Ole Werner warf einen Blick über seine Schulter. Noch einmal. Und noch einmal. Denn da war sie zu sehen, die Tabelle, die einer der Monitore im Presseraum des Weserstadions mit weißen Zahlen auf grünem Grund stets ausspuckt. Der SV Werder Bremen ist dort nun wieder ein Stückchen tiefer zu finden, als Elfter wurde die Hinrunde beendet. Mit 21 Punkten. Was alles andere als schlecht für einen Bundesliga-Aufsteiger ist. Das betonte auch der Bremer Chefcoach im Nachgang der 1:2-Heimniederlage gegen Union Berlin immer wieder, während seine Augen über den Bildschirm huschten. Er wollte damit nichts schönreden – aber in einer ganz unangenehmen Phase eben auch die positiven Dinge der bisherigen Saison nicht außer Acht lassen. Die Sorgen, die durch die jüngsten Eindrücke geweckt wurden, konnte er damit aber auch nicht gänzlich wegwischen.
„Wir sind nicht gut in dieses Jahr gestartet. Da muss man nicht drumherumreden“, meinte der 34-Jährige, der erstmals seit seiner Amtsübernahme eine echte Ergebniskrise bei Werder durchlebt. Als die Bremer das letzte Mal derart konstant leer ausgingen, war Werner noch nicht da. Knapp zwei Jahre ist das jetzt bald her. Die Grün-Weißen hatten sich damals lange sicher gefühlt – und waren am Ende doch abgestiegen.
Böse Erinnerungen, die in der Mannschaft also schnell wieder hochkommen könnten. Doch Ole Werner wiegelt ab. Mit deutlichen Worten. „Ehrlicherweise ist mir das scheißegal, was hier vor zwei Jahren los war. Es sind ja völlig andere Voraussetzungen“, platzte es aus ihm heraus. „Wir haben gerade eine Phase, in der wir seit vier Spielen nicht gewonnen haben, gegen den Ersten, Zweiten, Dritten und Zehnten der Liga. Wenn ich da jetzt die Hosen voll habe, ist mir nicht mehr zu helfen.“
Werder-Profis geben sich trotz Niederlagenserie betont unaufgeregt
Anders als Werner hat Leonardo Bittencourt die Abstiegssaison hautnah miterlebt. Doch auch Werders Mittelfeldmann kann keine Parallelen zwischen dem Damals und dem Jetzt erkennen. „Das kann man nicht vergleichen, weil wir damals etwas verändert haben. Das hätten wir meiner Meinung nach nicht tun dürfen“, erklärte der 29-Jährige und übte somit im Nachgang noch einmal etwas Kritik am damaligen Trainer Florian Kohfeldt, der seinerzeit den spielerischen Ansatz vorantreiben wollte. „Wir haben hier jetzt ein Trainerteam, das die Situation realistisch einschätzt, denn wir sind aus der 2. Liga gekommen.“
- Lesen Sie unsere Werder-Kolumne "Grün auf Weiß": Das größte Problem sitzt bei Werder auf der Bank
Bei aller Unzufriedenheit geben sich die Bremer Profis also noch betont unaufgeregt, fürchten nicht, dass der Negativtrend zu etwas richtig Schlimmem heranwächst. „Da verselbstständigt sich gar nichts“, machte Amos Pieper klar. „Ich könnte jetzt darauf hinweisen, dass es gegen Union deutlich besser lief als noch gegen Köln. Das will ich aber nicht, weil wir wieder null Punkte haben.“ Mut mache ihm der Zusammenhalt, einen mannschaftlichen Knacks hat er nicht ausmachen können. „Dafür war die Hinrunde zu gut“, erklärte der Torschütze zum 1:0 (13.), der kurz darauf mit einem schlechten Rückpass aber auch das 1:1 der Berliner begünstigte. „Es ist eine Kultur in der Mannschaft, dass wir darüber reden. Das ist gut.“
Doch nur vom Reden werden die benötigten Punkte nicht kommen. Ole Werner hat in der Vergangenheit ganz gerne mal darauf hingewiesen, dass Fußball ja auch ein Fehlerspiel sei – die Anzahl der Patzer, die sein Team allerdings gerade produziert, dürfte auch ihm so gar nicht schmecken. Aktuell wirkt es so, als sei immer irgendein Akteur für einen Ausrutscher gut, dieses Mal fiel neben dem Pieper-Pass vor allem ein unsicherer Torhüter Jiri Pavlenka auf. Kommt dann noch ein geschlossen verschlafener Start in die zweite Hälfte dazu, verliert man ganz schnell ein Spiel, das nun wirklich nicht verloren werden musste. Und genau das schmerzt dann erst so richtig.
- Lesen Sie unsere Taktikanalyse: Union und Werder neutralisieren sich – doch Werder begeht mehr Fehler
Denn die Hauptstädter hatten im Weserstadion keineswegs ein Offensivfeuerwerk abgebrannt. Und als der gebürtige Bremer Kevin Behrens trotzdem für die Gäste zur Führung eingeköpft hatte (46.), blieb Werder eigentlich genügend Zeit für eine Korrektur. Doch es mangelte an der Präzision. An der Wucht. Vielleicht auch am Selbstvertrauen.
Nächster Werder-Gegner ist in der Bundesliga die Mannschaft der Stunde
Dafür war wenigstens der Wille wieder zu spüren. Was nach dem 1:7-Debakel zuvor aber auch kein Kunststück, sondern eher eine Selbstverständlichkeit war. „Der Mannschaft war anzumerken, dass sie alles daran setzt, das Spiel zu gewinnen. Deshalb war es schon eine Reaktion“, befand Ole Werner. „Es war eine klare Leistungssteigerung im Vergleich zu Köln, aber das war auch nicht so schwer.“
Am kommenden Samstag (15.30 Uhr) beginnt dann die Rückrunde, am Osterdeich schaut der VfL Wolfsburg vorbei. Ein Team, das gerade das genaue Gegenteil des SV Werder darstellt. Die Niedersachsen sind die Formation der Stunde, eilen von Sieg zu Sieg, kassieren kaum ein Gegentor und nutzen selbst gnadenlos jeden sich bietenden Patzer aus. Das könnte für die Bremer also ziemlich ungemütlich werden, wenn die Fehlerquote wieder nach oben steigen sollte. In die Köpfe darf diese Furcht nicht, das würde eher hemmen denn helfen. Bislang klappt das wohl. „Wir sind Aufsteiger. Da war es vom ersten Tag an klar, dass es Phasen gibt, in denen der Wind von vorne kommt“, wiederholte Werner. „Deshalb bin ich weder überrascht, noch habe ich das Gefühl, dass die Spieler Probleme hätten, die Situation zu verarbeiten.“