tor war überragend herausgespielt. Genau so wollten wir auftreten, mit Selbstvertrauen und Mut", betonte Riebau. Der Treffer, der die Emder zurück ins Spiel brachte, fiel aus heiterem Himmel. Atlas-Torwart Eike Bansen verschätzte sich beim Herauslaufen und berührte Kickers-Angreifer Tido Steffens wohl leicht. Schiedsrichter Jannek Hansen zeigte auf den Punkt, und Steffens verwandelte zum 1:2 (44.). "Es war ein sehr ausgeglichenes Spiel. Die erste Halbzeit geht an Atlas, aber mit dem 1:2 sind wir dann viel besser ins Spiel gekommen", sagte Emdens Trainer Stefan Emmerling.
Für die Delmenhorster wurde die Partie nun zur Kopfsache. "Natürlich haben wir in der Pause versucht, uns noch einmal zu sammeln, aber das war schwierig. Die sieben Spiele haben Spuren hinterlassen. Man hat gemerkt, dass da einige Erinnerungen wach wurden", schilderte Riebau. Atlas überließ dem Gegner zunächst die Initiative, und das hätte sich in der 49. Minute beinahe schon gerächt, als Bansen gegen den freistehenden Steffens rettete. Die Gastgeber wirkten verunsichert. Nach einem schlimmen Ballverlust von Nico Matern klärte Weichert per Grätsche in höchster Not (54.).
Konterchancen in der Schlussphase
Je näher der Schlusspfiff rückte, desto mehr gingen die Gäste ins Risiko. Dadurch boten sich den Delmenhorstern Konterchancen. Julian Stöhr scheiterte nach schönem Zusammenspiel mit Trianni an Djokovic (73.). Atlas-Torjäger Dimitrios Ferfelis, der nach seinem Muskelfaserriss ein Comeback als Joker gab, köpfte über das Gehäuse (78.). Auf der Gegenseite zielte Marvin Eilerts ebenfalls per Kopf knapp daneben (81.). Als alle Delmenhorster nur noch den Abpfiff herbeisehnten, zog Trianni einen letzten Sprint fast über den ganzen Platz an und bediente Stefandl, der zum 3:1 einschob (90.+3). Die beiden besten Atlas-Akteure setzten somit den Schlusspunkt.
"Das Ergebnis ist enttäuschend, aber nicht so enttäuschend wie andere Niederlagen, weil wir sehr engagiert waren", bilanzierte Kickers-Coach Emmerling, der zudem zwei Atlas-Tore als "abseitsverdächtig" bezeichnete. Eher eine Nebenrolle spielte auf Emder Seite übrigens der ehemalige Atlas-Kapitän Nick Köster, der im defensiven Mittelfeld eine solide Leistung bot. Von den Delmenhorster Fans bekam Köster einige hämische Rufe zu hören, von mehreren Ex-Teamkollegen wurde er nach der Partie herzlich umarmt. In guter Erinnerung behalten wird er die Rückkehr nach Delmenhorst aber wohl trotzdem nicht – wegen der Niederlage und wegen seiner fünften Gelben Karte, die Köster wegen Meckerns sah.