Erst der SV Werder Bremen, dann dessen Bundesliga-Kontrahent VfL Wolfsburg – und nun die KAS Eupen, die in der Vorsaison nur knapp den Klassenerhalt in der ersten Liga Belgiens geschafft hat. Nach sportlichem Aufstieg hört sich die neue Aufgabe von Trainer Florian Kohfeldt zunächst nicht an, weshalb sein Engagement im Osten der Provinz Lüttich kürzlich mit einiger Überraschung registriert wurde. Was genau ihn an der Arbeit in Eupen reizt, hat der 40-Jährige nun im Gespräch mit dem "kicker" verraten.
Ein Jahr lang war Kohfeldt nach seinem Aus in Wolfsburg (wo er in 25 Bundesliga- und drei Champions-League-Spielen an der Seitenlinie stand) ohne Job gewesen, ehe er in der vergangenen Woche bei der KAS Eupen unterschrieb. Was durchaus den Verdacht aufkommen ließ, dass der Fußballlehrer womöglich nicht allzu viele Alternativen hatte. Dem widerspricht Kohfeldt allerdings vehement. "Tatsächlich gehe ich den Schritt mit maximaler Überzeugung – und habe dafür Optionen ausgeschlagen, bei denen der Vereinsname auf dem Papier für Außenstehende sicher klangvoller gewesen wäre", betont er.
Den großen Reiz der Aufgabe in Eupen machen für Kohfeldt mehrere Punkte aus. Zum einen war sein genereller Wunsch, im Ausland zu arbeiten. "Die Jupiler Pro League ist da – abseits der fünf Top-Ligen – aktuell eine der spannendsten. Sie bietet extrem viele Talente und eine hohe Physis", sagt er. Zudem seien die Gespräche mit den Verantwortlichen um General Direktor Christoph Henkel "sehr gut" gewesen. Ein Teil des Austausches vor der Unterschrift war – wenig überraschend – Kohfeldts exaktes Jobprofil, in dem sich der Trainer schnell wiederfand.
"Der Klub hat einen Cheftrainer gesucht, der für eine bestimmte fußballerische Weiterentwicklung steht und parallel dazu auch einen Teil des Gestaltungsspielraums neben dem Platz ausfüllt, also bei der Entwicklung von Strukturen um die Mannschaft, der Optimierung der Nachwuchsförderung und der Kaderplanung mitarbeitet", berichtet Kohfeldt. Schon während seiner Zeit als Bundesliga-Chefcoach bei Werder Bremen (Oktober 2017 bis Mai 2021) hatte er sich um infrastrukturelle Themen gekümmert. Gemeinsam mit Sportchef Frank Baumann hat er mehrere Aspekte rund um die Mannschaft verändert. Es wurde beispielsweise eine Arztpraxis im Stadion eingerichtet, der Kabinentrakt erheblich verändert und das Trainingsangebot im kognitiven Bereich ausgebaut.
Florian Kohfeldts neuer Klub gehört Staatsfonds Katars
Dass Fußball in Belgien "grundsätzlich nach vorne gedacht" werde, komme ihm als Trainer sehr entgegen, sagt Kohfeldt, dem mit Eupen Ballbesitz-Fußball "auf der Suche nach Tempoaktionen" vorschwebt. Nach den ersten Eindrücken seiner neuen Mannschaft ist der Coach überzeugt davon, die Pläne umsetzen und das Saisonziel ("stabil in der Liga bleiben") erreichen zu können. "Gerade die jungen Spieler bringen eine wahnsinnige Physis mit. Im nächsten Schritt geht es darum, dass sie lernen, diese Physis möglichst gewinnbringend einzusetzen", erklärt Kohfeldt – und zieht bereits einen Vergleich mit deutschen Nachwuchstalenten: "Die jungen Spieler haben eine andere Erwartungshaltung als man sie bei Talenten in deutschen Profiklubs öfter vorfindet. Die Selbsteinschätzung der Jungs hier ist realistischer, die Entwicklungsbereitschaft sehr hoch, konstruktive Kritik wird eher als Hilfe empfunden."
Seit 2012 ist die KAS Eupen bereits in Besitz des Staatsfonds von Katar, wodurch Kohfeldt seine Arbeit als Cheftrainer aber nicht beeinflusst sieht. "Wir sind kein Farmteam, sondern als Klub autonom. Wir haben aktuell keinen katarischen Spieler im Kader, und es gibt auch keinerlei Vorgaben in diese Richtung", sagt er, lässt die Tür aber weit offen: "Sollten Spieler vom aktuellen Asien-Meister zu uns kommen, könnten sie sicherlich auch eine Bereicherung sein."