Das Stadion war deutlich kleiner und die Kulisse auch, doch die Erinnerungen an dieses eine ganz besondere Spiel kamen trotzdem hoch bei Oliver Rauh. Beim 1:3 gegen den Bremer SV bestritt das Urgestein des SV Atlas Delmenhorst möglicherweise sein letztes Heimspiel für den Fußball-Regionalligisten. Zwar könnte er auch noch einmal im Niedersachsenpokalfinale gegen den VfL Osnabrück im Delmenhorster Stadion auf dem Platz stehen, doch der 29-Jährige begann schon einmal mit dem Abschiednehmen. "Mir ging rund um dieses Spiel so vieles durch den Kopf. Es gab so viele emotionale Momente mit dem Verein", erzählte Rauh und ergänzte: "Natürlich habe ich vor meinem inneren Auge auch noch einmal das volle Weserstadion gesehen."
Wahrscheinlich noch in Jahrzehnten werden Atlas-Fans an diese eine Szene denken, wenn sie den Namen Oliver Rauh hören. Beim DFB-Pokal-Spiel gegen die Profis von Werder Bremen lief die 30. Spielminute, als sich der Atlas-Rechtsverteidiger an der Mittellinie den Ball schnappte, nach vorne sprintete und in die Mitte spielte. Leicht abgefälscht erreichte der Pass Tom Schmidt, der zum zwischenzeitlichen 1:2 einschoss. Ein Atlas-Tor für die Ewigkeit bei der 1:6-Niederlage vor 41.500 Zuschauern im Weserstadion.
Eine schwierige Entscheidung
Von den 14 Spielern, die im August 2019 bei dem großen Auftritt für den SVA zum Einsatz kamen, sind nur noch Florian Stütz und eben Oliver Rauh im blau-gelben Trikot aktiv. Thade Hein spielt noch für die Zweitvertretung. Mit Rauh geht nun also eine der letzten Identifikationsfiguren. Sechs Jahre lang spielte der Außenverteidiger für Atlas, 2017 kam er vom Kreisligisten TV Munderloh zum damaligen Oberligisten. Die Entscheidung, den Verein zu verlassen, sei ihm außerordentlich schwergefallen, sagte Rauh und gab zu: "Als das Spiel gegen den Bremer SV zu Ende war, habe ich schon ein paar Tränchen verdrückt."
Dass er geht, hat nichts mit dem Abstieg des SV Atlas in die Oberliga zu tun. Es habe berufliche Gründe, betonte der 29-Jährige. "Ich muss etwas kürzertreten." Fußballspielen will Rauh weiterhin. Er steht vor einem Wechsel zum Landesliga-Aufsteiger BV Garrel. Dort müsste er nicht mehr ganz so oft trainieren wie in Delmenhorst und träfe auf den ehemaligen Atlas-Kapitän Nick Köster, der ebenfalls nach Garrel wechselt.
Ein Liebling der Fans
133 Pflichtspieleinsätze (zehn Tore, zehn Torvorlagen) bestritt Rauh bislang für die Blau-Gelben – erst als Stürmer, dann als Rechtsverteidiger. Abgesehen von seinem fulminanten Sturmlauf im Weserstadion war er niemand für die große Show, sondern ein zuverlässiger Arbeiter auf dem Platz. Die Atlas-Fans schätzen Rauh für seine Zuverlässigkeit und Vereinstreue, regelmäßig wird er mit Sprechchören gefeiert. Dass er sich von den Delmenhorster Anhängern nun mit dem Regionalliga-Abstieg verabschieden muss, tut Rauh weh. "Natürlich hätte ich mir einen anderen Abschied gewünscht", sagte er. "Es war eine sehr schöne Zeit bei Atlas. Es gab Höhen und Tiefen, aber eines war klar: Bei Atlas passiert immer etwas."
Dazu passt, dass Oliver Rauh mit den Blau-Gelben nach dem enttäuschenden Abstieg auch noch einen großen Erfolg schaffen kann. Am kommenden Sonnabend steht das bedeutungslose letzte Saisonspiel bei Hannover 96 II an (14 Uhr), ehe am 3. Juni im Delmenhorster Stadion das Pokalfinale gegen den Drittligisten VfL Osnabrück folgt (14.15 Uhr). Atlas-Coach Dominik Schmidt hat verärgert angekündigt, mehrere Spieler, die den Verein verlassen wollen, beim Saisonhöhepunkt nicht mehr aufzustellen. Oliver Rauh dürfte aber nicht dazu gehören, sein Abschied nach sechs Jahren wurde offen kommuniziert.
Hoffen auf DFB-Pokal-Platz
Der Außenverteidiger freut sich auf das Endspiel und hofft, dass der SV Atlas bereits im Vorfeld die DFB-Pokal-Qualifikation sicher hat. "Natürlich schaue ich auf die dritte Liga und drücke Osnabrück die Daumen", betonte Rauh. Sollte Osnabrück zu den vier bestplatzierten ersten Mannschaften gehören, hätte das Team den DFB-Pokal bereits über die Liga erreicht. Atlas würde dann auch im Falle einer Finalniederlage in den DFB-Pokal einziehen. Vor dem Drittliga-Spiel am Montagabend zwischen dem SV Meppen und Dynamo Dresden belegte Osnabrück Rang drei. Da der SC Freiburg II Zweiter ist und nicht aufsteigen darf, würde diese Platzierung für den Zweitliga-Aufstieg und auch für einen Pokalplatz reichen. Aber ein Spieltag steht eben noch aus.
"Ich hoffe wirklich, dass Osnabrück es in den DFB-Pokal schafft, aber nicht die Relegation zur zweiten Liga spielt", sagte Rauh. Eines der beiden Relegationsspiele würde nämlich am 2. Juni stattfinden, weshalb das Finale im Niedersachsenpokal verlegt werden müsste und nicht mehr Teil der großen ARD-TV-Konferenz am Finaltag der Amateure wäre. Das wäre schade, denn so ein großer Auftritt im Pokal und im bundesweiten Fernsehen wäre ein schöner Abschied für Atlas-Urgestein Oliver Rauh. In solchen Spielen ist er zu besonderen Leistungen fähig, das bekam schon Werder Bremen zu spüren.