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Diskussionen über Zuschauer in Stadien Bremer Virologe fordert Geisterspiele

Die Diskussion um Zuschauerauslastung in den Stadien wird schärfer. Werder-Geschäftsführer offen für weitere Beschränkungen. Kommen Fans aus Aue trotz Stadionverbot nach Bremen?
29.11.2021, 18:14 Uhr
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Bremer Virologe fordert Geisterspiele
Von Mathias Sonnenberg

Die Forderungen nach verringerten Zuschauer-Kapazitäten in Fußballstadien oder Spielen ganz ohne Fans kommen in immer schnelleren Abständen und werden immer lauter. Es sind Bilder aus Stadien wie in Köln vom vergangenen Wochenende, wo Zehntausende Menschen sangen, jubelten und sich in den Armen lagen, die viele Menschen und Experten als verstörend empfinden. "Aus meiner persönlichen Sicht passen volle Fußballstadien und eine Überlastung des Krankenhaussystems nicht zusammen, das entbehrt jeglicher Logik", sagte der Bremer Virologe Andreas Dotzauer dem WESER-KURIER. Aus seiner Sicht könne es nur eine Entscheidung geben: "Am besten wären derzeit wieder Geisterspiele."

Noch ist nicht klar, wie viele Zuschauer am Freitag beim Werder-Heimspiel gegen Erzgebirge Aue wirklich ins Weserstadion dürfen. Am Freitag hatte sich Werder-Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald mit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) auf 25 Prozent weniger Zuschauer geeinigt, das wären dann rund 30.000 Fans. Außerdem haben Zuschauer aus Sachsen, Thüringen und Bayern keinen Einlass. Aber die Lage ist so dynamisch, dass es weitere Maßnahmen geben wird. "Wir müssen jetzt schauen, ob diese Regelungen ausreichen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Reduzierung um 25 Prozent nicht die letzte Zahl ist", sagte Hess-Grunewald. "Wir sind bereit, auch unabhängig von Vorgaben des Senats weitere mögliche Abstriche zu machen." Es gehe jetzt darum, ein richtiges Maß zu finden und die Entscheidungen miteinander und nicht gegeneinander zu fällen.

Wie nah beieinander der Fußball und der Corona-Notfall in diesen Tagen liegen, zeigte das vergangene Wochenende. Am Sonntag wurde ein Corona-Patient aus Annaberg-Buchholz, einer Nachbarstadt von Aue, auf eine Bremer Intensivstation verlegt, weil es in Sachsen keine freien Intensivbetten mehr gab. Am Freitag sind dann die Fußballer aus Aue in Bremen zu Gast – aus dem Landkreis Erzgebirge also, der am Montag mit 2073 den höchsten bundesweiten Inzidenzwert aufwies. Fans aus Aue dürfen nicht ins Stadion, aber trotzdem könnten sie ihre Mannschaft nach Bremen begleiten, das Spiel in Bremer Kneipen schauen. Lukas Fuhrmann, der Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde, weiß, dass das nicht zu verhindern ist. "Aber bei uns gilt die 2G-Regel, ungeimpft kommt niemand in die Kneipe", sagt er. Auch bei Werder ist man sich bewusst, dass Fans aus Aue nach Bremen reisen könnten. "Aber da kommen wir an unsere Grenzen, es gibt ja kein Reiseverbot in Deutschland", sagt Hess-Grunewald. 

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Dem Argument der Deutschen Fußball Liga, dass die Zuschauer in den Bundesliga-Stadien bislang keine Treiber der Pandemie gewesen seien, widerspricht Virologe Dotzauer. „Wenn man die vollen Stadien sieht und die Dichte der Fans, da kann ich mir nicht vorstellen, dass es nur wenige Ansteckungen gibt. Die Zuschauer reisen an, reisen zurück, sitzen nach dem Spiel noch in Kneipen oder Restaurants, das sind alles Situationen, die sehr ansteckungsbehaftet sind", erklärte er. Einer Zuschauerreduzierung um 25 Prozent erteilt er eine klare Absage. „Das ist aus meiner Sicht zu wenig und bringt nicht sehr viel", so Dotzauer. 

Werders Geschäftsführung und Innensenator Mäurer, der sich am Montag auf Anfrage des WESER-KURIER mit Verweis auf die dynamische Lage nicht äußern wollte, schauen gespannt auf mögliche Beschlüsse beim Treffen der Regierungschefs mit Noch-Kanzlerin Merkel und Bald-Kanzler Scholz an diesem Dienstag. Hess-Grunewald räumt ein, dass der Klub in der Zuschauerfrage sensibilisiert sei. "Es geht uns nicht darum, jeden Cent zu verdienen, sondern wir wollen auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden." Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) wollte sich zu weiteren Einschränkungen für den Profifußball nicht äußern. "Wir halten eine Zuschauerreduzierung um 25 Prozent erst mal für wichtig und richtig", sagte ihr Sprecher Fuhrmann. "Aber womöglich ist das nicht der letzte Schritt." 

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Wenige Tage vor dem Bundesliga-Gipfel Dortmund gegen Bayern am Sonnabend wächst der Corona-Druck auf den Profifußball von Tag zu Tag mehr. In der jetzigen Phase der Corona-Pandemie sei jeder Kontakt ein Ansteckungsrisiko, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Deshalb sei eine Zusammenkunft in der Größenordnung von Köln „ganz schwer zu verstehen". FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich ähnlich. „Auch wenn ich Fußballfan bin: In den Größen, in denen die Stadien jetzt besetzt sind, geht das nicht.“ Der aktuelle Flickenteppich in Deutschlands höchster Fußball-Spielklasse reicht von Geisterspielen in Sachsen bis hin zur Vollauslastung im Westen.

In der Spitzenpolitik herrscht quasi Einigkeit. Neben Lindner machten sich auch Markus Söder (CSU), Karl Lauterbach (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) dafür stark, die Zuschauerzahl zu reduzieren oder nach dem Frühjahr und Herbst 2020 ein drittes Mal komplett auf leere Ränge zu wechseln. Auch Baden-Württemberg wird seine Regelungen für Sportveranstaltungen anpassen. "Es ist klar, dass im Profifußball Geisterspiele kommen“, sagte Regierungssprecher Arne Braun. Auffällig ist auch, dass selbst zuschauerstarke Klubs wie Bayern München oder Eintracht Frankfurt Probleme haben, das reduzierte Kontingent vollzählig zu besetzen. Sowohl in München als auch in Frankfurt kamen am Wochenende deutlich weniger Zuschauer als genehmigt.

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