Jedes Jahr einer. Das ist das Ziel. Um der wachsenden Nachfrage nach Krippen- und Kindergartenplätzen nachzukommen, soll in der Stadt jedes Jahr eine neue Kindertagesstätte den Betrieb aufnehmen. In diesem Jahr kommt die Kita Moorkamp in Regie der Lebenshilfe dazu. Nächstes Jahr soll eine Kita an der Schreberstraße folgen. Die Stadt arbeitet mit Hochdruck daran, ihr ehrgeiziges Ziel umzusetzen. Nur: Eine Kita pro Jahr reicht eigentlich schon nicht mehr aus, sagen Fachleute.
Das wird an den aktuellen Zahlen mehr als deutlich. Auch wenn es sehr früh für erste Prognosen ist und sich noch einiges ändern kann. Eines ist gewiss: Wie schon 2019 werden zahlreiche Kinder nicht wie geplant eine Krippe oder den Kindergarten besuchen können. Zu Beginn des laufenden Kindergartenjahres waren es 430 unversorgte Kinder. Die Zahlen könnten zum Kindergartenjahr 2020/2021 Anfang August noch übertroffen werden.
„Laut aktueller statistischer Auswertung kann zum 1. August über 400 anspruchsberechtigten Kindern über drei Jahren kein Kita-Platz angeboten werden“, teilt Timo Frers, Pressesprecher der Stadt Delmenhorst, auf Nachfrage mit. Allerdings ist bei 156 der fehlenden Plätze noch unklar, ob sie nicht doch vergeben werden können. Diese Plätze werden von sogenannten Flexi-Kindern belegt. Das bedeutet: Die Eltern dieser Kinder haben bis Anfang Mai die Möglichkeit zu entscheiden, ob ihr Kind nach den Sommerferien zur Schule gehen oder ein weiteres Jahr im Kindergarten bleiben soll. Eine Regelung, die die Planer in der Kita-Landschaft immer wieder vor nicht zu unterschätzende Probleme stellt.
Nur geringfügig besser sieht es bei den Unter-Dreijährigen aus: „Im Bereich der Krippen stehen zum 1. August noch voraussichtlich über 200 unversorgte Kinder auf der Warteliste, davon haben etwa 40 Familien einen erhöhten individuellen Bedarf“, sagt Timo Frers. Aber auch in diesen Zahlen ist noch Bewegung, aktuell steht die Stadtverwaltung im engen Austausch mit den Trägern der einzelnen Kitas. Voraussichtlich in der kommenden Woche werden bereits neue, detailschärfere Zahlen vorliegen.
Offizielle Eröffnung im Dezember
Zum neuen Kindergartenjahr wird die neue Kita Moorkamp aber noch nicht zur Verfügung stehen. Drei Kindergarten- und zwei Krippengruppen werden dort angeboten, 105 Kinder können vis à vis zur Overbergschule betreut werden. Darunter ist auch eine integrative Kindergartengruppe. „Im Dezember werden wir die Kita offiziell eröffnen“, sagt der Erste Stadtrat Markus Pragal. Was aber noch nicht bedeutet, dass dann der Betrieb aufgenommen wird. Der angekündigte Termin dürfte eher etwas mit Förderkulissen und Fristen zu tun haben.
Aus pädagogischer Sicht ist ein Dezember-Start nicht sinnvoll, schließlich müssen die Kinder nach und nach mit ihrer Eingewöhnungsphase beginnen. Die würde aber durch die zweiwöchige Weihnachtspause unterbrochen werden. Also geht es direkt im neuen Jahr mit den ersten Kindern los, ziemlich exakt zwei Jahre also, nachdem die Awo-Kita an der Otto-Jenzok-Straße als jüngste Einrichtung in der Stadt an den Start gegangen ist. So gesehen, wurde das Eine-pro-Jahr-Ziel knapp verfehlt.
Bei der Kita Schreberstraße direkt neben dem Standort Annenheide der Knister-Grundschule soll alles voll im Plan liegen. Bereits am 11. März ist der symbolische erste Spatenstich geplant, dann geht alles wieder ganz schnell. Das ist möglich, weil wie schon an der Hasberger Straße und jetzt in Moorkamp in Holzrahmenbauweise gearbeitet wird. Das spart Zeit und auch Geld. Bereits im Sommer 2021 soll die nächste Kita eingeweiht werden. Für den Neubau wurden insgesamt 3,77 Millionen Euro in den städtischen Haushalt eingestellt. Der Betreiber steht derzeit noch nicht fest.
Die Entscheidung wird kurzfristig getroffen
Wie es danach weitergeht, ist aber noch unklar. Ursprünglich war eine neue Kita im Wollepark geplant. Der Standort zwischen Stedinger Straße und Am Wollepark wurde von der Politik allerdings verworfen. Sie sprach sich dann für ein just frei geräumtes Grundstück an Westfalen- und Schwabenstraße aus. Doch an der Stelle ist die Planung nicht so einfach, weil für eine neue Kita wahrscheinlich auch das Nachbarschaftsbüro abgerissen und schließlich in den Neubau integriert werden müsste. Deswegen „soll ein anderer Standort vorgezogen werden. Die Entscheidung hierfür wird kurzfristig getroffen“, heißt es von der Stadtverwaltung.
Ob die Stadt ihr gewünschtes Tempo beim Kita-Neubau einhalten kann, hängt aber nicht nur von den Entscheidungen der Politik ab, sondern zunehmend auch von äußeren Faktoren. „Es ist bekanntlich schwierig geworden, Handwerker zu bekommen“, sagt Pragal. Und er dankte den Betrieben, die bisher den Aufbau vorangebracht haben. Doch nicht nur das ist ein Problem, auch Fachkräfte für die Kitas sind immer schwerer zu bekommen. Schlicht weil es nicht genügend gibt. „Das ist die noch größere Herausforderung“, meint der Erste Stadtrat.
„Aktuell sind etwa 30 Stellen für Erzieher sowie Sozialpädagogische Assistenten in den Kindertagesstätten nicht besetzt. Hinzu kommen circa 18 bis 20 pädagogische Mitarbeiter, die zum Herbst für die Kita Moorkamp eingestellt werden müssen“, sagt Timo Frers, der Stadtsprecher. Wobei die Erfahrung zeigt, dass es für die Träger meist gar nicht so schwierig ist, für neue Kitas Mitarbeiter zu finden. Nur hinterlassen diese natürlich an anderer Stelle Löcher, die dann umso schwerer zu stopfen sind.
Das Problem ist auch längst erkannt: Die angespannte Situation hinsichtlich fehlender Betreuungsplätze und des Fachkräftemangels soll am 10. März im Rahmen einer Sitzung der Trägerarbeitsgemeinschaft der Kitas mit Vertretern sämtlicher Fraktionen und Gruppen des Rates erörtert werden. Und in der nächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses Anfang Mai werden die Betreuungssituation, mögliche Lösungsansätze und die Kita-Bedarfsplanung 2020 bis 2026 vorrangig behandelt werden.