Im Vorfeld des DFB-Pokal-Spiels zwischen dem SV Atlas Delmenhorst und Borussia Mönchengladbach am 17. August war Thomas Pfautsch im Fernsehen noch einmal so zu sehen, wie ihn viele kennen. Lustig, selbstbewusst und immer gut für einen lockeren Spruch. Der Pay-TV-Sender Sky blickte in einem Beitrag zurück auf das Pokalduell zwischen Atlas und Gladbach im Jahr 1981 im Bökelberg-Stadion. "Das waren alles Spitzenspieler, aber eigentlich habe ich die alle im Griff gehabt", sagte Pfautsch über seine Kontrahenten und lachte verschmitzt angesichts der Tatsache, dass der Außenseiter Atlas damals mit 1:6 verlor. Das TV-Interview war der letzte große Auftritt der Delmenhorster Fußball-Legende, denn am vergangenen Dienstag, 2. September, ist Thomas Pfautsch im Alter von 66 Jahren gestorben. "Er war einer der größten Kämpfer, die je das blau-gelbe Atlas-Trikot trugen", sagt Bert Drewes, Atlas-Experte und Betreiber eines kleinen Atlas-Museums.
Pfautschs früherer Teamkollege Detlev Garmhausen bestätigte den Tod seines guten Freundes am Freitag auf Nachfrage. "Wir sind alle sehr traurig. Es ging dann doch schneller als gedacht", erklärte er. Pfautsch war an Blutkrebs erkrankt und kämpfte mehrere Jahre gegen die schwere Krankheit. Garmhausen und Jochen Auffarth, ein weiterer guter Freund, organisierten Anfang 2024 zusammen mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) eine große Typisierungsaktion in der Delmenhorster Markthalle, um einen Stammzellspender zu finden. Mehr als 400 neue Registrierungen bei der DKMS brachten die verschiedenen Aktionen für Thomas Pfautsch. Für ihn selbst war allerdings kein geeigneter Spender dabei. "Gelohnt hat sich das alles natürlich trotzdem. Wir konnten anderen Menschen helfen", betont Garmhausen. Dies sei schließlich auch ein Grund dafür gewesen, dass Pfautsch seine Erkrankung öffentlich gemacht habe.
Kampf gegen Blutkrebs
Mitte 2024 fand sich für die Atlas-Legende doch noch ein Stammzellspender: ein Mann aus Österreich, der dem Delmenhorster im Jahr 2020 schon einmal mit einer Spende geholfen hatte. Damals hatte Pfautsch die Krankheit zunächst besiegt, doch der Krebs kam zurück. "Thomas hat alles versucht und gekämpft. Es war ein ständiges Auf und Ab, leider hat er den Krebs nicht zum zweiten Mal besiegen können", sagt Garmhausen. Die Anteilnahme sei schon in den ersten Tagen nach Pfautschs Tod sehr groß gewesen. Die Trauerfeier wird am Mittwoch, 10. September, ab 12 Uhr bei Cordes Bestattungen (Welsestraße 49) abgehalten.
Dort dürften sich viele Delmenhorster Fußballgrößen einfinden, um einen der besten Fußballer der Stadt zu verabschieden. "Er gab niemals ein Spiel verloren. Wenn es richtig eng wurde, ging Thomas nach vorne und erzwang die Wende", erinnert sich Drewes. Im blau-gelben Trikot feierte Pfautsch große Erfolge. 1975 gewann er mit der A-Jugend die Niedersachsenmeisterschaft. Wenig später rückte Pfautsch in die erste Herrenmannschaft auf. Mit ihm als Leistungsträger und Libero verpassten die Delmenhorster 1980 in der damals drittklassigen Oberliga Nord die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga Nord nur knapp.

Kämpfer, Kapitän und Libero: Thomas Pfautsch (links) erlebte mit dem SV Atlas eine sehr erfolgreiche Zeit.
In der folgenden Saison 1980/81 sorgte Atlas dann im DFB-Pokal für Aufsehen. Durch Siege über Rot-Weiß Oberhausen und Kickers Offenbach erreichten die Blau-Gelben das Achtelfinale und durften bei Borussia Mönchengladbach antreten. Trotz der 1:6-Niederlage zogen sich Pfautsch und Co. gegen Spieler wie Wolfgang Kleff, Lothar Matthäus oder Ewald Lienen gut aus der Affäre. Damals hatte der Amateurklub im DFB-Pokal noch nicht automatisch Heimrecht, sodass Atlas auswärts spielen musste. "Bei uns zu Hause hätte uns keiner was vorgemacht", sagte Pfautsch in dem Sky-Beitrag und lächelte einmal mehr verschmitzt.
Ein harter Hund und ein Dickkopf
Der Mann, der zumeist "Pfautschi" genannt wurde, war ein echter Typ, ein Führungsspieler. "Er ging voran und war auf dem Platz mehr als ein harter Hund. Als ich beim Bremer SV war, habe ich auch zweimal gegen ihn gespielt. Am Boden und in der Luft war er enorm stark", sagt Garmhausen. Pfautsch lief zwischendurch zwei Jahre lang ebenfalls für den Bremer SV auf, ansonsten hielt er stets dem SV Atlas die Treue und war auch Kapitän der Blau-Gelben.
Seine besonderen Qualitäten bescherten ihm in der Jugend eine Nominierung für einen Nationalmannschaftslehrgang. Später fiel Pfautsch dem FC Schalke 04 auf. Der Delmenhorster wurde zu einem Probetraining nach Gelsenkirchen eingeladen, doch mit der Profikarriere klappte es nicht. Stattdessen wurde Pfautsch beim SV Atlas zu einer Legende. Insgesamt 263 Partien bestritt er für die Blau-Gelben und erzielte 55 Tore, wie Bert Drewes recherchiert hat.
Nicht nur auf dem Fußballplatz sorgte Thomas Pfautsch für Aufsehen, auch abseits des Feldes wurde es mit ihm nie langweilig. "Er war immer für einen Spruch gut. Es war nicht immer der passende Spruch, aber das war eben Thomas' Art", sagt Garmhausen, der Pfautsch mehr als 50 Jahre lang kannte. "Thomas war wahrlich kein Kind von Traurigkeit und fuhr auch schon mal nach Differenzen mit Trainer Hannes Hein mit seinem PKW um das Trainingsgelände", erinnert sich Drewes.
Detlev Garmhausen hat eine Geschichte zu erzählen, die Thomas Pfautsch besonders gut charakterisiert. "In der Jugend hatte er längere Haare und wurde zur Niedersachsenauswahl eingeladen. Dort wollten sie, dass er die Haare abschneidet, da ist Thomas wieder nach Hause gefahren", erzählt er und fügt hinzu: "Thomas war schon immer ein Dickkopf und stand zu seiner Meinung. Er war geradlinig, direkt und ehrlich, auf dem Platz und daneben. Dafür habe ich ihn immer bewundert."