Viele bekannte Namen waren dabei, als Werder 1992 den Europapokal gewann. Ein Spieler aus dem Final-Kader wird dagegen selten genannt: Ersatztorwart Florian Klugmann.
Auf dem Platz tobten wilde Diskussionen. Oliver Reck hatte einen Gegenspieler geschubst. Der Schiedsrichter überlegte noch, ob er dem Werder-Torwart dafür die Rote Karte zeigen sollte. Uli Borowka rief aufgeregt: „Yellow is enough.“ Davon bekam Florian Klugmann schon nichts mehr mit. Werders Ersatzkeeper war sofort nach Recks Aktion aufgesprungen. Co-Trainer Kalli Kamp schoss ihm eilig ein paar Bälle zu. Für alle auf der Bremer Bank war in dem Moment klar: Reck fliegt vom Platz, und ein völlig unerfahrener Nachwuchs-Torhüter muss Werder ins Finale führen. „Mir ist das Herz in die Hose gerutscht“, gesteht Klugmann.
Es war das Halbfinal-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger gegen den FC Brügge im April 1992. Werder führte im Weserstadion mit 2:0, ein Gegentreffer hätte das Ausscheiden bedeutet. „Ich hatte natürlich Respekt, aber da war auch Vorfreude. Ich wäre gerne reingekommen“, blickt Klugmann zurück. Es passt zu seiner unglücklich verlaufenen Karriere, dass daraus doch nichts wurde. Reck sah nur die Gelbe Karte, und Klugmann setzte sich wieder auf die Bank.

So sah Florian Klugmann 1992 aus.
Dort saß der heute 46-Jährige auch während des Endspiels gegen den AS Monaco in Lissabon. Reck war wegen der Verwarnung aus dem Halbfinale gelbgesperrt. Der zweite Torwart Jürgen Rollmann, der gegen Brügge noch verletzt gefehlt hatte, wurde rechtzeitig fit. Für Klugmann blieb somit wieder nur die Rolle des Zuschauers, trotzdem sagt er: „Das Spiel war das Highlight meiner Karriere. Wer kann schon von sich behaupten, den Europapokal gewonnen zu haben?“
Selbst eingefleischte Werder-Fans dürften allerdings mächtig ins Grübeln geraten, wenn sie jemand nach dem Ersatztorwart beim Europapokalfinale 1992 fragen würde. Alle anderen Spieler, die damals im Endspiel-Kader standen, haben sich zumindest im Profi-Fußball etabliert. Klugmann dagegen verschwand komplett in der Versenkung. Wenige Monate nach dem Triumph von Lissabon wechselte er zum TSV Pansdorf – für einen Europapokalsieger ein eher ungewöhnlicher Schritt. „Bei Werder war meine Zeit vorbei, denn Frank Rost kam als neuer Torwart der Amateure. Und so viele Angebote gab es ansonsten nicht“, erzählt Klugmann.
„So viele schöne Erinnerungen“
Also ging er zurück in die Heimat. Pansdorf liegt bei Lübeck, dem Geburtsort des Torwarts. „Damals wurde ich dort ständig auf den Europacupsieg angesprochen“, schildert Klugmann. Inzwischen werde er nur noch selten danach gefragt. Traurig wirkt der 46-Jährige deswegen nicht. Klugmann hat sich entschieden, das Positive zu sehen. Dass er bei Werder nicht den Durchbruch schaffte? Dass später beim VfB Lübeck ein Kreuzbandriss die zweite Chance auf eine Profi-Karriere zerstörte? „Deswegen hadere ich nicht mit dem Schicksal“, stellt er klar. „Ich habe so viele schöne Erinnerungen durch den Fußball. Dafür bin ich dankbar.“

So sieht Klugmann heute aus.
Florian Klugmann erzählt mit Begeisterung von früher. Von der Feier nach dem Europapokal-Finale („Wir haben die Nacht durchgemacht“). Vom Gewinn der Deutschen Amateurmeisterschaft mit Werders zweiter Mannschaft 1991 („Wir hatten eine super Truppe“). Fußball-Profi sei ein Traumberuf. „Du stehst morgens auf und kannst Fußballspielen. Wenn einem etwas weh tut, lässt man sich massieren“, sagt Klugmann. Er weiß, dass es in der echten Arbeitswelt ganz anders zugeht. Nachdem er Werder verlassen hatte, verdiente er sein Geld erst als Lkw-Fahrer, dann als Lagerleiter und mittlerweile als Lagerist.
Im August wird die große Fußball-Welt aber noch einmal ganz nah sein für Florian Klugmann, der mit Frau und Sohn in Sereetz bei Lübeck lebt. Werder hat ihn zum Treffen der Europapokalsieger beim „Tag der Fans“ eingeladen. „Ich freue mich darauf“, betont Klugmann. So kommt er mit 25 Jahren Verspätung doch noch zu seiner Feier. 1992 war er nämlich nicht dabei, als sich die Werder-Spieler auf dem Rathausbalkon bejubeln ließen. Er war direkt nach der Ankunft aus Lissabon zum Platz 11 gefahren. Die Amateure hatten ein Spiel, und Klugmann sollte ins Tor. Sauer ist er deshalb bis heute nicht. „Für die Mannschaft ging es noch um was“, sagt Klugmann gelassen. „Es war also klar, dass ich da mitspiele.“