Die Angst war groß vor Werder Bremens erstem Spiel ohne Stürmer Niclas Füllkrug. Wird es Werder gegen den FSV Mainz 05 gelingen, den Torjäger zu ersetzen? Als dann auch noch Marvin Ducksch nach 23 Minuten verletzt das Feld verlassen musste, wuchsen die Sorgen ins Unermessliche. Wie will Werder ohne sein profiliertes Sturmduo Tore erzielen?
Ole Werners Team gab eine beeindruckende Antwort. Gleich vier Tore gelangen Werder. Beim Kantersieg am Samstagnachmittag lief Werder offensiv fast alles rund. Ein Sonderlob gebührt jedoch auch der Defensive. Sie befolgte Werners Matchplan mit Köpfchen und Leidenschaft.
Auch ohne Füllkrug bleibt sich Werner treu
Werders Coach hätte allen Grund gehabt, sein Team gegen Mainz gehörig umzubauen. Mit Füllkrug verließ nicht nur Werders Top-Torjäger den Verein. Werders gesamtes Offensivspiel war auf den Nationalstürmer zugerichtet. Er bekam die langen Bälle, die er halten und verteilen konnte; Marvin Ducksch und die übrigen Mitspieler passten sich an Füllkrugs Laufwege an. Seine Präsenz in der gesamten gegnerischen Hälfte kann Werder nicht gleichwertig ersetzen.
Dennoch baute Werner sein Spielsystem nicht um. Füllkrug-Ersatzmann David Kownacki war der einzige Neuling der Startformation. Werner vertraute derselben taktischen Ausrichtung wie bei der späten 0:1-Niederlage in Freiburg. Romano Schmid spielte zwischen Mittelfeld und Angriff, sodass Werder flexibel zwischen 3-4-3 und 3-5-2 wechselte.
Früh unterstrichen die Werderaner, wieso ihr Trainer in der Wahl der Taktik richtig lag. Werders Spieler fühlen sich wohl in dieser Variante, die Laufwege sind einstudiert. Gerade im Spiel gegen den Ball wissen die Akteure genau, was sie zu tun haben. Werder verteidigte auch gegen Mainz äußerst mannorientiert. So störten immer wieder drei Bremer Angreifer die Mainzer Dreierkette. Mainz durfte das Spiel nicht durch das Mittelfeld aufbauen, Werders Akteure standen ihren Gegenspielern sofort auf den Füßen. So führte ein Ballgewinn durch Schmid zu einem Konter, der Werder einen frühen Elfmeter bescherte. Ducksch erzielte die Führung (3.).
Werder spielt wie Mainz – nur besser
Mit der Führung im Rücken konnte Werder den Mainzern das Spiel überlassen. Diese spielen unter Trainer Bo Svensson ein ähnliches System wie die Bremer. Auch sie verteidigen eng am Mann, nutzen ebenfalls eine Mischung aus 3-5-2 und 3-4-3. Jae-Sung Lee sollte die Rolle von Schmid übernehmen: Er lief zusammen mit den beiden Mainzer Stürmern die Dreierkette an, ließ sich aber auch immer wieder ins Mittelfeld fallen.
Dieser Wechsel zwischen den Formationen funktionierte bei den Mainzern nicht so reibungslos wie bei Werder. Lee stand häufig zu hoch, wohingegen die Mainzer Abwehrkette sich früh fallenließ. Profiteur der großen Lücke zwischen Abwehr und Mittelfeld war Romano Schmid: Er fand auf seiner halbrechten Seite viele Freiräume hinter Lee. Werder bespielte diese Räume effektiv und kam so zu mehreren Chancen.
- Lesen Sie auch: So lief das Spiel gegen Mainz - im Liveticker
Mainz hingegen fand selten bis nie die Räume hinter Schmid. Christian Groß sicherte für seinen Kollegen ab. Gegen das intensive Pressing der Bremer wählte Mainz ohnehin selten den flachen Pass ins Mittelfeld oder auf die Außen. Die Mainzer schlugen den Ball häufig lang. Werder verteidigte diese hohen Bälle souverän, auch im Kampf um die zweiten Bälle war der Gastgeber überlegen. Selbst von Duckschs früher Verletzung ließ sich Werder nicht aus dem Konzept bringen.
Raute mit großen Lücken
Svensson reagierte nach der Pause auf die taktischen Defizite seiner Mannschaft. Die Außenverteidiger rückten weiter vor. Häufig verteidigte Mainz hinten mit vier oder sogar drei Mann. Nutznießer war in erster Linie Mitchell Weiser. Er fand auf dem rechten Flügel viel Freiraum, den er geschickt nutzte. So legte er das 2:0 für Jens Stage auf (53.). Mit der Führung im Rücken zog sich Werder weiter zurück. Ihr Ballbesitzwert sank nach dem zweiten Treffer auf 35%. Werder fokussierte sich auf die Defensive.
In der 66. Minute wechselte Svensson dreifach. Damit einher ging eine Systemumstellung. Fortan agierte Mainz aus einem 4-1-3-2-System; dieses ist auch besser bekannt als Rautensystem. Sie wollten mit einem hohen Pressing Werder zu langen Bällen zwingen. Anschließend wollten sei eine Überzahl im Zentrum kreieren.
Die Mainzer Raute spielte den Werderanern in die Karten. Die Gäste hatten zwar mehr Präsenz im Zentrum; sie fanden nun öfter den flachen Weg aus der eigenen Hälfte. Dafür taten sich nach Mainzer Ballverlusten große Lücken im Zentrum auf. Werder hatte nun Räume zum Kontern – und Werner beflügelte das Umschaltspiel mit der Einwechslung des schnellen Justin Njinmah (76.). Dank seiner Geschwindigkeit konnte Werder über zwei recht leicht auszuspielende Konter das Ergebnis auf 4:0 hochschrauben.
Fazit: Vor allem defensiv starke Leistung
Kein Füllkrug, trotzdem vier Tore: Der Fokus nach dem Spiel liegt auf Werders Offensive. Werder deutet im ersten Spiel ohne ihren Top-Torjäger an, dass sie im Angriffsdrittel flexibler aufgestellt sein könnten. Dennoch sollte man die vier Tore nicht überbewerten. Die Mainzer Defensive zeigte sich arg anfällig. Svensson spielte mit seinen taktischen Entscheidungen Werder vollends in die Karten.
Nicht untergehen sollte dabei die defensive Leistung der Bremer. Werder mischte ein intensives Pressing mit hoher Intensität im Zweikampf und einer guten 5-3-2-Absicherung in der eigenen Hälfte. Erstmals seit saisonübergreifend 14 Bundesliga-Spielen stand wieder die Null. Gerade auf dieser Stärke lässt sich nach der Länderspielpause aufbauen.