Nico Matern war zwar ziemlich erschöpft nach einem intensiven Spiel, doch für ein paar freche Sprüche reichte die Luft noch. Also ging der Mittelfeldspieler des SV Atlas Delmenhorst nach dem 1:1 gegen Teutonia Ottensen zu seinen ehemaligen Teamkameraden aus Hamburg, um sie ein wenig aufzuziehen. "Ich habe sie ausgelacht und ihnen gesagt, dass sie schlecht sind, weil sie nicht gegen uns gewonnen haben", erzählte Matern und fügte hinzu: "Aber alles natürlich nur im Spaß." Für den 29-Jährigen war die Partie gegen Ottensen kein normales Spiel, hatte er doch bis zur Winterpause für den Gegner gespielt. Und Matern war nach dem Abpfiff sichtlich gut gelaunt und vor allem froh, nicht verloren zu haben: "Sonst hätte ich mir einiges anhören müssen. Das Spiel war natürlich etwas Besonderes. Ich habe kürzlich noch dort gespielt und kenne alle Spieler."
Nach den Corona-Fällen im Team war das Unentschieden gegen Ottensen aus Delmenhorster Sicht durchaus als Erfolg zu werten. "Etwas gemischt sind meine Gefühle aber schon. Wir hätten das 2:0 machen können, dann hätten wir wahrscheinlich gewonnen", sagte Matern. "Andererseits hat man ab der 60. Minute schon gemerkt, dass die Luft bei uns weniger wurde. Und vor dem Spiel hätten wir ein 1:1 sofort genommen." Matern gehört zu den Atlas-Spieler, die kürzlich eine Corona-Infektion überstanden haben. "90 Minuten durchpowern konnte ich gegen Teutonia noch nicht wieder", gab er zu.
Teutonia hat höhere Ambitionen
Dass es unter den schwierigen Vorzeichen zum Punktgewinn gegen Ottensen reichte, ist umso beachtlicher, da der Gegner ganz andere Ziele verfolgt als der SV Atlas. Unterstützt von zahlungskräftigen Sponsoren plant der Hamburger Verein den Bau eines eigenen Stadions und den Drittliga-Aufstieg. Anders als der SVA hat Teutonia die Lizenz für die höhere Spielklasse auch beantragt. Nico Matern kann den direkten Vergleich zwischen beiden Klubs ziehen und betonte: "Bei Teutonia herrschen ganz andere Voraussetzungen und andere Ambitionen."
In Ottensen wird fast schon unter Profibedingungen gearbeitet, oft stehen zwei Trainingseinheiten pro Tag auf dem Programm. Für Matern, der in Buxtehude wohnt, war der zeitliche Aufwand für die Fahrten sehr groß. Bei Atlas wird vier- bis fünfmal pro Woche trainiert, aber immer abends, weil viele Spieler berufstätig sind. Das war ein Grund für Materns Wechsel. Anders als bei Teutonia spielt er bei Atlas zudem durchgängig auf seiner Wunschposition im defensiven Mittelfeld. "Ich fühle mich sehr wohl und habe richtig Spaß. Die Mannschaft ist eine echte Einheit. Tobi Steffen hatte mir vor dem Wechsel viel Gutes über Atlas erzählt, und das stimmt alles", sagte er. "Wir haben auch schon gezeigt, dass wir mit den Topteams in der Meisterrunde mehr als nur mithalten können."
Immer in der Startelf
Drei Unentschieden in drei Spielen lautet die bisherige Delmenhorster Bilanz in der Gruppe der zehn besten Teams der Regionalliga Nord. Matern spielte in allen Partien durch und ist mit seiner Zweikampfstärke und Ruhe am Ball auf der Sechser-Position gesetzt. "Nico hilft uns im Zentrum sehr weiter, hat eine enorme Ballsicherheit und ist sehr abgewichst. Dabei ist er geschätzt erst bei 80 Prozent, er kann sogar noch mehr", sagte Atlas' Sportlicher Leiter Bastian Fuhrken.
In der Tabelle der Meisterrunde ist der SVA derzeit Siebter, Teutonia Ottensen steht einen Platz davor mit zwei Zählern mehr auf dem Konto, aber auch einer absolvierten Partie mehr. "Der Aufstieg ist für sie wohl kaum noch zu schaffen", sagte Matern. Beim SV Atlas ist der Drittliga-Aufstieg schon länger kein Thema mehr, beim Versuch, die Lizenz zu beantragen, musste der Verein feststellen, dass die Anforderungen in der dritten Liga viel zu hoch sind. Das müsse aber ja nicht für alle Zeiten so bleiben, sagte Matern. "Bei Atlas bewegt sich etwas. Viele Menschen tun viel für den Verein, und wir als Spieler müssen auf dem Platz etwas zurückgeben."
Nico Materns fußballerische Vita ist die eines Wandervogels. Bevor er für Teutonia Ottensen spielte, lief er für den VfB Oldenburg und den US-Zweitligisten Indy Eleven auf. Früher spielte der 29-Jährige für den Wuppertaler SV, die SV Drochtersen/Assel, Hansa Rostock II, den FC Schönberg 95, den Buxtehuder SV sowie in der Jugend für den FC St. Pauli und den Halleschen FC. Bei Atlas hat Matern nun einen langfristigen Vertrag bis zum Jahr 2024 unterschrieben, und er könne sich gut vorstellen, dass seine Zukunft erst einmal in Delmenhorst liegt, erklärte der Mittelfeldspieler. "Im Fußball ist es schwer, Vorhersagen zu treffen, aber ich habe nicht umsonst für zweieinhalb Jahre unterschrieben. Ich sehe noch sehr viel Potenzial bei Atlas."