Diesen Spruch konnte sich Thomas Hebgen nicht verkneifen. Als der SV Atlas Delmenhorst auf seiner Facebook-Seite die Einwechslung von Philip Stephan vermeldete, schrieb er darunter: "Der alte Mann!" Natürlich war das keinesfalls böse, sondern eher liebevoll gemeint. Hebgen und Stephan kennen sich nämlich bestens. Nach der Neugründung des SV Atlas im Jahr 2012 war der Verteidiger einer der ersten Spieler, die der damalige Manager Hebgen verpflichtete. Rund elf Jahre später trägt Philip Stephan immer noch das blau-gelbe Trikot und kam am vergangenen Sonntag im gehobenen Fußballeralter von 35 Jahren unerwartet zu seinem Debüt in der Oberliga Niedersachsen. Beim 3:1-Sieg gegen Arminia Hannover wurde der Abwehrspieler in der 87. Minute eingewechselt.
Wenn man Stephan auf sein Oberliga-Debüt anspricht, muss er erst einmal lachen. "Das ist schon eine verrückte Geschichte, weil ich von Anfang an dabei war und mitgeholfen habe, den Verein aufzubauen", sagt er. In der 1. Kreisklasse ging es los. Stephan erlebte die Aufstiege in die Kreisliga, in die Bezirksliga und in die Landesliga als Spieler mit. In den vergangenen Jahren lief er dann für die zweite Mannschaft auf. "In die Zweite zu gehen war für mich überhaupt kein Problem", sagt er. Als die Blau-Gelben weiter nach oben in die Oberliga und Regionalliga marschierten, stand der Verteidiger nicht mehr in erster Reihe, doch nun wurde er noch einmal gebraucht. Die Personalnot im Oberliga-Team ist derzeit groß, insbesondere an Verteidigern mangelte es gegen Hannover. "Wenn Hilfe benötigt wird, bin ich immer da. Ich habe sofort gesagt, dass ich mich gerne auf die Bank setzen kann", erzählt Stephan.
Zwei Spiele innerhalb von drei Tagen
Insgesamt fünf Akteure aus der zweiten Mannschaft standen im Kader für das enorm wichtige Oberliga-Duell am Sonntag. Sie hatten zwei Tage zuvor mit der Reserve noch 1:2 in der Bezirksliga gegen den TuS Obenstrohe verloren. Gemeinsam mit den Spielern der Ersten hat Philip Stephan übrigens noch nie trainiert. "Als am Sonnabend das Abschlusstraining war, habe ich meine Runden um den Platz gedreht, denn ich hatte ja am Abend vorher noch gespielt", schildert er. Der 35-Jährige rechnete daher auch nicht unbedingt damit, gegen Arminia Hannover tatsächlich zum Einsatz zu kommen.
Nachdem Joel Schallschmidt in der 83. Minute das 2:1 für Atlas erzielt hatte, rief ihn Co-Trainer Florian Urbainski aber doch zur Bank. "Er hat mir gesagt, dass ich noch sieben Minuten kriege und wir das 2:1 halten wollen", erzählt Philip. Während er sich für seinen Einsatz bereitmachte, fiel das vorentscheidende 3:1 durch Ousman Touray in der 85. Minute. "Dadurch war die Lage natürlich etwas sicherer, aber nervös war ich ohnehin nicht. Die Freude überwog", sagt Stephan. Für drei Minuten plus Nachspielzeit rückte er in die Viererkette. "Wir haben nur noch verteidigt und zum Glück nichts mehr zugelassen. Der Sieg war wichtig", betont das Atlas-Urgestein.
Viele Glückwünsche erhalten
Durch den erst zweiten Auswärtserfolg der Saison verhinderten die Blau-Gelben, dass sie in der Tabelle weiter in Richtung Abstiegsplätze abrutschten. "Mit drei Punkten im Gepäck war die Stimmung auf der Rückfahrt natürlich gut", berichtet Stephan. Bei ihm kam beim Blick aufs Smartphone zusätzliche Freude auf, denn er erhielt viele Glückwünsche zum späten Debüt in der Oberliga. Einige lustige Sprüche wie der von Thomas Hebgen seien auch dabei gewesen. "Ich nehme das mit Humor und habe mich über die ganzen Nachrichten sehr gefreut", sagt Stephan. Diverse alte Weggefährten hätten sich gemeldet. "Ich habe bei Atlas viele Freunde gefunden. Ich weiß, was ich an den Jungs habe. Daher habe ich über all die Jahre auch nie ernsthaft daran gedacht, den Verein zu verlassen", betont das Atlas-Urgestein. Stephan spielte bisher nur für zwei Klubs: für Atlas und für den TuS Heidkrug.
Mit beiden schaffte er es bis in die Landesliga, nun steht auch ein Oberliga-Einsatz in seiner Vita. Damit ist das Thema für ihn aber erst einmal erledigt. "In der Ersten kommen einige Jungs zurück, dann ist die Abwehr super besetzt und sie brauchen mich nicht", blickt Stephan voraus. Sein Fokus liegt auf der zweiten Mannschaft, die derzeit den vorletzten Platz belegt. "Wir müssen Punkte holen für den Klassenerhalt. Das wird ein schwieriger Weg, aber wir haben viele gute, junge Spieler. Ich bin optimistisch, dass wir die Bezirksliga halten", unterstreicht er.
Der routinierte Verteidiger und sein alter Kumpel Dominik Entelmann sind die Leitwölfe in dem unerfahrenen Team. Diese Rolle will Philip Stephan noch einige Zeit ausfüllen. Auch wenn ihn manch einer als alten Mann bezeichne, sei er topfit, betont der 35-Jährige. "Ich habe zwar ein gewisses Alter erreicht, aber körperlich hätte ich mir sogar einen 90-minütigen Einsatz gegen Arminia Hannover zugetraut, auch wenn ich zwei Tage vorher schon gespielt hatte."